Es ist eine Frage, die sich vermutlich viele stellen und die immer dringender wird: Gibt es künftig noch ausreichend Heimplätze für pflegedürftige Radolfzeller? Denn schon jetzt sind die Plätze knapp. Und in den kommenden Jahren wird die Bevölkerungszahl in Radolfzell laut einer Vorausberechnung deutlich wachsen: Von derzeit 31.656 um elf Prozent auf 35.040 Bürger im Jahr 2030.
Besonders die Zahl der älteren und damit potenziell pflegebedürftigen Menschen wird dramatisch steigen. Laut Berechnung wird sich die Zahl der Menschen zwischen 68 und 84 um 14 Prozent auf 6137 erhöhen. Die der über 85-Jährigen sogar um 38 Prozent von 990 auf 1368 im Jahr 2030. Kann Radolfzell all diese Menschen versorgen?
Laut Kreispflegeplan fehlen 2030 100 Plätze
Der Bau des neuen Pflegeheims auf der Mettnau verzögert sich immer weiter und wird teurer als gedacht. Zwar soll es laut Stadtverwaltung nach aktueller Planung im August 2024 fertig werden. Die ersten Bewohner könnten ab September einziehen. Doch hier sollen nur 90 stationäre Pflegeplätze in sechs Wohngruppen sowie sechs Kurzzeitpflegeplätze und 24 Tagespflegeplätze entstehen. Damit könnte die Stadt gerade einmal die etwa 100 wegfallenden Plätze für die Bewohner des Altenheims „Heilig Geist“ kompensieren.
Der voraussichtliche Bestand an Pflegeplätzen liegt Stand jetzt bei gerade einmal 255 im Jahr 2030. Benötigt werden bei gleich bleibendem Nutzerverhalten laut einer Berechnung des Kreispflegeplans des Landkreises aber 372 Plätze. Es fehlen also 117 Plätze. Zudem könnten weitere 46 Plätze bis dahin wegfallen, da nach einer Verordnung aus Zweibett- noch Einbettzimmer werden müssen.
Selbst wenn man eine stärkere Nutzung des ambulanten Pflegeangebots hinzunimmt, reichen die Kapazitäten nach aktuellem Stand nicht aus. Selbst dann bräuchte die Stadt 2030 laut Berechnung 346 Plätze – es fehlen also noch immer 91. Im Vergleich mit anderen Städten im Landkreis weist Radolfzell den mit Abstand größten Mangel auf. Müssen pflegebedürftige Senioren in Zukunft als auf Nachbargemeinden ausweichen?
Pflegeheim in Böhringen als Lösung – doch wann wird es fertig?
Vermutlich nicht, wenn ein in Böhringen geplantes Pflegeheim bis dahin tatsächlich fertig sein sollte. Der Grundsatzbeschluss für das Grundstück war bereits im vergangenen Jahr im Ortschafts- und Gemeinderat Thema. Als Standort ist ein 1,3 Hektar großes Grundstück hinter der Schule am Eingang zum Wohngebiet „Oberer Einsatz“ vorgesehen, das als ursprüngliche Schulentwicklungsfläche schon größtenteils in städtischer Hand ist.
Es soll künftig weiteren 100 Menschen Platz bieten, was für den prognostizierten Bedarf von 91 Plätzen ausreichend wäre, wenn die ambulante Pflege tatsächlich entsprechend zunimmt.
Mit einer Konzeptvergabe sei laut Stadt frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2024 zu rechnen. Das erforderliche Budget sei im Haushalt für 2024 angemeldet worden. Falls der Gemeinderat dem Haushaltsansatz für 2024 in der Haushaltsplanberatung am Dienstag, 23. Januar, zustimmt und das Regierungspräsidium Freiburg anschließend den Haushalt 2024 genehmigt, könne das Grundstück per Konzeptvergabe im Sommer oder Herbst dieses Jahres ausgeschrieben werden.

Das Konzept mit Dauer- und gegebenenfalls Kurzzeit- und Tagespflegeplätzen sowie ergänzend ambulanten betreuten Wohngemeinschaften, das Bieter erfüllen müssen, müsse der Gemeinderat zuvor noch beschließen. „Im Idealfall kann der nicht zwingend erforderliche zusätzliche Grundstücksankauf durch die Stadt zur Erweiterung der Fläche, die ausgeschrieben werden wird, im Sommer oder Herbst 2024 erfolgen“, berichtet Laule weiter.
Was plant die Stadt darüber hinaus?
Weitere Pläne, um neue Pflegeplätze zu schaffen, hat die Stadt aktuell nicht, so Laule. Es gebe „seitens der Stadt keine weiteren konkret geprüften Standorte, die für die Schaffung zusätzlicher stationärer Pflegeplätze bereitgestellt werden können“. Allerdings werde die Stadt in diesem und den folgenden Jahren noch potenzielle Standorte für bedarfsgerechte Angebote für ambulante und stationäre Pflege prüfen. Hierfür werde sie den Kreisseniorenplan 2030 für den Landkreis Konstanz berücksichtigen müssen.
Klar ist aber, so Laule: „Die Stadt beziehungsweise der Spitalfonds Radolfzell werden selbst keine weiteren Pflegeheime bauen und betreiben, sondern lediglich neben dem Standort Böhringen weitere in Frage kommende Standorte prüfen, entwickeln und anbieten.“