Seit dieser Woche ist Thomas Nöken (56) von der Leitung des Dezernats drei Umwelt, Planen, Bauen entbunden. Oberbürgermeister Martin Staab hat ihn stattdessen eine Hierarchiestufe tiefer gesetzt und ihm die Fachbereichsleitung Stadtplanung und Baurecht sowie die Leitung der Abteilung Stadtplanung aufgetragen. Die Gesamtleitung des Dezernats an Nöken sei auf zwei Jahre befristet gewesen, „nun ist die Befristung ausgelaufen“, sagt OB Staab auf Anfrage.
Nun gilt wieder, was vor dem 1. Juni 2018 gegolten hat. Beziehungsweise etwas weniger und etwas mehr. OB Staab ist wieder Leiter des Dezernats drei Umwelt, Planen, Bauen. Aber Thomas Nöken ist nicht mehr sein Stellvertreter im Dezernat. Der Stellvertreter ist augenblicklich „n.n.“, also nicht vom OB nominiert. Dafür hat die Stadt nun wieder einen Stadtplaner, eine Stelle, die seit dem Weggang von Martin Grünmüller im April 2017 vakant und dann dem damaligen „stellvertretenden Dezernatsleiter“ Thomas Nöken „kommissarisch“ zugeteilt worden war.
Und dieser Stadtplaner heißt nun ohne einen Kommissar vorne dran Thomas Nöken. Laut Organisationstafel der Stadtverwaltung im Internet sind Nöken zuerst die neuen Positionen Fachbereichs- und Abteilungsleitung nur „kommissarisch“ zugesprochen worden. Doch der OB widerspricht: „Das ist ein Fehler.“ Nöken seien diese Aufgaben jetzt weder kommissarisch noch befristet übertragen worden. „Diese Vorgehensweise ist im Einvernehmen mit Herrn Nöken vereinbart worden“, so der OB.
Zur Vorgeschichte
Die Besetzungslage und die Hierarchie in der Bauverwaltung der Stadt Radolfzell ist und bleibt schwierig. OB Staab begründete die Ernennung Nökens vom stellvertretenden Leiter zum Leiter des Baudezernats vor zwei Jahren so: Nöken nehme damit die Funktion auch nach außen ein, die er innerhalb der Verwaltung ohnehin schon ausgeübt habe. Staab sagte damals: „Ob es sich bewährt, wissen wir in einem halben Jahr oder Jahr.“ Einige Stadträte zeigten sich erzürnt über die Äußerung des OB, dass die Änderung auf Wunsch des Gemeinderats erfolgt sei.
Der Gemeinderat will nicht
Siegfried Lehmann von der Freien Grünen Liste konnte sich an einen entsprechenden Wunsch nicht erinnern, Helmut Villinger (CDU) bekräftigte: „Es gibt keinen Gemeinderatsbeschluss in dieser Sache.“ Der OB sah seine Entscheidung aber als logische Folgerung aus der Haltung des Gemeinderats. Dieser wollte und will die von Staab als notwendig erachtete Baubürgermeisterstelle einfach nicht genehmigen.
Die Sache mit den Überstunden
Diese Gemengelage machte die Arbeit für Nöken als Leiter des Baudezernats nicht einfacher. Seit etwa einem drei Viertel Jahr, also etwa eineinhalb Jahre nach seiner Ernennung zum Chef der Bauverwaltung, weiß die Öffentlichkeit – für OB Staab hat sich die Entscheidung nicht bewährt. Im Oktober 2019 schickte Staab seinen Baudezernatsleiter nach Hause, um angefallene Überstunden abzufeiern und stellte ihn frei bis Ende des Jahres. Was damals fast alle Beobachter überraschte, war die Dimension der Überstunden. Eine Vollzeitstelle im Angestelltenverhältnis umfasst 39 Stunden in der Woche, die Freistellung bis Ende des Jahres entspricht einem Volumen von über 50 Arbeitstagen, ohne eventuelle Urlaubstage zu berücksichtigen.
Der ersten Freistellung folgt die zweite: Nach der Fasnacht ist Nöken zwecks Abbau von Überstunden wieder nach Hause geschickt worden. Aus Fürsorgepflicht hieß es. Rückkehr ungewiss. In dieser Zeit war er auch einem Aufruf des Landrats gefolgt und hat im Klinikum Singen in der Covid19-Station als Krankenpfleger ausgeholfen. Die entsprechende Qualifikation hat er sich während seiner Zeit im Sanitätsdienst der Bundeswehr erarbeitet. In seinen Radolfzeller Dienst zurückgekehrt ist Nöken nach Pfingsten. Und er saß auch schon wieder in einer öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Planung, Umwelt und Technik. Das war am Dienstag vergangener Woche. Außergewöhnlich für Thomas Nöken, er sagte während der ganzen Sitzung kein Wort. Er war lediglich einem Kollegen bei der Handhabung des Computers behilflich.
Aderlass in der Stadtplanung
Die Abwesenheit des Baudezernatsleiters hatte zuvor in den Sitzungen des Ausschusses und Gemeinderats immer wieder für Nachfragen gesorgt. Die Stadträte Siegfried Lehmann für die Freie Grüne Liste und Christof Stadler für die CDU wiesen immer wieder darauf hin, dass der OB doch für eine andere Lösung sorgen solle, als den Leiter der Bauverwaltung zum Abbau seiner freien Tage zu zwingen. Stadler kritisierte auch den personellen Aderlass in dieser Zeit in der Stadtplanung. Zwei Mitarbeiter haben seit Jahresanfang ihre Stelle gekündigt und sich neue Aufgaben in anderen Kommunen gesucht.
Auf unsere Anfrage, was die personelle Veränderung für die zahlreichen Verfahren im Baudezernat bedeute, hat uns die Pressestelle der Stadt geantwortet: „Die zahlreichen Verfahren werden selbstverständlich zuverlässig fortgeführt. Die Verantwortung liegt, wie es auch vor der befristeten Übertragung der Dezernatsleitung der Fall war, weiterhin bei den Fachbereichsleitern.“