Die schlechten Nachrichten reißen in Radolfzell nicht ab. Das Radolfzeller Krankenhaus wird schon im Sommer seine Türen endgültig schließen. Zum 30. Juni gehen auf der Mettnau die Lichter aus. Dies teilten Landrat Zeno Danner und Bernd Sieber, Geschäftsführer des Gesundheitsverbundes Landkreis Konstanz (GLKN), am Freitagnachmittag in einer Pressekonferenz mit.
Erst sorgte die angekündigte Werkschließung des Automobilzulieferers BCS mit seinen mehr als 600 Arbeitsplätzen für Unruhe und Sorgen. Zwei Wochen später nun die Hiobsbotschaft, dass das Krankenhaus, seit mehr als 115 Jahren eine Institution in der Stadt, früher als erwartet und früher als gehofft, schließen muss.

Drei problematische Entwicklungen
Dass bereits so schnell die Reißleine gezogen werden muss, begründet der Landrat mit drei Entwicklungen. Der Fachkräftemangel würde den Betrieb am Krankenhaus immer schwieriger machen. Von den eigentlich verfügbaren 154 Betten am Standort Radolfzell könne man aktuell mit dem bestehenden Personal gerade einmal nur die Hälfte versorgen. Die Geriatrie mit 30 Betten werde ins Konstanzer Klinikum verlegt, das Fußzentrum und die Innere Medizin mit 44 Betten werden nach Singen umziehen.
Seit Bekanntgabe des GLKN im Frühjahr 2022, dass das Radolfzeller Krankenhaus auf Empfehlung des Strukturgutachtens der Firma Lohfert & Lohfert grundsätzlich schließen müsse, hätten 73 Mitarbeiter den Radolfzeller Standort verlassen. Wie viele in eines der anderen GLKN-Krankenhäuser gewechselt sind, das konnte Geschäftsführer Bernd Sieber nicht beantworten. Neu wieder eingestellt werden konnten nur 20 Mitarbeiter, was ein Defizit von 53 Mitarbeitern ergibt.
Weiter hätten neue Gutachten zu Tage geführt, dass es im Gebäude auf der Mettnau massive technische Defizite gebe. Laut Danner sei die Elektrik in einem solch kritischen Zustand, dass eine Entkernnung des Gebäudes dringend notwendig, die Kosten dafür aber zu hoch wären. Auch beim Thema Brandschutz hätten neue Gutachten ergeben, dass umfassende Arbeiten anstünden. Überhaupt sei der Investitionsstau am Standort Radolfzell mittlerweile auf rund 93 Millionen Euro angewachsen. Alle Gutachten würden empfehlen, die Klinik zu schließen, so GLKN-Chef Bernd Sieber.
Und nicht zuletzt würde die Schließung dem Klinikverbund rund 4,5 Millionen Euro einsparen. Ein recht überschaubarer Betrag im Vergleich mit dem für das Jahr 2023 errechnete Defizit von 35 Millionen Euro. Der Wunsch der Radolfzeller Bürger und des Gemeinderates, den Betrieb in Radolfzell Krankenhaus so lange aufrecht zu erhalten, bis das neue Klinikum im Landkreis Konstanz errichtet ist, scheint sich in Luft aufzulösen.
Schlechte Nachrichten zum MVZ
Unerfüllt bleibt auch die Forderung, nach der Schließung des Krankenhauses ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) in Radolfzell einzurichten. Die notwendigen Kassensitze für ein MVZ seien in Radolfzell aktuell nicht verfügbar, so Bernd Sieber. Aktuell seien zwei Hausarztsitze in Radolfzell frei, keiner für eine andere Fachrichtung. Der Klinikverbund sieht die Kernkompetenz aber nicht im hausärztlichen Bereich.
Auch wolle man ein Medizinisches Versorgungszentrum nicht ohne den Segen der bestehenden Ärzteschaft angehen. Es habe aber bereits Gespräche mit Radolfzeller Ärzten gegeben, wie man eine Anschlussversorgung in Radolfzell einrichten könne. Und: „Wir stehen bereit, die Einrichtung eines MVZ zu begleiten“ sagt Sieber.
Bernd Sieber betonte allerdings, dass schon jetzt jegliche Notfallbetreuung für den Bereich Radolfzell nach Singen oder Konstanz verlagert wurde. Die Stationen, die im Radolfzeller Krankenhaus zuletzt noch untergebracht waren, seien kein Notfallangebot des GLKN gewesen. „Den Bürgerinnen und Bürgern ist vor allem eine gute Versorgung im Notfall wichtig und die gibt es jetzt schon“, so Bernd Sieber.
Alle Mitarbeiter erhalten neue Angebote
Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Radolfzeller Krankenhaus sollen es laut Danner und Sieber ein Stellenangebot für einen der beiden andere Standorte des GLKN bekommen. „Wir hoffen so viele Mitarbeiter wie möglich behalten zu können“, sagte Bernd Sieber. Konkret gehe es um 206 Mitarbeiter, darunter 22 Ärztinnen und Ärzte und 88 Pflegekräfte.
Für die Krankenhäuser Singen und Radolfzell kommen die neuen Kollegen aus Radolfzell gerade recht. Laut Sieber sind in Singen – wo organisatorisch auch offene Stellen aus Radolfzell mit eingerechnet werden – 57 und in Konstanz 70 Stellen unbesetzt. Um möglichst allen Mitarbeitern einen Wechsel schmackhaft zu machen, werde es einen gemeinsam mit dem Betriebsrat erarbeiteten Sozialplan geben, so Sieber. Ziel sei es, wenigstens 70 Prozent aller Mitarbeiter halten zu können.