Am Ende kam ziemlich schnell an die Oberfläche, was dort Jahrhunderte schlummerte: Die Ausgrabungsarbeiten an einem Grundstück an einem alemannischen Gräberfeld in der Böhringer Fritz-von-Engelberg-Straße sind schon nach zwölf Grabungstagen fertig, wie Kreisarchäologe Jürgen Hald erklärt. Dabei kamen noch ein paar mehr historische Gräber zutage als die 23, die bis Anfang November schon gefunden wurden. Knapp 30 seien es nun insgesamt, sagt Jürgen Hald. Sie gehören zu zahlreichen archäologischen Entdeckungen, die in der Vergangenheit im westlichen Bodenseeraum gemacht wurden.

Spangen aus dem sechsten Jahrhundert

Neben Knochen sind in Böhringen auch 40 Fundstücke wie Gürtelschnallen, Glasperlen oder Münzen entdeckt worden. Und zuletzt auch ein aufwendig verzierter Kamm aus Knochen mit dazugehöriger Hülle, sowie zwei Fibeln, also Gewandspangen aus Bronze. Diese Spangen seien eher dem sechsten Jahrhundert zuzuordnen, wie sich anhand des Fundorts zeige. Denn die Fibeln seien im Beckenbereich eines Skeletts gefunden worden – und im sechsten Jahrhundert seien Fibeln eher als Zierschmuck am Gürtel und nicht wie zuvor an den Schultern getragen worden.

Außerdem könnten die Fibeln noch mehr Erkenntnisse liefern, denn an ihren Eisennadeln sei ein besonderer Fund gemacht worden: „Da haben sich sogar Textilspuren erhalten“, schildert Jürgen Hald. Bei der Auswertung könnten Spezialisten unter Umständen einiges herausfinden, etwa wie der Stoff gewoben wurde.

Eine Erkenntnis hat Jürgen Hald jetzt schon gewonnen: Dass die Gräber in Böhringen nicht sehr dicht aneinander gefunden wurden, spreche dafür, „dass wir dort am Rand des Friedhofs sind“.

Was passiert mit den Fundstücken?

Die in Böhringen ausgegrabenen Knochen seien aktuell noch bei Archaeotask, dort müssten sie erst einmal trocknen. Die Grabbeigaben wurden Jürgen Hald jedoch schon übergeben. Wie er berichtet, sollen sie noch in diesem Monat zur Restaurierung an das Landesamt für Denkmalpflege übergeben werden.

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Aber: „Den Gesamtbestand kann man nicht auf einmal konservieren“, betont der Kreisarchäologe. Erst einmal werde man nun versuchen, ein paar Stücke zu restaurieren.

Nicht nur Gräber werden gefunden

Frühmittelalterliche Grabfunde wie in Böhringen sind laut Jürgen Hald übrigens zwar nicht unbedingt selten, allzu häufig gibt es sie in der Region aber dennoch nicht. In 22 Jahren als Kreisarchäologe habe er etwa fünf bis sechs solcher Funde begleitet, so Hald. „Das hat natürlich keine Regelmäßigkeit“, sagt er. Denn die Archäologen rücken an, sobald Gräber bei Bauarbeiten entdeckt werden, und gehen nicht anlasslos auf Suche.

Kreisarchäologe Jürgen Hald zeigt frühmittelalterliche Schwerter, die in der Region gefunden wurden.
Kreisarchäologe Jürgen Hald zeigt frühmittelalterliche Schwerter, die in der Region gefunden wurden. | Bild: Marinovic, Laura

Es werden aber nicht nur Gräber gefunden, sondern auch Siedlungsüberreste. Diese sorgen laut Hald zwar für weniger Aufmerksamkeit als Grabstellen, da eindrucksvolle Funde wie Knochen die Menschen faszinieren würden. Allerdings seien sie aus wissenschaftlicher Sicht ebenfalls interessant, da sie zum Beispiel zeigen können, welche Art von Getreide angebaut wurde.

Epochen haben Spuren hinterlassen

Tatsächlich finden sich in der Region auch weitaus mehr als nur frühmittelalterliche Siedlungen oder Gräber. Wie Jürgen Hald berichtet, haben Menschen aus den unterschiedlichsten Epochen ihre Spuren im westlichen Bodenseeraum hinterlassen – von der Steinzeit bis in die Neuzeit.

Zahlreiche Fundorte mit Entdeckungen aus der Zeit von der Altsteinzeit bis ins frühe Mittelalter verzeichnet die Kreisarchäologie in der ...
Zahlreiche Fundorte mit Entdeckungen aus der Zeit von der Altsteinzeit bis ins frühe Mittelalter verzeichnet die Kreisarchäologie in der Region – hier nur der Stand bis 2011 | Bild: Schönlein, Ute

Es gebe etliche Funde aus der Altsteinzeit, etwa 5000 bis 5500 vor Christus hätten sich die ersten Bauern in der Region niedergelassen. Die älteste Siedlungsstelle sei so an den Hegauvulkanen gefunden worden. Aus der Zeit um 800 bis 300 vor Christus gebe es viele frühkeltische Grabhügel und zwischen Welschingen und Anselfingen zwei große keltische Siedlungsstellen.

Generell zeichne sich das Gebiet zwischen Radolfzell, Engen und Singen durch einen Fundreichtum aus, so Hald. „Der Hegau gehört zu den fundträchtigsten Regionen überhaupt.“ Aus diesem Grund sei auch eine eigene Kreisarchäologie angesiedelt.

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Dass der westliche Bodenseekreis derart stark besiedelt war, liegt laut Jürgen Hald an den besonders guten Bedingungen: „Das Gebiet liegt in einer Gunstzone“, sagt er. Klimatisch sei die Region günstig für Siedler gewesen, zudem gebe es gute Böden. Und über den See konnte Handel per Boot betrieben werden. „Der See war kein trennendes Objekt, sondern ein verbindendes Element“, erklärt Hald.

Verschiedene Arten von Siedlungen

Aber nicht nur der Zeitraum, aus dem die archäologischen Funde stammen, ist groß, sondern auch deren Art. So finden sich zum Beispiel am See mit Pfahlbauten ganz andere Siedlungen als im Hegau.

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Außerdem sei das Gebiet durch Archäologen gut betreut. Neben der Kreisarchäologie gibt es auch das Landesamt für Denkmalpflege, das für Funde in Bereichen mit Feuchtgebieten zuständig sei.

Nur ein Bruchteil kann ausgestellt werden

Aber was passiert eigentlich mit den Funden? „Einen kleinen Teil kann man überhaupt nur ausstellen“, sagt Jürgen Hald. Das allermeiste werde verwahrt. Denn zum einen handele es sich um Dokumente der jeweiligen Zeitepoche. Zum anderen können die Funde Informationen über die Geschichte der Region liefern.

Dennoch könne es Jahre dauern, bis die Fundstücke ausgewertet werden. Wie Jürgen Hald erklärt, werden sie auch deshalb eingelagert, um sie künftigen Forschern zu erhalten. Die können mit neuen Techniken vielleicht noch mehr Erkenntnisse gewinnen, wie das Leben in der Region vor Jahrhunderten und Jahrtausenden aussah.