Frau Giesinger, von der Landtagsabgeordneten Nese Erikli hatten wir die Information erhalten, Sie hätten den Vorstoß zur Prüfung des Baugebiets mit initiiert. Stimmt das?

Nicht ich allein, auch andere hatten Nese Erikli zuvor auf den Missstand der Überbauung von geschützten Streuobstwiesen in Stahringen und anderswo im Kreis hingewiesen. Während des Landtagswahlkampfs habe ich Frau Erikli auf ihre Anfrage hin meine Einschätzung zukommen lassen. Ich habe aber nie ans Umweltministerium oder ans Landratsamt in dieser Sache geschrieben.

Hat die Radolfzeller Ortsgruppe des BUND denn etwas in der Sache unternommen?

Im Sommer 2020 hat der Landtag den Paragraph 33a des Landesnaturschutzgesetz (Streuobstrodungsverbot) beschlossen. Mein Mann hat in seiner Funktion als Vorstandsmitglied des BUND Radolfzell bei der Unteren Naturschutzbehörde angefragt, ob diese neue Vorschrift Auswirkungen auf das Freiwiesle hätte. Dort erhielt er die Auskunft, dass das Landratsamt die Genehmigung beibehält, weil es im Vorfeld bereits zugestimmt hatte. Jetzt wird man auf höherer politischer Ebene klären, ob der Paragraph 33a in Stahringen umgesetzt wird.

Die FGL hat dem Projekt zugestimmt. Auch weil Ausgleichsmaßnahmen geplant sind. Wie bewerten Sie diese?

Wenn man die neuen Bäume gleich gepflanzt hätte, als das Baugebiet Freiwiesle Mitte der 2000er in den Flächennutzungsplan kam, dann wäre es vielleicht ein Ausgleich. Ein Streuobstbaum braucht in aller Regel 15 Jahre mit Pflege, bis er Früchte trägt und seine Funktion für die Natur erfüllt. Die für das Freiwiesle neu zu pflanzenden Bäume werden also erst 2035 einen wirksamen Ausgleich bieten. Ich finde in den Planungsunterlagen übrigens keine Aussagen dazu, wo die Neupflanzungen stattfinden.

Das könnte Sie auch interessieren

Wie können sich Stahringer sonst den Wunsch nach Wohnraum erfüllen?

Wohnraum, auch Leerstand, gibt es genug, er wird nur nicht effizient genutzt. Baulücken gilt es, konsequenter als bisher zu schließen. Wir als Gesellschaft müssen uns Alternativen zum Einfamilienhaus überlegen, denn unsere Flächen sind nicht endlos. Eine Familie braucht ein Einfamilienhaus keine 20 Jahre, dann ziehen die Kinder aus und zwei Personen wohnen auf großer Fläche in einem meist nicht altersgerechten Haus. Für die zunehmende Zahl alleinstehender Senioren oder älterer Paare muss es Alternativen im Dorfkern geben, damit diese ihr Haus Familien zur Verfügung stellen und in ihrem Umfeld bleiben können. Mit Wohnprojekten im Bestand lassen sich Einfamilienhäuser zu Mehrfamilienhäusern umwandeln. Gerade in einer so tollen Dorfgemeinschaft wie Stahringen sollte das möglich sein.