Nun, in Markelfingen ist die Zeit stehen geblieben. Jedenfalls auf der Kirchturmuhr. Am 24. Juli hat der Blitz am Morgen eingeschlagen, seither verharrt der Zeiger auf 7.42 Uhr. Simon Gröger (36) schaut nur kurz irritiert hoch zum Kirchturm, nein der Kandidat für die Radolfzeller Oberbürgermeisterwal ist pünktlich, sogar fünf Minuten vor der angekündigten Zeit um 18.30 Uhr ist er vor dem Rathaus in Markelfingen zu seiner so angekündigten „Zuhörtour“ eingetroffen.
Person und Programm
Die Zeiten, in denen sich die Markelfinger nur auf ihre Kirchturmuhr verlassen hätten, sind längst rum. Pünktlich scharen sich über 40 Interessierte um Simon Gröger und warten darauf, dass der Kandidat bei seiner Zuhörtour auch spricht. Denn das erwartet man von einem OB, dass er reden kann. Und das macht Simon Gröger. Er stellt sich vor, baut Persönliches in seinen Vortrag ein und stellt einen Bezug zu seinen Zuhörern her.

Das Leben in einer kleinen Gemeinde ist ihm nicht fremd, er wohnt mit seiner jungen Familie in Wurmlingen bei Tuttlingen, eine Gemeinde mit knapp 4000 Einwohnern. Seine Frau sei Erzieherin, die Tochter gehe in den Kindergarten, der Sohn in die zweite Klasse der Grundschule, „er hat gerade den Füllerführerschein gemacht“. Abends, am Esstisch, bekäme er die Themen und Probleme mit, „die so eine Familie umtreiben“. Zur Zeit käme das zu kurz: „Ich bin abends viel hier in Radolfzell unterwegs, um für meine Kandidatur zu werben und mich zu informieren.“
Das Ehrenamt des Kandidaten
Damit kündigt Gröger nicht einen frühen Abzug aus Markelfingen an, im Gegenteil versichert er: „Ich habe viel Zeit mitgebracht.“ Für diesen Satz gibt es Beifall. Seine Zuhörtour sei ernst gemeint, das Wahlprogramm nicht festgezurrt: „Ich will Impulse mitnehmen.“ Ihm sei es wichtig, die Ortsteile in ihrer Identität zu stärken. Dafür brauche es den Dialog. Der OB-Kandidat verweist auf sein Ehrenamt: „Ich bin Vorstandssprecher des TV Wurmlingen, einem Verein mit 1300 Mitgliedern.“
Zum Vergleich: Markelfingen hat 800 Einwohner mehr– etwa 2100. Doch Markelfingen wächst. Gleich hinter dem Rathaus und der Kirche ragen die Baukräne in die Höhe. Lange hat der Ortsteil um dieses Baugebiet „Im Tal“ gekämpft, doch Fragen bleiben. Ist dieses Gebiet auf der grünen Wiese mit dem Bau von Einfamilienhäusern, Doppelhäusern und Mehrfamilienhäusern der richtige und nachhaltige Weg? Simon Gröger, der vor seiner Zeit als Wirtschaftsförderer der Stadt Tuttlingen Projektleiter Städtebau bei Wüstenrot gewesen ist, versucht, alle Gesichtspunkte zu erwähnen: „Grundsätzlich gilt für mich Innen- vor Außenentwicklung.“
„Familien sollten nicht wegziehen müssen.“
Er weiß, dass nicht jede Baulücke im Dorf für diesen Zweck zu haben ist. Und dann gebe es unterschiedliche Wohnbedürfnisse: „Familien sollten nicht wegziehen müssen.“ Deshalb müsse man entscheiden, welche Naturflächen sollen bleiben, wo darf es Einfamilienhäuser geben. „Eine Stadt muss die Breite der Gesellschaft abbilden, aber den Wohnungsbau verantwortungsvoll und strukturiert angehen.“ Bei den Baupreisen sieht Gröger wenig Einflussmöglichkeiten: „Diese globale Entwicklung kann man sehr schwer lokal abfedern.“

Lokal abzufedern wären die Sorgen der Eltern über den Schulweg ihrer Kinder in Markelfingen. Mag die offizielle Streckenführung auch eine andere sein, viele Schüler nehmen den direkten Weg vom Schwanenweg über die viel befahrene Kaltbrunner Straße. „Das war schon immer so und wird so bleiben“, sagt Ortsvorsteher Lorenz Thum. Der Ortschaftsrat will eine Bedarfsampel und hat sie beantragt. „Das Thema ist gespeichert“, sagt Gröger.

Gespeichert ist beim Kandidaten auch das Thema Schule, die platze in Markelfingen aus allen Nähten, informiert Lorenz Thum vor dem Gebäude. Gröger sagt mit Blick auf das Neubaugebiet Im Tal: „Es ist wichtig, dass möglichst alle Kinder aus Markelfingen in die Grundschule im Ort gehen können.“ Dann holt Gröger weiter aus, gerade bei der Digitalisierung würden die Schulen allein gelassen. Hier sieht er die Stadtverwaltung in der Pflicht: „Die Schulen brauchen eine städtische IT-Struktur, die ihnen Unterstützung bietet.“ Das könnten Lehrer nicht nebenher leisten.
Und noch der Gang ins Sportheim
In der Dämmerung zieht die Zuhörtour an den See. Manche haben sich schnell eine Jacke geholt, andern ist es zu kalt geworden. Am Ufer vor dem Campingplatz kommt die Runde auf den Naturschutz zu sprechen: „Bei allen berechtigten Forderungen, der See muss für die Bürger zugänglich und erlebbar bleiben“, sagt Simon Gröger. Es ist kurz vor 21 Uhr. Für alle, die wollen, geht es noch ins Sportheim zum Abschlussgespräch. Etwa 20 biegen in die Gnadenseestraße in Richtung Sportplatz ab. Der Kandidat hat wirklich viel Zeit mitgebracht.