Tiere aufnehmen, aufpäppeln, versorgen und sie hoffentlich an neue liebevolle Besitzer vermitteln – das sind die Aufgaben von Tierheimen. Doch adoptiert werden können Tiere im Tierheim erst seit Kurzem wieder, Mitte Dezember bis Anfang Januar galt ein Adoptionsstopp. Der Grund dafür ist ein guter. Denn natürlich will das Tierheim für seine Bewohner ein neues Zuhause finden. Aber: „Tiere sind keine Geschenke“, sagt Julia Bierbach, Vorsitzende des Tierschutzvereins Radolfzell, der das Tierheim betreibt. Tierpflegerin Julia Schuhwerk erklärt, warum: „Das sind dann die Tiere, die Anfang Januar zurückkommen.“
„Das Problem ist auch, dass das in Filmen gezeigt wird“
Tatsächlich sei es in der Vergangenheit vorgekommen, dass Tiere unüberlegt verschenkt und dann wieder ans Tierheim zurückgegeben wurden, weil die neuen Besitzer doch nicht für sie sorgen konnten oder wollten. Und das Radolfzeller Tierheim erreichen noch immer Anrufe, weil Tiere, die woanders vermittelt wurden, nach den Feiertagen zurückgegeben werden sollen. Das Problem gibt es auch nicht nur an Weihnachten, an Ostern können beim Tierheim Radolfzell beispielsweise keine Hasen oder Kaninchen adoptiert werden.
„Das Problem ist auch, dass das in Filmen gezeigt wird“, erklärt Julia Bierbach über das Verschenken von Haustieren. Dabei müsse die Adoption eines Tieres gut überlegt sein. Würden Tiere wieder zurückgegeben, habe das negative Folgen, manche Tiere reagieren zum Beispiel mit Verhaltensänderungen. Außerdem verursache es unnötige Arbeit beim Tierheimteam und oft gebe es im Tierheim auch gar keine Kapazitäten, erklärt Julia Schuhwerk. Schon seit geraumer Zeit geht der Platz auf der Anlage am Schießhüttenweg aus, das Team hofft auf einen Neubau.
Tiere erstmal kennenlernen
Um zu verhindern, dass Tiere leichtfertig adoptiert werden und dann doch kein dauerhaftes Zuhause finden, können sie beim Tierheim Radolfzell nicht einfach so mitgenommen werden. Stattdessen sollen potenzielle neue Besitzer die Tiere erst einmal kennenlernen. Meistens finde erst ein Telefonat statt. „Wenn wir meinen, dass wir ein passendes Tier haben, laden wir zu uns ein“, sagt Julia Bierbach.
Wer ein Tier adoptieren wolle, solle mehrmals vorbeikommen, bei Katzen normalerweise zwei- bis dreimal, bei Hunden sogar häufiger. Dabei dürfe sich ein Interessent durchaus mehrere Stunden Zeit nehmen, um ein Tier kennenzulernen.
Passen Tier und Mensch zusammen?
Außerdem macht das Tierheimpersonal bei potenziellen Besitzern eine Vorkontrolle. Dabei überprüft es unter anderem, ob es in deren Wohnung genügend Platz für einen Hund oder eine Katze gibt, ob die Bedürfnisse eines Tieres erfüllt werden können oder ob ein Haustier überhaupt einziehen darf. „Wir hatten es auch schon, dass Vermieter nicht gefragt wurden“, schildert Julia Schuhwerk. Deshalb stelle das Team viele Fragen: „Wir prüfen auf Herz und Niere“, so Schuhwerk. Und wer sich für einen Hund interessiere, der bekomme oft schon einmal Tipps von einer Hundetrainerin. Außerdem dürfe der Hund vor einer Adoption für ein bis zwei Wochen Probewohnen.
Natürlich gebe es immer wieder Fälle, in denen sich nach einer Vermittlung doch herausstelle, dass Tier und Mensch nicht zusammenpassen. „Aber das ist zum Glück die Seltenheit“, sagt Julia Schuhwerk.
Was potenzielle Besitzer beachten sollten
Sie und Julia Bierbach raten potenziellen Tierbesitzern, sich generell erst einmal gründlich Gedanken darüber zu machen, was die Haltung eines Haustieres erfordert – auch finanziell. Wer sich eine Katze zulegen möchte, müsse sich unter anderem überlegen, ob dafür genügend Platz ist, wie häufig jemand bei ihr zuhause ist, was passiert, wenn die Besitzer in den Urlaub fahren, und wie eine Freigängerkatze nach draußen gelangen kann. Auch mögliche Allergien sollten beachtet werden. „Das ist auch ein Grund, warum wir sagen, man soll mehrfach eine Katze kennenlernen“, so Julia Bierbach.
Bei Hunden brauche es außerdem genügend Zeit, um Gassi zu gehen, mit ihnen zu spielen oder sie zu trainieren. Denn Hunde müssen erzogen werden. Zudem müsse man abklären, ob die Hunde mit zur Arbeit können oder wie lange sie sonst alleine bleiben müssten. Und selbst wenn solche Fragen positiv beantwortet werden können: Wie sieht es in einigen Jahren aus? Laut den Tierschützerinnen muss klar sein, ob ein Hund auch in eine veränderte Lebenssituation passt, etwa wenn Kinder geboren werden.
Und dann sollte noch genügend Geld zur Verfügung sein, um etwa Tierarztkosten, Futter und Dinge wie Spielzeug, Katzenstreu, Hundesteuer oder eine Haftpflichtversicherung zu bezahlen. Denn es kann schnell teuer werden: Alleine für Impfungen kommen laut Julia Bierbach und Julia Schuhwerk schnell mehrere hundert Euro zusammen und es müsse auch Geld für unvorhergesehene medizinische Notfälle übrig bleiben.
Kampfhunde werden besonders teuer
Unter Umständen kann auch die Hundesteuer ziemlich viel Geld kosten. Für sogenannte Kampfhunde muss so etwa seit diesem Jahr in Singen 600 Euro pro Jahr gezahlt werden, für jeden weiteren Hund werden es 1200. Dasselbe gilt in Steißlingen. Julia Bierbach und Julia Schuhwerk erwarten aus diesem Grund die nächste Welle von Listenhunden, die beim Tierheim abgegeben werden sollen. Sie hätten sich gewünscht, dass Kampfhunde, die bereits ein Zuhause haben, von der Erhöhung ausgenommen werden.
Tiernähe auch ohne Adoption
Grundsätzlich gilt für Julia Bierbach und Julia Schuhwerk ein Motto des ehemaligen Vorsitzenden des Tierschutzvereins Berthold Keller: „Tierschutz bedeutet auch, kein Tier zu besitzen.“ Dann nämlich, wenn ein Besitzer dem Tier nicht gerecht werden könne.
Aber auch dann gebe es Möglichkeiten, mit Tieren in Kontakt zu kommen. Im Tierheim Radolfzell etwa können Freiwillige mit Hunden Gassi gehen, außerdem können Katzen gekuschelt und das Katzenhaus geputzt werden. „Wir haben dafür kleine Lehrgänge“, erklärt Julia Bierbach – also eine grobe Anleitung, wie mit Tierheimhunden umzugehen ist oder wie richtig geputzt wird. Der positive Nebeneffekt: „Damit kann man uns täglich unterstützen“, ergänzt Julia Schuhwerk. Etwa einmal im Monat werden die Termine für die Schulungen auf der Internetseite des Tierschutzvereins bekannt gegeben, ebenso in den sozialen Netzwerken. Danach sind Anmeldungen möglich.
Diese Tiere suchen ein neues Zuhause:


