Sein Schlüsselerlebnis in Sachen Klimawandel hatte Gerhard Heizmann vor drei Jahren. Da musste der Radolfzeller Revierförster erkennen, dass selbst die scheinbar am besten angepasste Baumart der Region – die Buche – schwer unter dem Klimawandel leidet und den Kampf sogar verlieren kann. Das Frühjahr 2018 gestaltete sich deutlich trockener, als man es bis dahin in unseren Breitengraden gewohnt war. „Im April hatten wir gar keinen Regen. So etwas habe ich in meinen über 30 Berufsjahren noch nicht erlebt“, erinnert er sich.
Die Folgen ließen nicht lange auf sich warten. Im Gewann Jöhlisberg auf Steißlinger Gemarkung, das aber noch dem Radolfzeller Stadtwald zugehört, verdorrten stattliche Buchen, auf die die Förster immer sehr stolz waren.
Die Kronen der Jahrzehnte alten Bäume vertrockneten schlichtweg angesichts des Wassermangels. Den Förstern blieb nichts anderes übrig, als etliche der Bäume zu entfernen. „Das hat mich schon betroffen gemacht“, sagt Heizmann. Bis heute sind die Folgen der Trockenheit an den zurückgelassenen Buchen zu erkennen. Abgebrochene Kronen und tot anmutende Baumstümpfe blieben zurück.

Der Wassermangel macht sich aber auch in anderen Bereichen des Radolfzeller Waldes bemerkbar. Dort, wo noch vor Jahren vielfach matschiger Untergrund anzutreffen war, kann man mittlerweile trockenen Fußes durch das Unterholz gehen.
Die kalte Jahreszeit wird kürzer
Trockenheit ist für Gerhard Heizmann aber nur ein Merkmal des sich ankündigenden Klimawandels. Dazu zählen nach seiner Lesart auch die Zunahme von starken Sturmereignissen und die generelle Verkürzung der kalten Jahreszeit. Als vor 30 Jahren heftige Stürme wie Kyrill über das Land zogen, sprach man beeindruckt von Jahrhundertstürmen.
„Mittlerweile haben wir so etwas alle zehn Jahre. Seit Lothar (ein heftiger Wintersturm 1999, der als Vorbote des Klimawandels gilt, die Red.) hat sich der Wald nie wieder erholt“, stellt Heizmann fest. Die Sturmereignisse ziehen nämlich schnell weitere Folgen wie Borkenkäferplagen nach sich. Und so steigt der Druck auf den Wald, aber auch die Forstwirtschaft, stetig an.
Von Baumarten wie der Fichte, die nach wie vor eine wichtige Baumart für die Wirtschaft darstellen, haben sich die Förster in unseren Breiten schon geistig verabschiedet, weil sie dem Klimawandel nicht standhalten werden. Daher will man ihren Anteil im Radolfzeller Stadtwald nun von 19 auf rund zehn Prozent innerhalb von zehn Jahren reduzieren.
Viel Zeit für die Regeneration bleibt dem Wald nicht. Denn die Winter und die tendenziell feuchtere Jahreszeit verkürzen sich nach dem Eindruck von Gerhard Heizmann zunehmend. „Die Winter beginnen immer später und es wird immer früher wieder warm“, sagt er. Selbst in diesem Jahr, das subjektiv einem tatsächlichen Winter entsprach, ist der Februar wieder wärmer als der Durchschnitt ausgefallen.
„Mittlerweile wird es immer wieder mal über 40 Grad, das gab es früher seltener“
„Den ersten Zitronenfalter – ein echter Märzflieger – habe ich am 17. Februar gesehen“, berichtet der Revierförster dazu. Auch andere Tiere wie die Vögel zeigen die Veränderungen in der Natur nach seiner Beobachtung an. Zugvögel kehren früher zurück und balzen deutlich früher im Jahr, als das in anderen Jahrzehnten der Fall war.
Und im Sommer kommen vermehrt die Hitzeereignisse hinzu. „Mittlerweile wird es immer wieder mal über 40 Grad, das gab es früher seltener“, schildert er seinen Eindruck. Das macht auch das Arbeiten im Freien nicht gerade leichter.
„Die Veränderungen sind gravierender, als wir uns das vorgestellt haben“
Gleichwohl werden er und die anderen Förster immer öfter von Waldbesuchern für eine vermeintliche Misswirtschaft verantwortlich gemacht. Doch die Ursache liegt nicht zuletzt an dem zunehmenden Tempo des Klimawandels. „Es kommt gerade knüppeldick. Mittlerweile sind alle Baumarten betroffen. Die Veränderungen sind gravierender, als wir uns das vorgestellt haben“, gibt Gerhard Heizmann zu.
Kein Wunder, dass er sich um die Zukunft durchaus Sorgen macht. „Ich habe seit kurzem einen Enkel und bin schon allein deshalb daran interessiert, wie es im 22. Jahrhundert weitergeht“, sagt er. Und natürlich möchte er, dass auch dieser noch eine intakte Natur kennenlernen kann. „Schließlich schätzt man nur das, was man auch kennt“, sagt der Radolfzeller Revierförster. Die logische Konsequenz liegt für ihn auf der Hand: „Die Gesellschaft muss sich ändern“, sagt er.
Klimawandel lokal
- Zur Person: Gerhard Heizmann ist 63 Jahre, verheiratet und hat zwei Kinder sowie ein Enkelkind. Seit 1989 ist er als Förster im Radolfzeller Stadtwald tätig.
- Zur Serie: Gibt es den Klimawandel überhaupt, wo ist er hier bei uns sichtbar und spürbar? In dieser Serie äußern sich Menschen aus Radolfzell und von der Höri, die mit und in der Natur arbeiten. Mit ihren ganz persönlichen Eindrücken und Erfahrungen wird der Klimawandel am Bodensee sichtbar und deutlich.