Die Cella St. Benedikt auf der Insel Reichenau ist in den vergangenen 20 Monaten deutlich größer geworden. Etliche Jahre hatten nur die Benediktiner-Mönche und Patres Stephan Vorwerk, der zugleich die Seelsorge leitet, und Hugo Eymann in brüderlicher Gemeinschaft im Pfarrhaus in Niederzell gelebt, gearbeitet und gebetet. Im Dezember 2017 sind die beiden philippinischen Schwestern Araceli und Rochelle, die im Nachbarhaus wohnen, ein Teil der Cella geworden. „Unser benediktinischer Auftrag ist ab jetzt der der geschwisterlichen Liturgie im Stundengebet“, betont Pater Stephan. „Das Stundengebet ist das Wichtigste, dafür sind wir Benediktiner.“ Diese Gebete seien nach wie vor öffentlich und offen für alle.

Anfang des Jahres kam Pater Stephanos auf die Reichenau

Und Anfang 2019 ist mit Pater Stephanos Petzolt ein weiterer Mönch aus dem Kloster Beuron auf die Reichenau gewechselt – der übrigens seinen Namen in die griechische Version geändert hat, weil es ja bereits Pater Stephan hier gibt. „Ich war sofort hier daheim“, berichtet der 59-Jährige. „Ich habe ein großes Wohlwollen empfunden. Ich bin sehr, sehr gern auf der Insel. Ich liebe die Insel, die Menschen und die Aufgaben.“ Er sei aufgeschlossen gegenüber den Menschen, versuche allen offen zu begegnen, und meint: „Wie man in den Wald ruft, so kommt das Echo zurück.“ Gemeinsam mit den anderen beiden Patres kümmert er sich nun um die Seelsorge der Reichenauer und gestaltet Gottesdienste. Und man helfe auch in den anderen Pfarreien in der Region aus, betont Pater Stephanos.

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Die Seelsorge sei das Eine, das Andere und Eigentliche das Leben in der Gemeinschaft, das Kontemplative der Benediktiner, die innere Sammlung und religiöse Betrachtung. Gerade diese Kombination schätze er so besonders, erklärt Pater Stephanos: die innere Gemeinschaft und die pastorale Orientierung nach außen. „Wenn es vor 37 Jahren möglich gewesen wäre, wäre ich schon da gekommen.“ Vor 37 Jahren, 1982, trat er als Mönch in die Erzabtei Beuron ein.

„Die haben mich einfach gebraucht.“

Die Priesterweihe habe er 1987 empfangen. In Beuron sei er viele Jahre Hauptorganist und erster Cantor gewesen, er habe Exerzitien abgehalten, geistliche Begleitung geleistet, Seminare für Gregorianik abgehalten und anderes mehr. Durch diese Fülle an Aufgaben sei es ihm nicht möglich gewesen, schon früher auf die Reichenau zu kommen, erklärt Pater Stephanos: „Die haben mich einfach gebraucht.“ Nun wolle er auch auf der Reichenau weitere Aufgaben übernehmen und in die Bildungsarbeit einsteigen, Vorträge, Besinnungstage oder Bibelabende anbieten in Zusammenarbeit mit dem katholischen Bildungswerk oder auch der Tourist-Information. Zur Gregorianik oder Kunsthistorie würde er zum Beispiel gern etwas machen.

Er sei im Sauerland geboren als Sohn tiefgläubiger, fränkischer Eltern, berichtet Pater Stephanos. Sein älterer Bruder sei ebenfalls Geistlicher und zwar der griechisch-orthodoxen Kirche und als Pfarrer für die griechischen Christen in Würzburg und ganz Unterfranken tätig. Für ihn selbst sei es aber nicht schon früh klar gewesen, dass er Mönch werden wolle. „Ich hatte keine Vision und kein Berufungserlebnis.“ Das habe sich erst im Laufe seines Studiums der Theologie, Philosophie und Kirchenmusik ergeben. „Mich hat ein gewisses alternatives Leben angezogen. Ich hatte keine Lust auf ein bürgerliches Leben und dem Geld hinterherzurennen“, so Pater Stephanos. „Ich dachte, es muss doch eine christliche Alternative geben.“ Und weil er das Kontemplative in der Gemeinschaft immer geliebt habe und die Gregorianik sehr interessant finde, habe er sich für die Benediktiner entschieden.

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Für seinen Wechsel auf die Reichenau habe natürlich auch deren große klösterliche Geschichte eine wichtige Rolle gespielt, erklärt Pater Stephanos. „Die Tradition und die kunsthistorischen Bauten sind faszinierend. Ich finde es unglaublich erhebend, als Benediktiner in diesen drei Kirchen mit den Menschen Gottesdienste zu feiern. Da kommt vieles zusammen, was mich anspricht.“ Er und die anderen Mönche seien zudem ganz normale Ansprechpartner für die Menschen. Eine Distanz gebe es nur bedingt. „Es werden Klöster geschlossen in Europa – und hier ist etwas Neues entstanden“, so Pater Stephanos.

Cella ist wichtiger Teil des Welterbes Reichenau

Pater Stephan sieht das genauso. Der Leitspruch der Mönchscella aus dem Psalm 22 laute: „In Mitten der Gemeinde will ich dich preisen, Gott des Lebens.“ Es gebe in der Kombination aus geschwisterlichem Leben in der Gemeinschaft und dem Leben mit den Menschen in der Gemeinde eine Rückzugs- und Marktplatzsituation, Kontemplation und Aktion. „Diese Form, die wir leben, ist eine, die Zukunft hat“, meint Pater Stephan. „Die Klöster öffnen sich immer mehr.“

Ihn habe einst auch das Besondere der Reichenau angezogen, berichtet Pater Stephan, der Geist der Insel, den er in den Mauern der Kirchen gespürt habe. Und: „Ich fand es schade, dass es hier keine Benediktiner mehr gibt.“ Als Mönche würden sie nun versuchen, in ganz bescheidenem Umfang das große benediktinische Erbe im Heute fortzusetzen, die Tradition zu bewahren, aber auch neu zu definieren und zu aktualisieren.

Und damit ist die Cella der Neuzeit, die auch in die Zukunft weist, längst zu einem wichtigen Bestandteil des Welterbes Reichenau geworden, das auf der großen Vergangenheit beruht.