Ein Raunen des Erstaunens ging bei dieser Aussage von Wolfgang Zoll durch die Reihen der circa 350 Besucher des Reichenauer Neujahrsempfangs. „Ich werde mich nicht um eine dritte Amtszeit bewerben“, erklärte der Bürgermeister in der Inselhalle. „Ich bin nicht amtsmüde“, sagte er aber. Die Entscheidung habe auch keine gesundheitlichen Gründe. Das Jahr 2024 habe ihm viel Freude bereitet. „Ich habe ein wichtiges Ziel erreicht mit dem Jubiläum.“ Das sei ein tolles Jahr gewesen. Aber: „Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist.“
Es sei Zeit für einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin, der oder die eigene Akzente setze. „Es kommt was Neues, ein Aufbruch.“ Wobei der Bürgermeister, der seit Februar 2010 im Amt ist, betonte, ihm mache die Arbeit im Moment viel Spaß. Es gebe große Projekte wie das Neubaugebiet Lindenbühl-West und die Neustrukturierung der Kinderbetreuung. Und diese für die Gemeinde wichtigen strategischen Entscheidungen werde er in seinem finalen Jahr weiter begleiten. Aber er wäre bei einer Wiederwahl am Ende einer dritten Amtsperiode Ende 60, begründete Zoll seine persönliche Entscheidung. Er werde zwar ab Februar 2026 seine Hände nicht in den Schoß legen, wisse im Moment aber noch nicht, was er machen werde.
Viele Weggefährten sind überrascht
Der erste Bürgermeister-Stellvertreter Ralf Blum (CDU) sagte: „Mich hat es überrascht.“ Die Aussagen des Bürgermeisters seien in jüngster Zeit zukunftsorientiert gewesen. Er hätte gedacht, dass Wolfgang Zoll wenigstens noch eine halbe Amtszeit von vier Jahren absolviere. Vor einem Jahr habe er es noch eher erwartet, dass Zoll nicht wieder antreten werde. Aber: „Er hat sich im letzten Jahr positiv entwickelt in seiner Amtsführung. Er war zielgerichteter und führungsstärker, hatte mehr Linie.“ Er habe Wolfgang Zoll auch gesagt, dass er von der CDU keine Gegenwehr zu erwarten habe, wenn er wieder antrete.
Der zweite Bürgermeister-Stellvertreter Armin Okle (Freie Wähler) erklärte: „Ich finde es schade. Grundsätzlich habe ich das letzte halbe Jahr gedacht, dass er noch mal kandidieren wird nach diesem Jubiläumsjahr, weil alles gut gelaufen ist.“ Zoll habe als Bürgermeister viel getan, damit sich die Reichenau in ihren Strukturen nicht negativ entwickle – Stichwort: Bebauungspläne. Und er sei ein guter Vertreter der Gemeinde. Doch: „Ich verstehe es, dass er sagt, er hat seine Amtszeit gekrönt.“ Die nächsten Jahre würden schwierig für die Gemeinde, meinte Okle. „Wir haben einige Baustellen. Der nächste Bürgermeister wird es nicht ganz einfach haben.“
Sandra Graßl-Caluk (SPD) meinte: „Es ist schade. Ich hatte erwartet, dass er noch bleibt. 2024 war ein sehr tolles Jahr. Er hat gute Arbeit geleistet. Und wenn es so gut läuft, denkt man, man könnte auch weitermachen.“
Viele glaubten an eine erneute Kandidatur
Auch Gabriel Henkes (Freie Liste Natur/Grüne) sagte: „Es ist überraschend, aber es ist nachvollziehbar. Acht Jahre sind wirklich eine lange Zeit.“ Vor zwei Jahren habe er gedacht, dass Wolfgang Zoll nicht wieder kandidieren werde. Er habe viel moderiert, aber oft nicht die nötige Durchsetzungskraft gezeigt. Aber: „2024 hat er sich so reingehängt, mit so viel Herzblut, dass ich dachte, er tritt noch mal an.“ Er habe gedacht, dass Zoll nach dem Jubiläumsjahr die großen Themen Kindergärten, Schulen, Lindenbühl noch reizen würden. „Umgekehrt denke ich, Veränderungen sind immer eine Chance.“ Jetzt brauche es jemand, der eine Vision habe, durchsetzungsfähig sei und die Arbeit organisatorisch auf die Reihe kriege.
Auch der langjährige Kultur- und Tourismuschef Karl Wehrle, der im April selbst in den Ruhestand gehen wird, sagte: „Ich bin richtig überrascht von dieser Entscheidung.“ Er habe geglaubt, dass das erfolgreiche Jahr eine Motivation für ihn sei. „Ich habe ihn als Bürgermeister empfunden, der der Reichenau gutgetan hat, durch seine Art.“ Wolfgang Zoll sei eine integre Person, die sich immer für die große Geschichte interessiert habe, so Wehrle. „Es ist wichtig, dass sich der Bürgermeister identifiziert mit der Gemeinde und der Geschichte.“
Inselseelsorger Pater Stephan Vorwerk sagte ebenfalls: „Ich finde es schade. Wir haben hervorragend zusammengearbeitet, die politische und die Kirchengemeinde, in all den Jahren.“ Aber auch er sagte, er könne es verstehen, dass Wolfgang Zoll nach dem Jubiläumsjahr und der tollen Zusammenarbeit nun so entschieden habe. Er finde es auch durchaus positiv, wenn man nach einer guten Zeit auf dem Zenit abgeben könne. Der Historiker Gert Zang, der am selben Abend geehrt wurde, war ebenfalls überrascht: „Damit habe ich nicht gerechnet. Aber es ist seine Entscheidung, die müssen wir respektieren.“
Rückblick und Ausblick
Bürgermeister Zoll hatte zuvor in seiner Neujahrsrede auf das Jahr 2024 zurückgeblickt, in dem die Nachrichten weltweit manchmal niederdrückend gewesen seien. Aber: „Was mich getröstet hat, war das Jahr 2024 hier auf der Reichenau“, sagte Zoll unter Applaus. Es sei ein gelungenes Jahr gewesen, ein gutes Miteinander.
Beim Neujahrsempfang 2024 habe man passend zum Motto begonnen, ein Band zu knüpfen, und das habe ihn das ganze Jahr über begleitet. „Mit dem Knüpfen dieses Bandes haben wir einen Nerv getroffen in diesen Zeiten“, meinte Zoll. Alle hätten sich reingehängt, neue Kontakte seien geknüpft worden. Und es habe Spaß gemacht, zu sehen, was eine Gemeinschaft stemmen könne. Wenn eine gemeinsame Verbindung da sei, dann sei das auch ein vorbildhaftes Beispiel.
„Das haben Sie großartig gemacht“, sagte er unter Applaus – und applaudierte seinerseits den Bürgerinnen und Bürgern. Im Jubiläumsjahr 2024 sei es inhaltlich um die Vergangenheit gegangen, um das Fundament. Das Jahr 2025, in dem die Gemeinde im kleineren Rahmen 25 Jahre Welterbe feiern wird, könnte im Zeichen der Zukunft stehen, meinte Zoll: „Wir sind Erben, aber auch Erblasser.“ Und er sagte: „Ich gehe mit viel Zuversicht ins neue Jahr.“
Mit dem Eigenbetrieb Kultur, Marketing, Tourismus und neuem Personal seien Strukturen geschaffen worden für den Erhalt und die Weiterführung der Kultur und Tradition. Darum und vor allem um den Tourismus habe sich jahrzehntelang der Verkehrsverein gekümmert. Zoll dankte für diese Leistung namentlich dem Geschäftsführer Karl Wehrle und den früheren Vorsitzenden Gernot Beyer und Johann Roth. „Der Stab wird weitergegeben“, sagte Zoll. Ein Satz, der in gut einem Jahr auch für ihn selbst gilt.