Die Zahlen sprechen eine scheinbar deutliche Sprache: Laut einer Bevölkerungsprognose von dem freien Statistiker Ulrich Stein wird die Zahl der Sechs- bis Neunjährigen – und damit die der Grundschüler – in Radolfzell bis zum Jahr 2030 um 15 Prozent ansteigen. Das Problem: All diese Kinder müssen betreut werden. Ist die Stadt darauf vorbereitet?
Entwicklung ist schwer einzuschätzen
Tatsächlich ist – ebenso wie bei den Hochrechnungen im Kinderbetreuungsbereich – aktuell noch gar nicht klar, wie sich die Bevölkerungszahlen in diesem Bereich tatsächlich entwickeln werden. Und damit auch, wie groß der Bedarf bei den Schulplätzen einmal sein wird. Denn die Annahmen, mit denen die langfristige Bevölkerungsprognose rechnet, können laut der Stadt schlussendlich von der Realität abweichen. Dann zum Beispiel, wenn abhängig von den Entwicklungen in der Baubranche doch mehr oder eben weniger Menschen in Radolfzell neu bauen.
„Ein großer Punkt ist die Sache mit den Flüchtlingen“, erklärt Gerhard Schöpperle, Leiter des Fachbereichs Hochbau und Gebäudemanagement. Denn man wisse nicht, wie viele Geflüchtete wann noch nach Radolfzell kommen und wie lange sie bleiben. Das sorge für weitere Unsicherheiten.
Schwierig sei bei der Einschätzung des Bedarfs an weiterführenden Schulen auch, dass nicht von vornherein feststeht, welchen Weg die Kinder nach der Grundschule einschlagen. Wie Brigitte Reichmann, Leiterin des städtischen Fachbereichs Bildung, Jugend und Sport berichtet, gebe es aber immerhin Übergangsquoten mit Tendenzen, allerdings könnten sich diese immer ändern, zumal die Grundschulempfehlung seit einiger Zeit wegfällt. Allerdings sei man auch in Kontakt mit den Schulen.
Neue Software für die Vorausrechnung
„Wir sind immer dran, die Schülerzahlen zu prüfen“, sagt Brigitte Reichmann, Leiterin des städtischen Fachbereichs Bildung, Jugend und Sport. Dafür solle nun sogar die Vorgehensweise umgestellt werden. Derzeit sei die Stadtverwaltung manuell damit beschäftigt, die voraussichtliche Schülerentwicklung und damit den nötigen Raumbedarf zu errechnen. Dies geschehe auf Grundlage der Einwohnerentwicklung, der Anmeldezahlen, der Schulstatistik sowie dem Verkauf von Grundstücken – allerdings in Abgleich mit der jeweils realen Nutzung der Schulräume und in Absprache mit den Schulleitungen, wie die Stadt betont.
Künftig soll sich an der Vorausrechnung aber etwas ändern: Wie Reichmann berichtet, wolle die Stadt dafür in Zukunft ein Programm zu kaufen, das die manuellen Rechnungen ersetzt und so die Schulentwicklungsplanung unterstützt. Bis dieses eingeführt werde, dauere es aber sicherlich etwa ein halbes Jahr.
Diese Maßnahmen sind geplant
Allerdings reichen die langfristigen Kapazitäten an den Schulen in Radolfzell auf Grundlage der Bevölkerungsprognose grundsätzlich aus, teilt die Stadt mit. Zumal bereits Baumaßnahmen abgeschlossen und geplant sind. So hat laut Gerhard Schöpperle die Ausrichtung der Grundschule an der Teggingerschule auf eine stabile Dreizügigkeit bereits stattgefunden. Im Raumprogramm können sowohl die Grundschule, als auch die weiterführenden Schulen an der Teggingerschule „angemessen berücksichtigt werden“, so die Stadt.
Weiter solle an der Grundschule Markelfingen ein eingeschossiger Anbau entstehen, geplant sei der Ausbau ab 2024, „sodass wir ihn zum September 2025 nutzen können“, sagt Vanessa Leiber von der Abteilung Schulen und Sport. Geplant sei ein Mehrzweckraum – allerdings könne dieser vorübergehend auch als zwei Klassenräume genutzt werden, wenn die Schülerzahlen steigen, so Brigitte Reichmann.
Flexible Raumnutzung im Blick
An der Sonnenrainschule ist zudem in der Zukunft ein Neubau geplant – eigentlich für die Kinderzeit, allerdings werden dadurch in der Schule vier Räume frei, die derzeit durch die Kinderzeit genutzt werden. Und wie Brigitte Reichmann weiter berichtet, könnten die neuen Räume zwar nicht als Klassenzimmer, dafür aber etwa für Kleingruppenarbeiten auch von Grundschülern genutzt werden. Und sollte die Sonnenrainschule eine Ganztagsschule werden, könnten die neuen Räume für Angebote wie zum Beispiel eine Theatergruppe genutzt werden. Generell achte die Stadt darauf, dass Räume multifunktional genutzt werden können: „Im Schulbereich schauen wir, dass wir flexibel sind“, sagt Reichmann.
In Stahringen wurde laut Gerhard Schöpperle in der Vergangenheit außerdem geprüft, ob notfalls um einen Klassenraum in Containerbauweise ergänzt werden könne. Das sei theoretisch auch möglich. Aber: „Das ist die äußerste aller Lösungen“, betont Schöpperle. Bevor es dazu komme, wolle die im Bedarfsfall lieber prüfen, ob Räume in der Nachbarschaft, etwa im Rathaus, durch die Schule genutzt werden können.
Es braucht auch ausreichend Lehrer
Neben dem Raumbedarf wird aber künftig auch die Lehrerversorgung stimmen müssen. Wie das Staatliche Schulamt kürzlich mitteilte, gingen die Grundschulen im Kreis Konstanz mit einer ausreichenden Zahl an Lehrern ins aktuelle Schuljahr 2023/24. Anderswo fehlten aber zum Teil Lehrkräfte: Viele Schulen der Sekundarstufe 1 seien zum Beispiel mit einer leichten Unterversorgung gestartet, jedoch noch arbeitsfähig gewesen.
Wie die Lehrerversorgung derzeit in Radolfzell aussieht und wie der Blick in die Zukunft aussieht, ist außerdem unklar: Anfragen an das Staatliche Schulamt blieben unbeantwortet.