Mit Sorgen sind viele Familien, die ihre Kinder in den Betreuungseinrichtungen der Stadt angemeldet haben, in das neue Jahr gestartet. Was wird es bringen? Wird es noch weniger Betreuungsstunden geben als ohnehin schon seit Beginn des Kitajahres? Fällt die Ganztagesbetreuung komplett weg? Diese und mehr Fragen haben Eltern während der Ferien und Feiertage beschäftigt. Und diese Fragen beschäftigen nun auch den Gemeinderat.
Gleich zweimal – einmal von der CDU, einmal von FDP und Freie Wähler – ist eine Sondersitzung zum Thema Kinderbetreuung beantragt worden. Ebenfalls wurde gefordert, die Sitzung noch vor der großen Haushaltsdebatte am Dienstag, 31. Januar, abhalten zu können. Die CDU gibt der Stadtverwaltung in ihrem ausführlichen Antrag noch etliche Prüfaufträge mit, um die Betreuungslage kurzfristig und langfristig zu verbessern.
Sondersitzung noch vor der Haushaltsberatung
Laut Radolfzeller Stadtverwaltung wird die Sondersitzung am selben Tag stattfinden wie die Haushaltsberatung. Der Gemeinderat trifft sich schon um 10 Uhr und wird über die Situation in den Kindertageseinrichtungen sprechen. Nach der Pause geht es dann um 13 Uhr mit der Haushaltsberatung weiter.
Und die Situation ist prekär. In acht von zehn städtischen Einrichtungen kann die offiziell angebotene, von Eltern gebuchte und voll bezahlte Betreuungszeit nicht gewährleistet werden. Einige der Einrichtungen befinden sich im Notbetrieb, andere haben verkürzte Öffnungszeiten, in manchen änderte sich die Lage von Woche zu Woche.
Dabei schlägt die CDU in ihrem Antrag vor, sich nicht nur auf die Gewinnung von neuen Mitarbeitern mittels finanziellen Anreizen wie Sonderzahlungen, Zuschlägen zur Gesundheitsvorsorge oder zu öffentlichen Verkehrsmitteln zu konzentrieren. Andere Ansätze zur kurzfristigen Verbesserung sollen geprüft werden, wie zum Beispiel das Offenburger-Modell und das Stuttgarter-Modell.
Andere sollen administrative Aufgaben übernehmen
Der Einsatz von fachfremden Personal, sei es bei der Kinderbetreuung oder in Leitungsfunktionen, die keine pädagogische, sondern administrative Aufgaben erfüllen, sind Vorschläge der CDU. Dies werde in Konstanz bereits in den großen Einrichtungen so praktiziert, heißt es in dem Antrag.
Und auch politisch soll das Thema angegangen werden. Der Gemeinderat solle eine Resolution verabschieden, die sich an Städte- und Gemeindetag, Kreistag, Landesregierung und Bundesregierung richte. Die Ausbildung zum Erzieher müsse vergütet werden. Da sehe die CDU den Gesetzgeber in der Pflicht, dies auch bundesweit umzusetzen, um die Attraktivität der Ausbildung zu verbessern.
Die anderen Fraktionen des Gemeinderates sehen diesen Vorstoß der CDU mit gemischten Gefühlen. So empfindet Norbert Lumbe, Fraktionssprecher der SPD, den Antrag als „notwendigerweise plakativ“. Viele der Ideen und Vorschläge seien bereits von Teilen des Gemeinderates in unterschiedlichen nicht-öffentlichen Gremien besprochen worden. Doch sieht er viele der Ideen für nicht umsetzbar: „Wir müssen Arbeitsrecht, Tarifverträge oder auch den Gleichbehandlungsgrundsatz berücksichtigen“, so Lumbe. Einfach den Erzieherinnen mehr Geld zu geben, ginge schlicht nicht.
Viele Regeln verhindern pragmatische Lösungen
Ob es an dem Gremium gelingen wird, am 31. Januar mit den von Eltern gewünschten kreativen Lösungen zu kommen, da ist sich Lumbe noch unsicher. „Wir sind alle für Pragmatismus, aber in Realität geht vieles nicht“, sagt er. Auf jeden Fall werde es nicht am Willen des Gemeinderates scheitern: Er sagte für jede praktikable Lösung Unterstützung zu, auch finanzielle. Am Geld solle keine gute Idee, die Lage für Familien kurzfristig zu verbessern, scheitern.
Für Jürgen Keck, Fraktionssprecher der FDP, sind die Vorschläge der CDU nicht zielführend. Er hätte lieber erst ein gemeinsames Gespräch mit allen Beteiligten gehabt und im Anschluss Lösungsvorschläge erarbeitet. Damit meint Keck aber nicht wochenlanges Analysieren der Probleme. „Das Kita-Problem beschäftigt uns seit Jahren. Erst fehlte es an Plätzen und Räumen, jetzt ist es das Personal“, so Keck. Unglücklich findet er den Zeitpunkt der Sondersitzung direkt vor der Haushaltsberatung. „Da ist doch jeder mit dem Kopf ganz woanders, man hätte einen eigenen Termin dafür finden müssen“, sagt er.

Um die Lage nachhaltig verbessern zu können, müsse man der Ursache auf den Grund gehen. Auch könnte die Stadt, wie es bereits andere Kommunen machen, mit Wohnraum für Mitarbeiter werben. Damit könnte man auch Fachpersonal außerhalb des Landkreises gewinnen und sich nicht im Kreis die Erzieherinnen gegenseitig abwerben.
Der Betreuungsstandard soll nicht gesenkt werden
„Es braucht Mut in der Verwaltung und dem Personalrat“, sagt Siegfried Lehmann, Fraktionssprecher der Freien Grünen Liste. Er verstehe die Sorge der Erzieherinnen und Erzieher, durch externe Helfer ihren pädagogischen Anspruch senken zu müssen. Kitas seien heute keine Verwahrungs-, sondern Bildungseinrichtungen. Doch könne man auch keine Kinder fördern, wenn die Kita komplett geschlossen sei. Es gehe kurzfristig darum, die Betreuungszeiten aufrecht zu erhalten, nicht darum den hohen Betreuungsstandart dauerhaft zu senken.
Lehmann sehe eine Möglichkeit, den engen Rahmen der städtischen Betreuung zu verlassen und eigene Zusatzangebote zu schaffen. Diese könnten Familien kurzfristig entlasten und man könnte flexibler handeln. Auch sei es für eine dauerhafte Verbesserung der Lage notwendig, die Ausbildung zu vergüten und diese gerade für Quereinsteiger attraktiver zu gestalten.

Auch Dietmar Baumgartner, Fraktionssprecher der Freien Wähler, sieht die Lösung auf Landes- und Bundesebene. Vieles sei kommunal gar nicht zu entscheiden. Außerdem würden die Kommunen mit den ganzen Vorgaben der Bundesregierung im Stich gelassen. Doch sieht er auch die Verantwortung der Stadt: „Wir haben auch eine Fürsorgepflicht für die Mitarbeiter.“