Das Urteil fällt Richterin Ulrike Steiner an diesem Tag schwer. Sie spricht die beiden Angeklagten frei – nicht weil sie ihnen glaubt, sondern weil sie ihnen nicht nachweisen kann, dass sie gelogen haben. Schließlich heißt es: im Zweifel für den Angeklagten.

Doch von vorn. Es ist der zweite Verhandlungstermin eines Prozesses, der sich um eine Vermietung eines Hauses auf der Höri dreht. Es gilt, herauszufinden, ob die Vermieterin der Immobilie ihre Tochter dazu angestiftet hat, über Eigenbedarf zu lügen, um den bisherigen Mieter loszuwerden.

Wichtige Frage ist geklärt

Beim ersten Verhandlungstermin sind einige Fragen offen geblieben. Denn kurz nach dem Auszug des Mieters war das Haus schon wieder vermietet. Der Nachmieter konnte aber bei der Verhandlung im März nicht genau sagen, wann die Vermieterin wegen der Immobilie Kontakt zu ihm aufgenommen hat.

Es steht die Frage im Raum, ob die Vermieterin den Eigenbedarf nur vorgetäuscht hat, um den Mieter loszuwerden. Jetzt ist klar: Der Kontakt nahm seinen Anfang im Juni 2023, als feststand, dass der Vormieter aufgrund einer Räumungsklage ausziehen wird.

Am ersten Prozesstag hatte aber die angeklagte Tochter noch in einer Einlassung verlauten lassen, dass sie vorhatte, gemeinsam mit ihren beiden Kindern in das Haus zu ziehen. Dann habe sie nach dem Auszug des Vormieters den desolaten Zustand der Immobilie gesehen und sich für einen Umzug zu einem späteren Zeitpunkt entschieden. Sie plane den Umzug auf die Höri weiterhin.

Doch seit Frühjahr 2024 ist das Haus verkauft – an die Lebensgefährtin des Nachbarn, der in der anderen Hälfte des Hauses wohnt. Das sagte dieser vor Gericht als Zeuge aus. Noch immer sei das Haus in keinem guten Zustand. Es müsse alles renoviert werden, bevor es wieder vermietet werden könne.

Nachbar ist froh über Auszug

Zudem berichtete er davon, dass das Verhältnis zum früheren Nachbarn, besonders am Ende, schwierig gewesen und er froh sei, dass der Mann ausgezogen ist. Dass die Tochter der Vermieterin dort einziehen wolle, sei zuvor mehrmals in einem Nebensatz erwähnt worden. Bis zur erneuten Vermietung im September 2023 sei er davon ausgegangen, dass die Tochter dort auch einzieht.

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Doch es kam anders. Das Haus wurde ab September 2023 für ein Jahr vermietet. Weil der Nachmieter das Haus als Ferienwohnung weitervermietet hatte, habe es in dem Haus viele Wechsel gegeben. Die Mieter seien oft laut gewesen und hätten etwa die Liegestühle des Nachbarn genutzt. Schließlich sei die Lebensgefährtin des Nachbarn auf die Vermieterin zugegangen, um auch die andere Haushälfte zu kaufen. Das bestätigt die Lebensgefährtin, die ebenfalls als Zeugin aussagte. Der Kauf wurde im Frühjahr 2024 abgewickelt.

Staatsanwältin ist von Schuld überzeugt

All diese Aussagen wertet die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer als Indizien dafür, dass die Tochter der Vermieterin, die wegen Falschaussage angeklagt ist, gar nie vorhatte, auf die Höri zu ziehen. Sie beschreibt außerdem die Aussage der Tochter, dass sie den Umzug auf die Höri weiterhin plane, als nicht glaubwürdig.

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Darauf deuten ihrer Meinung nach vor allem zwei Zeugenaussagen aus dem ersten Prozesstag hin. Damals hatten nämlich Zeugen von Schule und Kita ausgesagt, dass es keine schriftliche Dokumentation über Anfragen für ihre Kinder gibt. Erst kurz vor der ersten Verhandlung hatte sie sich bei Schule und Kita über Anmeldemodalitäten informiert, wie vor Gericht deutlich wurde.

Zehn Monate auf Bewährung gefordert

Zudem glaube sie nicht, dass der Zustand, in dem sich das Haus nach dem Auszug des Vormieters befand, Grund dafür ist, dass die Tochter nicht dort einzog. Die Staatsanwältin zeigt sich überzeugt, dass die Tochter das Haus noch rechtzeitig hätte herrichten oder in eine andere Immobilie auf der Höri ziehen können, so sie denn das mit dem Umzug ernst gemeint hätte. Da die Tochter von einer solchen Falschaussage keinen Nutzen habe, sei sie überzeugt, dass die Mutter sie dazu angestiftet hat, über den Eigenbedarf zu lügen.

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Für die Staatsanwältin reiche die Summe an Indizien aus, um die Tochter der Falschaussage und die Mutter der Anstiftung zur Falschaussage schuldig zu sprechen. Sie fordert daher für beide eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung.

Das sagen die Verteidiger

Anders sahen das die beiden Verteidiger. Beide plädieren auf Freispruch. Sie verdeutlichen, dass es in dem Prozess nicht darum gehe, ob die Tochter wirklich auf die Höri ziehen wolle, sondern einzig und allein um eine Aussage im vorherigen Räumungsprozess im Januar 2023, als die Tochter gesagt hatte, dass sie in das Haus ziehen wolle. Und die Indizien reichten nicht aus, das zu widerlegen. Ob der Umzug heute noch geplant sei, sei dabei unerheblich. Und auch für eine Anstiftung zur Falschaussage gebe es keine Belege, sondern nur Vermutungen.

Richterin fällt das Urteil schwer

Dem folgt Richterin Steiner. Sie spricht die beiden Frauen frei. Steiner betont aber, dass ihr das Urteil nicht leicht gefallen sei. Zudem verdeutlicht sie, dass es sich bei der Verhandlung um einen reinen Indizienprozess handle. Das seien beweistechnisch die schwierigsten. Für sie als Richterin sei es da erforderlich, dass der Vorwurf zur vollen Überzeugung bestätigt wird. Und das treffe in diesem Fall nicht zu.

Dennoch sagt sie zur Einlassung der Tochter: „Diese Einlassung ist Quatsch.“ Es könne gut sein, dass sich der Fall zugetragen hat, wie von der Staatsanwältin im Plädoyer geschildert. Sie habe aber nicht feststellen können, dass die Tochter beim Prozess im Januar 2023 nicht vielleicht doch vorhatte, in das Haus auf der Höri zu ziehen und sich dann umentschieden hat. Der ganze Prozess habe sie viele Gedanken gekostet. Und zum Abschluss sagt Steiner: „Die Sache behält einen schalen Beigeschmack.“