Die geplanten Nutzungseinschränkungen am Markelfinger Winkel durch die vom Regierungspräsidium Freiburg geplante Ausweitung des Naturschutzgebiets stößt auf heftigen Widerstand. Abteilungspräsident Umwelt, Manuel Winterhalter, und weitere Vertreter des Regierungspräsidiums sahen sich bei einer Dialogveranstaltung im Milchwerk rund 600 aufgebrachten Besuchern gegenüber.

Viele Fragen und Vorwürfe

Die Radolfzeller und Markelfinger hörten sich anfangs geduldig die Erläuterungen zum Verfahrensablauf und zur Bedeutung des Markelfinger Winkels für den europaweiten Artenschutz an. Es wurde aber rasch klar, dass sie mit ihren Fragen und Vorwürfen nicht lange warten wollten. Und die Kritik hatte es in sich, zumal sie mit lautstarker Unterstützung bedacht wurde. So wie ihn Ortsvorsteher Lorenz Thum schon bei seiner Darstellung der Markelfinger Position erhalten hatte.

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Die Fronten waren klar: Hier die Behörde und Naturschützer, dort jene, die sich um ihr angestammtes Recht zur Nutzung der Wasserfläche gebracht sehen und die Behörde misstrauisch beäugen. Reichlich Beifall für Einwände gegen die massiven Einschränkungen durch eine Ausweitung des Naturschutzgebiets, vehemente Missfallensäußerungen gegenüber deren wenigen Befürwortern.

Oberbürgermeister Simon Gröger sah sich zwischendurch gezwungen einzuschreiten, um zu der von ihm eingangs gelobten Radolfzeller Debattenkultur zurück zu finden.

Aufgeheizte Atmosphäre

Beispiele für diese lieferten zahlreiche Besucher. Spreche es nicht für einen Einklang von Mensch und Natur, wenn laut Vogelzählungen die Bestände in den vergangenen Jahren zugenommen hätten, wurde mehrfach unter Beifall angemerkt. Und in Bezug auf naturschützerische Kompensationen: „Heißt das, dass wir die Entenbevölkerung ausgleichen müssen, die vielleicht in China ausstirbt?“ Die entsprechenden Statistiken und große internationale Bedeutung des Gebietes für Wasservögel hatte Malte Bickel von der Höheren Naturschutzbehörde erläutert, begleitet von ironischem Lachen und Applaus des Publikums.

Vor der Veranstaltung im Milchwerk spricht Jens Daniel (links), Vorsitzender des Wassersportclubs Markelfingen, mit Oberbürgermeister ...
Vor der Veranstaltung im Milchwerk spricht Jens Daniel (links), Vorsitzender des Wassersportclubs Markelfingen, mit Oberbürgermeister Simon Gröger. An der Dialogveranstaltung nahmen zahlreiche Personen teil. | Bild: Buchholz, Michael

Bickel hat nach eigenen Worten erstmals vor so großem Publikum seine Argumente vertreten, bewies aber auch in aufgeheizter Atmosphäre gute Nerven. Obwohl er sich einigermaßen in das Gebiet eingearbeitet habe, könne er nie die Kenntnis der Einheimischen erlangen, gab er zu, aber: „Wenn sie noch schützenswerte Bereiche sehen, die wir missachtet haben, können wir auch darüber reden.“ Und schon wandelte sich die zunächst erbost-ironische Reaktion des Publikums in Erheiterung über seine Schlagfertigkeit.

Markelfinger schildern ihre Sicht der Dinge

Vorausgegangen waren diesen Worten Ausführungen eines Markelfingers, der von einem Rückgang des Bodensee-Vergissmeinnichts berichtete, seit der Naturschutzbund Nabu den Bereich um die Aussichtsplattform beim Naturfreundehaus habe zuwuchern lassen. Als er das Gebiet früher noch im Sommer habe mähen dürfen, habe es dort Schwertlilien und andere Blumen gegeben.

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Ähnliches gelte für den Mindelsee. Weil dort das Ufer zuwuchere, seien die früher anzutreffenden Moorenten und Schwäne in den Markelfinger Winkel weggedrückt worden. Und dann erwähnte er ein Vorkommen des Bodensee-Vergissmeinnichts beim Campingplatz Willam, das in den Erfassungen des Regierungspräsidiums nicht auftauche. Was von Malte Bickel für seinen Einwurf genutzt wurde.

Nabu als Feindbild

Schnell wurde deutlich, dass vor allem der Nabu bei vielen Besuchern den Status eines Feindbildes erlangt zu haben scheint. Dies reichte sogar bis hin zu einem Transparent, auf dem von „Öko-Terror“ die Rede war. Und zu der Frage nach einem wirtschaftlichen Interesse des Nabu an einer Ausweitung des Naturschutzgebietes.

Einem solchen Interesse widersprach Eberhard Klein, Leiter des Nabu-Bodenseezentrums, unterstützt von Manuel Winterhalter und Petra Holz, Referatsleiterin Naturschutz und Recht. Klein scheute sich nicht, in der Höhle der Seelöwen seinen Namen zu nennen. Die Reaktionen eines Teils des Publikums riefen Oberbürgermeister Gröger auf den Plan, um an eine respektvolle Diskussion zu erinnern.

Bitte um Verständnis und Zusammenarbeit

Eberhard Klein sprach von einem „unteren Bereich des Möglichen der ausgewiesenen Zone“ und trat noch für eine Ausweitung der Schutzzeiten in den September hinein ein, denn bereits dann beginne der Vogelzug. Das Regierungspräsidium plant ein weitestgehendes Verbot der menschlichen Nutzung der Wasserfläche vom 15. Oktober bis 15. März. Malte Bickel hielt eine Vorverlegung der Sperrzeit für unnötig. In der geplanten Zeit komme die Kolbenente gut über den Winter und könne den größten Teil ihrer Nahrungsquelle vertilgen: die Armleuchteralge.

Ein Motor- und ein Segelboot unter Motor halten im Markelfinger Winkel auf die Einfahrt zur Martin-Werft zu. Im Bereich des gesamten ...
Ein Motor- und ein Segelboot unter Motor halten im Markelfinger Winkel auf die Einfahrt zur Martin-Werft zu. Im Bereich des gesamten Naturschutzgebietes soll es laut dem Verordnungsentwurf eine Beruhigung der Wasserfläche vom 15. Oktober bis 15. März geben | Bild: Buchholz, Michael

Manuel Winterhalter und seine Begleiterinnen und Begleiter ließen nicht nach, um Verständnis und Zusammenarbeit zu bitten. Der Schutz der Wasservögel diene auch dem Schutz der Menschen. Was einige Gesprächsteilnehmer anders sahen. Auch Lorenz Thum hatte eingangs klare Bedenken: „Die Kinder sollen bei der Vereinsarbeit einen schonenden Umgang mit der Natur lernen. Dies wird mit dieser Verordnung zunichte gemacht.“

Ergebnis eines fast vierjährigen Prozesses

Für Jens Daniel, Vorsitzender des Wassersportclubs Markelfingen, ist Vereins- und Jugendarbeit ein zentrales Thema. Er beschäftigt sich seit Jahren mit den Plänen des Regierungspräsidiums und legte bei der Veranstaltung die Problematik des Wassersports und insbesondere der Jugendarbeit dar. Man merkte ihm an, wie sehr ihm an einer für die Wassersportler, inklusive des Ruderclubs Undine, akzeptierbaren Lösung gelegen ist.

„Wir werden jetzt nicht auf Start zurückgehen. Alle im laufenden Beteiligungsverfahren erhobenen Einwendungen werden aber ...
„Wir werden jetzt nicht auf Start zurückgehen. Alle im laufenden Beteiligungsverfahren erhobenen Einwendungen werden aber ausgewertet.“ – Manuel Winterhalter, Abteilungspräsident Umwelt beim Regierungspräsidium Freiburg | Bild: Regierungspräsidium Freiburg

Daran ist auch Abteilungspräsident Manuel Winterhalter im Rahmen seines gesetzlichen Auftrages gelegen, wie er nach der Veranstaltung betonte. Er stellte aber klar: „Der vorgestellte Verordnungsentwurf ist das Ergebnis eines fast vierjährigen intensiven Prozesses mit vielen Gesprächen vor Ort. Wir werden jetzt nicht auf Start zurückgehen. Alle im laufenden Beteiligungsverfahren erhobenen Einwendungen werden aber ausgewertet. Dabei prüfen wir, ob und inwieweit wir bei der Ausweisung des Naturschutzgebietes Markelfinger Winkel und westlicher Gnadensee zugunsten der Interessen der Nutzerinnen und Nutzer des Sees noch nachbessern können, ohne den Schutzzweck zu gefährden.“

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