Es ist für die Böhringer Ortsgeschichte ein „ganz wichtiger Fund“, wie Kreisarchäologe Jürgen Hald betont: Bei Tiefbauarbeiten eines Bauprojekts der Firma Gnädinger und Mayer sind im Oktober in der Fritz-von-Engelberg-Straße Alemannengräber gefunden worden. Seither sind Experten der Firma Archaeotask mit der Freilegung sowie Dokumentation und Untersuchung der Gräber beschäftigt. 23 Gräber wurden bereits erfasst, allerdings sind die Arbeiten auch noch nicht abgeschlossen. Ein paar könnten laut Hald noch dazu kommen.

Schon vor vielen Jahrzehnten gab es Funde
Schon vor den Funden habe es den Verdacht gegeben, dass in dem Bereich Gräber liegen könnten, wie der Kreisarchäologe berichtet. Denn bereits vor dem Ersten Weltkrieg sei man beim Schulhausbau in Böhringen auf frühmittelalterliche Gräber gestoßen, weitere kamen in den 1920er- und 1930er-Jahren bei weiteren Bauarbeiten zutage. „Aber es gibt keine Dokumentation“, erklärt Hald. „Zum Teil war das mehr so Hörensagen.“ Nur ein paar wenige Funde seien erhalten worden. Man müsse auch davon ausgehen, dass mindestens 30 bis 40 Gräber „unbeachtet zerstört wurden“.
Bei ersten Kontrollen sei bei den jetzigen Arbeiten dennoch erst einmal nichts festgestellt worden. „Da waren wir neben den Gräbern“, so der Kreisarchäologe im Nachhinein. Dann tauchten aber doch Knochen auf. Durch die aktuellen Grabungen und Untersuchungen können nun erstmals genaue Erkenntnisse gewonnen werden.
Laut Jürgen Hald haben die Archäologen nun offenbar den nördlichen Rand eines großen Gräberfelds aus dem sechsten oder siebten Jahrhunderts entdeckt, das sich – sollte es durchgehend bis zu den Funden an der Schule reichen – über mindestens 80 bis 100 Meter ausdehnte. Das sei beachtlich. Und bei den gefundenen Überresten handelt es sich wohl um die der Gründergeneration des Ortes Böhringen – obwohl das Dorf selbst erst im Jahr 1243 urkundlich erwähnt wurde.
Auch Grabbeigaben führen zu Erkenntnissen
Doch nicht nur Knochen wurden bei den Grabungen freigelegt, sondern auch Grabbeigaben. Das gelang, obwohl einige der Gräber wohl beraubt wurden. „Das waren keine besonders reichen Gräber“, sagt Jürgen Hald zu den aktuellen Funden. Früher sei in Böhringen zum Beispiel auch schon ein Schwert ausgegraben worden. Nun wurden etwa Glasperlen, eine Münze, Gürtelschnallen und ein Kamm aus Knochen gefunden.
Außerdem ein vollständig erhaltenes Töpfchen aus Keramik, das laut dem Kreisarchäologen etwas über die mögliche Herkunft mancher frühmittelalterlichen Siedler in Böhringen verraten könnte. Denn die Form des Töpfchens sei eher etwas, das sich im thüringischen Bereich finde, obwohl das Töpfchen sicher von hier stamme. „Das zeigt die Einflüsse“, so Hald. „Es könnte ein Hinweis auf zugezogene Personen sein.“
Gräber werden sorgfältig dokumentiert
Wie Georg Häußler als Geschäftsführer von Archaeotask berichtet, werden die Funde nach dem Freilegen dokumentiert und es wird ein 3D-Modell erstellt. Dadurch werde nachvollziehbar, wo das Grab war und wie es aussah. Im Anschluss werden die Knochen entfernt, getrocknet und schließlich dem Landesamt für Denkmalpflege zur Restaurierung übergeben.
Anhand der Funde lasse sich so einiges über die alemannischen Siedler in Böhringen herausfinden, unter anderem, ob sie in der Gegend aufgewachsen oder dort lediglich gestorben sind. Das sei wichtig, weil es aus der damaligen Zeit kaum schriftliche Überlieferungen gebe, lediglich die Knochen könnten Erkenntnisse liefern, so Häußler.
Gründergeneration von Böhringen gefunden
Erkenntnisse zum Gräberfeld gibt es aber schon. Zum einen wurden die Gräber laut Jürgen Hald „ähnlich wie bei heutigen Friedhöfen in Reihen angelegt“. Außerdem liegen die Schädel der Toten immer im Westen der Gräber mit Blick nach Osten, das sei für frühmittelalterliche Bestattungen üblich.
Dass sie zudem nach aktuellem Grabungsstand dem sechsten oder siebten Jahrhundert zugeordnet werden, bedeute, dass sie in einer Phase des frühen Mittelalters angelegt wurden, in denen die einheimischen Alemannen bereits unter fränkischer Herrschaft gestanden hätten – der Merowingerzeit.
Wie geht es weiter?
Lange sollen die Ausgrabungsarbeiten derweil nicht mehr andauern. Ursprünglich sei zwar von insgesamt vier bis sechs Wochen ausgegangen worden, so Jürgen Hald. „Die Firma ist aber schon sehr weit fortgeschritten.“ Nun werde nur noch von ein paar Tagen ausgegangen. Entstehen sollen an dem Ort danach laut Benedikt Winkelmann vom Bauunternehmen Gnädinger und Mayer ein Tiny House und ein Doppelhaus.