Die Kindlebildkapelle am Beginn des Reichenauer Inseldamms lag sozusagen seit Jahrzehnten in einem Dornröschenschlaf. Sie war eher verdeckt durch Bäume neben der damals östlich von ihr verlaufenden Straße. Und sie habe gelitten durch den vielen Verkehr, erklärt der Reichenauer Kulturchef Karl Wehrle.

Früher habe es nur eine Gittertür an der Kapelle gegeben. So seien Dreck und Staub in den Innenraum eingedrungen, habe sich auf dem Altar, den Reliefs und den Wänden abgelagert. Zudem seien Risse entstanden, kleine Teile von den Reliefs abgebrochen und auch Farbe abgeplatzt.

Die Kapelle in neuem Glanz

Doch mittlerweile ist die Kapelle neu erwacht, hat durch die Verlegung der Straße und die neue Gestaltung des Platzes ein ansprechendes Umfeld erhalten.

Denn die christlichen Darstellungen im Innenraum hat der Restaurator Robert Lung nun wieder instand gesetzt im Auftrag der Gemeinde. Bürgermeister Wolfgang Zoll kündigt an: Am Inselfeiertag Mariä Himmelfahrt, am 15. August, um 18 Uhr werde die Kapelle neu gesegnet und eröffnet.

Viele Spender von Insel und Festland

Besucher könnten dann auch das Innere von Nahem betrachten und bekämen Informationen zu den Darstellungen. Sonst bleibt der Zugang durch das Gitter und eine neue Glastür zwar verschlossen, doch es gebe Überlegungen, diese zu bestimmten Gebetszeiten zu öffnen. Das müsse allerdings noch mit der Pfarrgemeinde abgestimmt werden.

Das könnte Sie auch interessieren

Das Geld für die Sanierung des Inneren hat die Stiftung Welterbe Klosterinsel Reichenau über eine Spendenaktion gesammelt, sagt Wehrle, der auch Stiftungs-Vorsitzender ist. Rund 100 Spender hätten insgesamt gut 16 000 Euro gegeben, das Ordinariat in Freiburg habe zudem 10 000 Euro beigetragen.

Kapelle mit Geschichte

Erfreulich finde er dabei, so Bürgermeister Zoll, dass die Spender breit gestreut aus der ganzen Gemeinde kamen, von Insel und Festland. „Das fand ich ein schönes Zeichen“, so Zoll. Noch offen seien Kosten von 3000 bis 4000 Euro, so Zoll weiter. Doch die beteiligten Handwerker, die das Metallgitter saniert und die Glastür als Schutz installiert haben, hätten noch eine Beteiligung in Aussicht gestellt.

Die Kapelle erzählt eine Geschichte. Die Darstellungen des schmerzhaften Rosenkranzes im Innenraum hätten einen Bezug zur herrschenden Not und dem Leid, das in der Entstehungszeit der Kapelle wohl im Jahr 1644 geherrscht habe, so Wehrle. „Dörfer sind zerstört. Die Pest wütet. Es war eine ganz schlechte Zeit.“

Das Altarbild in der Kindlebildkapelle zeigt den schmerzhaften Rosenkranz mit dem Leidensweg Christi, die Kreuzigung in der Mitte, sowie ...
Das Altarbild in der Kindlebildkapelle zeigt den schmerzhaften Rosenkranz mit dem Leidensweg Christi, die Kreuzigung in der Mitte, sowie die vier Evangelisten. | Bild: Zoch, Thomas

Der Dreißigjährige Krieg hatte auch in der Region getobt und furchtbare Spuren hinterlassen. Eine Rosenkranzbruderschaft habe die Kapelle dann errichten lassen. Da die Jahreszahl 1644 in den Altar aus Sandstein gemeißelt ist, dürfte zumindest dieser aus jenem Jahr stammen.

Darauf dargestellt sei in Reliefs eine Kreuzigungsgruppe, erklärt Wehrle. Diese bestehe aus den fünf Szenen aus der Leidensgeschichte Christi, dem Rosenkranz, mit der Kreuzigung in der Mitte sowie den vier Evangelisten. Diese Leidensgeschichte weise auf die Umstände in dieser schwierigen Zeit hin, wobei Christus ja das Leid überwinde.

Ein Relief des Heiligen Georg ist an der Wand, die der Insel Reichenau zugewandt ist. Ein Zeichen der Verbindung.
Ein Relief des Heiligen Georg ist an der Wand, die der Insel Reichenau zugewandt ist. Ein Zeichen der Verbindung. | Bild: Zoch, Thomas

Hinzu kommen an den Seitenwänden der Kapelle die Reliefs des Heiligen Georg und des Erzengels Michael. „Beides sind in der Kirche Kämpfer gegen das Böse“, erklärt der Kulturchef. Die Georgs-Figur sei zudem an der zur Insel gewandten Seite, verweise also wohl auf die dortige St. Georgs-Kirche.

Denn insgesamt stünden sowohl der Standort als auch die Gestaltung auch im Zusammenhang mit der Insel Reichenau und dem Kloster, betont Wehrle. Zum einen gebe es an einer Seitenwand auch ein Relief der trauernden Maria. Und diese ist seit der Klostergründung im Jahr 724 die Patronin der ganzen Insel.

In einer Wandnische ist die Muttergottes Maria dargestellt. Es ist möglich, dass gegenüber früher das Kruzifix war, das heute in der ...
In einer Wandnische ist die Muttergottes Maria dargestellt. Es ist möglich, dass gegenüber früher das Kruzifix war, das heute in der Münsterschatzkammer ist. | Bild: Zoch, Thomas

Zudem könne man davon ausgehen, dass an dieser Stelle, wo heute der Inseldamm der Eingang zum Welterbe sei, auch in früheren Jahrhunderten zeitweise ein Zugang zur Insel war. Der Damm sei Mitte des 19. Jahrhunderts bewusst in der Flachwasserzone gebaut worden. Vor allem bei Niedrigwasser im Winter dürfte hier eine Furt entstanden sein, durch die die Menschen mit Karren zur Insel gelangen konnten.

Für die enge Verbindung zur Insel gebe es noch zwei neuere Vermutungen, so Wehrle weiter. Zum einen gebe es Grund zur Annahme, dass das große, romanische Kruzifix in der Münsterschatzkammer wohl einige Jahrhunderte in der Kindlebildkapelle stand – gegenüber der Maria.

Ein wanderndes Kreuz

Das Kreuz sei ursprünglich seit dem frühen 12. Jahrhundert in der St. Peter-und-Paul-Kirche in Niederzell gewesen und dann wohl nach dem Neubau der Kapelle dorthin gekommen. Im späten 19. frühen 20. Jahrhundert habe man es dann in der St. Georgs-Kirche angebracht.

„Es gilt deshalb auf der Reichenau als Oberzeller Kreuz.“ Und spannend sei ein Gemälde mit einer Darstellung der Reichenau von oben, das Mitte des 18. Jahrhunderts entstand, so Wehrle. Dort gehe es offensichtlich um die Kindlebildkapelle, denn diese sei überdimensional groß dargestellt und darüber schwebe eine Marienfigur. Und ebenso riesig stehen drei Figuren unter der Gerichtslinde auf der Ergat mit einer Urkunde.

Auf diesem Gemälde aus der Mitte des 18. Jahrhunderts von der Insel Reichenau ist die Kindlebildkapelle (links) überdimensional ...
Auf diesem Gemälde aus der Mitte des 18. Jahrhunderts von der Insel Reichenau ist die Kindlebildkapelle (links) überdimensional groß dargestellt – ebenso drei Männer auf der Insel Reichenau. Der Vorstand es Museumsvereins vermutet, dass der Stiftungsakt dargestellt worden ist, bei dem die Rosenkranz-Bruderschaft die von ihr errichtete Kapelle an das Kloster übergab. Bild: Museum Reichenau | Bild: Zoch, Thomas

Ein fein gekleideter Herr, vielleicht der Vogt des Klosters, und zwei Herren in Schwarz, die von der Rosenkranz-Bruderschaft sein könnten. „Wir vermuten, dass hier der Stiftungsakt der Kapelle dargestellt ist mit der Übergabe an das Kloster“, so Wehrle. Auf dem Bild gebe es zudem einen Weg von der Konstanzer Rheinbrücke bis zur Kapelle und von dort weiter im See eine Art Weg zur Reichenau.

Daher könne man die Kapelle wohl als Schutzfaktor für die damals heilige Insel an deren Eingangsportal werten. Das Bild habe der Museumsverein vom Generallandesarchiv Karlsruhe als Leihgabe erhalten. Es sei derzeit im Neubau des Museums in Mittelzell zu sehen.