Zuerst hatte man kein Glück und dann kam auch noch Pech dazu. Mit diesem Sprichwort lässt sich die Geschichte um den Neubau des städtischen Pflegeheims am Besten umreißen. Neben der grundsätzlichen Verzögerung der Planung und der problematischen Finanzierung kamen nun weitere drastische Preissteigerungen und Probleme mit der Trockenbaufirma hinzu. Zusammengefasst: Der Neubau dauert nun noch einmal ein Jahr länger und kostet mittlerweile rund 27 Millionen Euro.
Baukostensteigerung exakt zu Baubeginn
„Wir haben mit unserer Bauphase einen richtigen Volltreffer gelandet“, sagt Bürgermeisterin Monika Laule ironisch angesichts der allgemeinen Preissteigerungen durch den Baupreisindex. Exakt zum Baubeginn im Sommer 2021 seien die Preise für Energie, Baustoffe und im Grunde alles andere rasant angestiegen. Insgesamt um 40 Prozent im Landkreis Konstanz – und diese 40 Prozent mehr kostet nun auch das Radolfzeller Pflegeheim.

Bei den ersten Berechnung nach dem Architektenwettbewerb 2019 lagen die Kosten für den Neubau auf der Mettnau bei 19,23 Millionen Euro. „Damals war die Welt noch in Ordnung“, so Bürgermeisterin Laule. Denn damals spielen Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg noch keine Rolle. Bei der Ausschreibung der ersten Gewerke im Jahr 2022 stiegen die Kosten bereits auf 22,3 Millionen Euro. Anfang 2023 musste man schon mit 23,8 Millionen Euro planen. Und im Sommer 2023 waren die Kosten bereits auf 24,83 Millionen Euro gestiegen.
Kosten mit Puffer liegen mittlerweile bei 27 Millionen
Angesichts des Baufortschritts und dem mittlerweile fünften Ausschreibungspaket hat der Spitalfond noch einmal die Kosten überprüft, einen entsprechenden Puffer eingeplant und kam auf Gesamtkosten von 27 Millionen Euro. „Diese Summe wird aber mit großer Wahrscheinlichkeit nicht weiter überschritten“, so Monika Laule. Nicht nur habe sich der Markt ein bisschen beruhigt, auch seien die noch offenen Arbeiten überschaubar.

Ausgegeben habe der Spitalfond als Bauträger bereits 23,5 Millionen Euro, 0,6 Millionen Euro befänden sich gerade in der Prüfung und offen seien noch Aufträge in Höhe von 2,5 Millionen Euro, rechnet Laule vor. „Die Liste an Aufträgen ist begrenzt und kann gut kalkuliert werden“, sagt sie.
Die Kosten waren für den Spitalfond von Anfang an ein Problem. Das Regierungspräsidium als Aufsichtsbehörde verlangte bei der Finanzierung eine Eigenkapitalquote von 66 Prozent. Mit den neuerlichen Teuerungen rutscht dieser Quote aber auf 54,46 Prozent. Der Spitalfond muss nun einen Nachtrag zum Wirtschaftsplan durch den Stiftungsausschuss genehmigen lassen.
Jetzt bestellen, was erst 2024 geliefert werden kann
Dabei geht es vor allem um erheblich höhere Verpflichtungsermäßigungen, also Aufträge, die jetzt getätigt werden müssen, aber deren Leistung erst 2024 erbracht wird. Dies betrifft zum Beispiel die Bestellung von Küchen und ähnlichen Einrichtungsgegenständen mit sehr langer Lieferzeit. Hier braucht der Spitalfond statt der eingeplanten 1,753 Millionen satte 7,936 Millionen Euro mehr. Außerdem muss der Spitalfond für 2024 einen weiteres Baudarlehen in Höhe von 4,4 Millionen Euro aufnehmen. Dies war nicht geplant, denn 2024 wollte man eigentlich längst fertig sein. Ob dieser Plan so aufgeht, das muss der Stiftungsrat erst noch in seiner nächsten Sitzung bestätigen.
Neben der Probleme mit der Finanzierung gab es auch Ärger mit der Trockenbaufirma, wie Architekt Georg Schmitz von GMS Architekten berichtet. Man sei mit der Qualität der Arbeit nicht zufrieden gewesen. Und die Firma habe auch keine Termine eingehalten. Aus diesem Grund habe man sich eine neue Trockenbaufirma suchen müssen. Die sei schnell gefunden worden, doch habe sie sich aus Haftungsgründen geweigert, auf die Arbeit der vorherigen Firma aufzubauen. „Das alles hat uns Monate gekostet“, fasst Bürgermeisterin Monika Laule zusammen.

Eigentlich habe man bereits diesen Sommer fertig sein wollen, jetzt ist die Fertigstellung im August 2024 anvisiert. Zur Erinnerung: Seit dem 1. September 2019 sind Einzelzimmer in Pflegeheimen zur gesetzlichen Pflicht. Radolfzell musste bei der Pflegeheimaufsicht eine Ausnahmeregelung beantragen. Auch das weitere Jahr Verspätung ist laut Laule von der Heimaufsicht genehmigt.
An der Qualität wurde nicht gespart
Doch sei nicht alles beim Neubau des Pflegeheims schief gelaufen, wie Architekt Schmitz betont. Man habe durchaus nach Einsparmöglichkeiten gesucht und sogar auf ungewöhnliche Art gefunden. Zum Beispiel sei Glas normalerweise teurer als Stahl. Doch durch die gestiegenen Kosten für Stahl sei nun Glas die günstigere und auch qualitativ hochwertigere Variante für den Neubau gewesen. „Wir konnten so ein Glasgeländer im Treppenhaus verbauen, was alles heller macht“, so Schmitz. Auch sei es gelungen, ohne Mehrkosten eine bessere Photovoltaik-Anlage oder technische Ausstattung zu bekommen.
Der Architekt lobt die Zusammenarbeit mit dem Spitalfond: „Es ist nicht selbstverständlich in einer so schwierigen Zeit“, so Schmitz.