Wie stellen sich Menschen die Stadt Radolfzell im Jahr 2050 vor? Mit dieser Frage eröffnete Karl-Heinz Walter vom Stadtplanungsbüro Reschl jüngst den zweiten Workshop im Rahmen des Dialogforums Wohnen. Die Veranstaltung in den neuen Räumlichkeiten des Dezernats für nachhaltige Stadtentwicklung und Mobilität am Radolfzeller Marktplatz lockte dieser Tage nicht nur rund 20 Teilnehmer an, sondern gab eine Vorstellung davon, was sich engagierte Bürger tatsächlich wünschen.

„Erhalt der Natur ist entscheidend“

Die scheint in der Mehrzahl in der Bewahrung des Ist-Zustands zu liegen und nicht in einer Fortführung des bisherigen Wachstums. Denn wie sich im Laufe des Workshops zeigte, sind die Menschen in Radolfzell offenbar nicht ganz glücklich mit Entwicklungen der Stadt in den vergangenen Jahren. Insbesondere die Baulandpolitik und der massive Anstieg des Wohnbaus lässt die Menschen offenbar zumindest in Teilen unzufrieden zurück.

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Sie wünschen sich laut Stimmen beim Workshop mehr Grün in der Stadt und eine Begrenzung der Außenbereiche, um dem ausufernden Hausbau Einhalt zu gebieten. Diese Auffassung hat auch Oberbürgermeister Simon Gröger zur Kenntnis genommen: „Der Erhalt der Natur ist entscheidend. Wir haben um uns herum Städte, die voll auf Wachstum setzen. Es stellt sich schon die Frage, ob wir diese Entwicklung brauchen“, stellte er fest. In Radolfzell existieren aktuell 189 Grünanlagen, die von der Stadt gepflegt werden.

Umwelthauptstadt soll mehr als Titel sein

So mancher würde sich die Umsetzung des vor Jahren vergebenen Titels einer Umwelthauptstadt in deutlich sichtbarerer Form wünschen. Die Stimmung hat sich ganz gewiss nicht nur in Radolfzell verändert, wie Karl-Heinz Walter aus seiner Berufserfahrung berichten konnte: „Die Akzente sind heute ganz anders als noch vor zehn Jahren“, ließ der Moderator der Abendveranstaltung wissen.

Das geht sogar so weit, die Grenzen des Wachstums, wie sie von der Non-Profit-Organisation Club of Rome bereits in den 1960er-Jahren beschrieben wurden, in der Konsequenz auf den Radolfzeller Wohnungsbau anzuwenden. Soll heißen: Die Baulandflächen sind begrenzt und die nachhaltige Entwicklung fordert im Grunde schon heute längst einen Verzicht auf weitere Ausweisungen.

Radolfzell soll eigene Grundsätze formulieren

Damit liegt man laut Karl-Heinz Walter durchaus auf der Linie der Bundesrepublik, die für das Jahr 2050 einen Nullflächen-Verbrauch angepeilt hat. Damit wäre die Ausweisung und Umsetzung auf unversiegelten Flächen eigentlich nicht mehr möglich. Praktiker halten die Umsetzung solcher Festsetzungen für nicht möglich. Denn aktuell ist der Bedarf an Wohnraum – speziell in Zuzugsgebieten wie Radolfzell – sehr hoch und kann nicht ohne Weiteres in Form von Innenraumverdichtungen realisiert werden.

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Walter selbst schätzt das Potenzial, die Nachfrage mit Innenverdichtung bedienen zu können, auf rund 70 Prozent ein. In jedem Fall rät er der Stadt, eigene Grundsätze für die Baulandpolitik zu formulieren und diese dann auch umzusetzen. Schließlich seien Vorschriften und Regeln nur so gut, wie sie auch überprüft werden.

An vielen Stellen Überzeugungsarbeit nötig

Als wichtig erachtet der Fachmann zudem die Überprüfung der Strategie alle drei Jahre. Schließlich verschieben sich die Bedürfnisse und Zielvorstellungen. Ohnehin rechnet er mit Diskussionen der Entscheider: „Der Gemeinderat trifft die Entscheidungen. Ich habe den Eindruck, da muss an vielen Stellen noch Überzeugungsarbeit geleistet werden“, sagte er.

Hilfestellungen sind laut Angelique Augenstein, Leiterin des Dezernats für nachhaltige Stadtentwicklung und Mobilität, aber nicht nur dort nötig. Sie geht davon aus, dass zum Beispiel bei dem Wohnungstausch von jungen und alten Menschen beide Teilnehmer Unterstützung benötigen: „Wir müssen die Jungen und Alten an die Hand nehmen für den Tausch“, stellte sie fest.