Früher war der berühmte Klaps auf den Hintern Normalität in vielen Familien. Heute schauen viele nicht mehr weg, wenn Eltern ihre Kinder mit teils groben Maßnahmen erziehen wollen. So wie eine 35-jährige Mutter aus Radolfzell, die gesehen haben wollte, wie eine andere Mutter ihr Kind geschlagen haben soll. Sie rief die Polizei und der Fall landete vor Gericht.
Eine 39 Jahre alte Frau aus Radolfzell war vor dem Radolfzeller Amtsgericht wegen der Misshandlung von Schutzbefohlenen angeklagt. Schutzbefohlen, das war in diesem Fall ihre damals zwei Jahre alte Tochter, die sie angeblich in aller Öffentlichkeit geschlagen haben soll. Zur Anklage kam es, weil eine andere Mutter diesen Vorfall gesehen haben möchte. Tatort war der Spielplatz in der Praxedisstraße in Radolfzell an einem Spätsommertag im Jahr 2024.
Eine Zeugin war sich sicher, Schläge gesehen zu haben. Eine andere Zeugin war sich ebenso sicher, dass es keine Schläge gegeben hat. Aus diesem Grund sprach Ulrike Steiner, Direktorin des Amtsgerichts Radolfzell, die dreifache Mutter frei. Die Zeugenaussagen seien nicht überzeugend oder eindeutig gewesen.
Kind soll psychische Beeinträchtigung haben
Die Angeklagte selbst gab bereitwillig Auskunft über ihren Alltag mit ihren drei Kindern, von denen zwei besondere Bedürfnisse hätten. „Es ist eine Mischung aus Autismus und ADHS“, versuchte sie zu erklären. Auch die Jüngste würde daran leiden und sei aus diesem Grund verhaltensauffällig. Auch an diesem Nachmittag auf dem Spielplatz sei die Zweijährige außer Kontrolle gewesen. Im Sandkasten soll sie andere Kinder mit Sand beworfen haben und ihre Mutter habe sie immer wieder ermahnt, mit diesem Verhalten aufzuhören.
Mündliche Ermahnung oder Schläge?
Soweit decken sich die Zeugenaussagen: Das Kind spielte im Sandkasten, aber belästigte dabei die anderen Kinder. Die 39-Jährige stand schließlich auf und nahm ihre Tochter aus dem Sandkasten, diese wehrte sich gegen die Maßregelung und weinte. Während die Angeklagte und eine Zeugin – eine Freundin der 39-Jährigen, mit der sie gemeinsam auf dem Spielplatz war – aussagten, das Kind sei lediglich mündlich ermahnt worden, berichtet eine andere Mutter von einer ganz anderen Sachlage.
Die Zeugin, eine 35-Jährige aus Radolfzell, gab an, gesehen zu haben, wie die Angeklagte ihre Tochter aus dem Sandkasten nahm, mit ihr hinter ein Gebüsch ging und ihr mehrmals ins Gesicht schlug. Sie sprach die 39-jährige Angeklagte dann auch an und wies darauf hin, dass jedes Kind das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung habe. Im Anschluss rief sie die Polizei, die den Vorfall aufnahm und die Strafverfolgung einleitete.
Zeugin erinnert sich an Hand im Gesicht des Kindes
Auch diese Zeugin war mit einer befreundeten Mutter auf dem Spielplatz gewesen, die ebenfalls im Zeugenstand aussagte. Die 31-Jährige meinte ebenso, sich an die Hand der Mutter im Gesicht der Tochter zu erinnern. Ob sie auch eine schlagende Bewegung wahrgenommen habe, da war sie sich anfangs nicht sicher, bejahte es aber dann. Bei ihrer Aussage bei der Polizei kurz nach der Tat hatte sie dies noch verneint.
Allgemein war sie in ihrer Wahrnehmung nicht ganz so klar wie die Frau, die letztlich die Polizei informiert hatte. „Es war nicht okay, aber ich hätte jetzt vermutlich nicht die Polizei gerufen“, sagte sie. Sie wolle auch nicht über eine andere Mutter urteilen, denn sie wisse nicht, ob es nicht einfach ein schlechter Tag gewesen sei.
Die dritte Zeugin, die Freundin der Angeklagten, sagte wiederum aus, es habe keine Schläge gegeben. Sie sei der 39-Jährigen genau gegenüber gesessen, als diese mit ihrer Tochter über ihr Verhalten im Sandkasten gesprochen habe. Nach einem kurzen Austausch sei das Kind wieder spielen gegangen. Beide Frauen seien dann von der Anwesenheit der Polizei komplett überrascht worden.
Polizistin hat keine Auffälligkeiten bemerkt
Als letzte Zeugin wurde die 23 Jahre alte Polizeibeamtin vernommen, die die Ermittlungen geleitet hatte. Sie berichtete vor Gericht, dass sie bei dem Mädchen keinerlei Auffälligkeiten bemerkt habe. Man habe weder Spuren von Schlägen noch verängstigtes oder verstörter Verhalten zwischen ihr und ihrer Mutter wahrgenommen. „Das erlebt man in solchen Fällen oft ganz anders“, so die Polizeibeamtin. Auch ein ärztliches Attest sagte aus, dass es keine Anzeichen für Kindeswohlgefährdung gebe. Für Richterin Ulrike Steiner konnte die Tat nicht eindeutig nachgewiesen werden, wie sie sagte. Aus diesem Grund sprach sie die 39-Jährige frei.