Von den Mietpreisen im Landkreis Konstanz sind Bürgerinnen und Bürger ja einiges gewöhnt. Aber monatliche Kosten von 914 Euro, um in einer Holzbox in einem ehemaligen Fitnessstudio zu wohnen, das ist selbst mit Seezuschlag eine stolze Summe. Doch genau diese Kosten hatte die Stadt Radolfzell für die Unterbringung von Geflüchteten um ehemaligen Balance-Fitness ausgerechnet. Der große Kostentreiber dabei: der Rund-um-die-Uhr-Einsatz von Sicherheitspersonal. Die Anwesenheit von zwei Sicherheitskräften an sieben Tagen in der Woche und für 24 Stunden am Tag kostet pro Monat rund 37.000 Euro.

Der Plan war es, dass das Jobcenter die Kosten für die Unterbringung der etwa 65 Personen im Fitnessstudio übernimmt. Doch dieses weigert sich nun. Die Höhe der Kosten sei nicht angemessen, so die Begründung. Die Bewohner der Unterkunft erhalten von der Stadt den Gebührenbescheid und müssen diesen beim Jobcenter einreichen. Nachdem dieses die Kostenübernahme abgelehnt hat, haben die Bewohner Einspruch gegen den Gebührenbescheid erhoben.

Bis heute hat die Stadt kein Geld für die Unterbringung der Geflüchteten seit Bezug am 1. August 2023 eingenommen. Der Betrieb der Unterkunft hat die Stadt bisher schon rund 300.000 Euro gekostet.

Bundesrechnungshof lässt Sicherheitskosten nicht abrechnen

Nicht angemessen ist laut dem Jobcenter die Abrechnung des Sicherheitsdienstes für die Anschlussunterbringung. Da das Geld vom Bund kommt, hat der Bundesrechnungshof entschieden, dass Kosten für Sicherheitspersonal, Investitionskosten und Verpflegung nicht zu den angemessenen Kosten gehören und somit nicht in die Gebührenkalkulation einfließen dürfen.

Das könnte Sie auch interessieren

Nun hat der Verwaltungs- und Finanzausschuss einer neuen Satzung mit neuer Gebührenordnung zugestimmt. Diese Satzung gilt auch rückwirkend und ist mit dem Landratsamt als übergeordnete Behörde des Jobcenters abgestimmt. Diese Gebühren sollen übernommen werden.

Fast 400.000 Euro der Kosten muss Stadt tragen

Die neuen Kosten für die Unterbringung belaufen sich auf 400 Euro pro Person, 203 Euro pro Kind und der Höchstsatz für Familien beträgt 1815 Euro. Also nicht einmal halb so viel wie es sein sollte, um die laufenden Kosten der Unterkunft abzudecken. Für die Stadt bleiben so pro Jahr zirka 395.356 Euro übrig, die nicht durch das Jobcenter abgedeckt und aus der Stadtkasse bezahlt werden müssen.

Das könnte Sie auch interessieren

Petra Ott vom Fachbereich Partizipation und Integration erklärte, das läge daran, dass die Unterbringung im Fitnessstudio als Anschlussunterbringung gerechnet werde und nicht als Notunterkunft wie in den Sporthallen. Dennoch könnte man auch in der Anschlussunterbringung Neubohlingen, wie die Unterkunft im Fitnessstudio offiziell genannt wird, nicht auf einen 24-Stunden-Sicherheitsdienst verzichten.

Das sei kein richtiger Wohnraum, sondern es handle sich um Holzkabinen, in denen die Menschen wohnen würden. Sanitäranlagen und Küche müssten sie sich teilen. „Wir haben uns viele Gedanken zum Thema Sicherheitsdienst gemacht und sind der Meinung, wir können nicht darauf verzichten“, so Ott.

Wie es zu der Fehlberechnung kam

Der Zeitdruck war es, der zu dieser Fehlberechnung geführt habe. Man habe die geflüchteten Menschen kurzfristig zugewiesen bekommen und schnell eine Lösung für deren Unterbringung finden müssen. Die Verwaltung habe alle anfallenden Kosten in die Gebühren mit einberechnet, erklärte Petra Ott.

„Mir war klar, dass das Landratsamt die Kosten für den Sicherheitsdienst nicht bezahlt.“Siegfried Lehmann, FGL
„Mir war klar, dass das Landratsamt die Kosten für den Sicherheitsdienst nicht bezahlt.“Siegfried Lehmann, FGL | Bild: Becker, Georg

Siegfried Lehmann, Fraktionssprecher der Freien Grünen Liste, zeigte sich von den Entwicklungen nicht überrascht. „Mir war klar, dass das Landratsamt die Kosten für den Sicherheitsdienst nicht bezahlt“, so Lehmann. Und er stellte dessen Sinnhaftigkeit in Frage. „Braucht es wirklich rund um die Uhr Sicherheitspersonal vor Ort?“, fragte Lehmann.

Das könnte Sie auch interessieren

Nachts würde das aus seiner Sicht noch Sinn ergeben, aber ob auch zu jeder Tageszeit Sicherheitskräfte anwesend sein müssten, das würde er gerne noch einmal innerhalb der Verwaltung prüfen lassen. Es hänge schließlich sehr von den Personen ab, die in der Unterkunft leben würden, und deren Gefährdungspotenzial. Die Menschen seien ja schon eine Weile in Deutschland, sonst wären sie nicht einer Anschlussunterbringung zugewiesen.

„Der Landkreis kann für seine Notunterkünfte Spitzenbeträge abrechnen, aber die Kommunen können das nicht.“Dietmar ...
„Der Landkreis kann für seine Notunterkünfte Spitzenbeträge abrechnen, aber die Kommunen können das nicht.“Dietmar Baumgartner, Freie Wähler | Bild: Annika Paulo

Lehmann zog den Vergleich zu den städtischen Notunterkünften in der Schlesierstraße, in der die Stadt Menschen unterbringen kann, die von Obdachlosigkeit bedroht sind. „Da käme auch nie einer auf die Idee, einen Tag-und-Nacht-Sicherheitsdienst einzurichten“, so Lehmann.

Andere Berechnung für Notunterkünfte

Dietmar Baumgarter, Fraktionssprecher der Freien Wähler, ärgerte sich über die Ungleichbehandlung zwischen Kommunen und Landkreis. „Der Landkreis kann für seine Notunterkünfte Spitzenbeträge abrechnen, aber die Kommunen können das nicht“, so Baumgartner. Dies sei für die Kommunen ein Problem bei der Versorgung und Unterbringung geflüchteter Menschen.

„Traurig genug, dass wir jetzt dafür bezahlen müssen, aber verzichten sollten wir darauf nicht.“Jürgen Keck, FDP
„Traurig genug, dass wir jetzt dafür bezahlen müssen, aber verzichten sollten wir darauf nicht.“Jürgen Keck, FDP | Bild: Becker, Georg

Für Jürgen Keck, Fraktionssprecher der FDP, käme der Verzicht von Sicherheitsmitarbeitern nicht in Frage. „Traurig genug, dass wir jetzt dafür bezahlen müssen, aber verzichten sollten wir darauf nicht“, so Keck. Dieser Meinung schlossen sich alle Ausschussmitglieder an und stimmten für die Satzungsänderung mit den neuen Gebühren. Sie stimmen aber auch für eine erneute interne Prüfung der Notwendigkeit des 24-Stunden-Sicherheitsdienstes.