Das Problem der zunehmenden Verkehrsbelastung in der Kindlebildstraße (L221) zwischen Wollmatingen und Lindenbühl ist seit fast zwei Jahren bekannt. Aber bei der großen Mehrheit des Reichenauer Gemeinderats scheint das Thema noch nicht so richtig angekommen zu sein. Um Maßnahmen zur Einschränkung des Verkehrs zu ergreifen, muss die Kindlebildstraße laut Regierungspräsidium (RP) von einer Landes- zu einer Gemeindestraße herabgestuft werden.

Doch dieses Angebot des Landes bereits zum 1. Juli hat der Reichenauer Gemeinderat bereits Anfang Mai abgelehnt. Wobei es in der Diskussion vor allem um mögliche Kosten für den Straßenunterhalt ging. Hierfür bietet das Land als Ablösezahlung 118.564 Euro an. Es geht um 734 Meter Straße von der Brücke am Kindlebildknoten bis zum Bahnhof und weiter bis zur Gemarkungsgrenze nach Konstanz.

Lediglich die SPD-Rätin Sandra Graßl-Caluk aus dem Lindenbühl stimmte für die Übernahme der Straße durch die Gemeinde. Dass alle anderen Ratsmitglieder diesen Schritt ablehnten, stößt bei vielen Anwohnern im Lindenbühl und dem Konstanzer Eichbühl auf Unverständnis. Sie forderten endlich Maßnahmen, um den Verkehr zu reduzieren. „Das hat mich erstaunt und enttäuscht, weil wir lange darauf gewartet haben“, sagt Graßl-Caluk zur Entscheidung ihrer Ratskollegen.

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Denn wenn sie in den vergangenen Jahren Bürgermeister Wolfgang Zoll auf die Verkehrsprobleme hingewiesen habe, sei immer als Antwort gekommen, die Gemeinde könne da nichts machen. Harald Müller von der Bürgerinitiative Eichbühl-Kindlebildstraße (BI) bestätigt dies. „Ich fühle mich veräppelt“, kommentiert er die Ratsentscheidung. Anwohnerin Barbara Stoltefuß sieht die Bedenken in Zusammenhang mit möglichen Kosten: „Eine Kommune ist kein Wirtschaftsunternehmen, sie ist für die Daseinsfürsorge zuständig.“

Landesstraße, Gemeindestraße oder Kreisstraße?

Bürgermeister Zoll erklärt auf Nachfrage des SÜDKURIER, dass die Verwaltung am 6. Mai die Übernahme der Straße vorgeschlagen habe. „Der Gemeinderat hat dem dann auch grundsätzlich nicht widersprochen“, sagt er. Die Verwaltung solle vor der Übernahme allerdings noch einige Fragen klären, die er für „sehr berechtigt“ halte, so Zoll. Zum einen gehe es darum, ob die vom Land berechnete Ablöse angemessen ist.

Vor allem deshalb, weil der Abschnitt zwischen Kindlebildbrücke und Bahnhof „nicht in einem guten Zustand“ sei, wie manche Räte meinen. Außerdem gehe es um den Zeitpunkt, da noch der Umbau der Kreuzung beim Bahnhof ansteht. Da sei die Frage aufgekommen, ob die Übergabe nicht erst nach Abschluss dieser Arbeiten erfolgen sollte. Das wäre aber erst in einigen Jahren.

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Zudem steht im Raum, ob die Straße als Verbindung zwischen zwei Kommunen nicht eher eine Kreisstraße werden sollte, so Zoll. Wenn er Antworten vom RP habe, werde er das Thema wieder in den Gemeinderat bringen. Unabhängig davon, wie das Gremium dann entscheiden werde, erklärt er: „Ich finde es sehr gut, dass mittlerweile die Geschwindigkeit auf 30 km/h reduziert wurde.“

Tempo 30 hatten das RP, das Landratsamt und die Stadt Konstanz vor einigen Wochen angeordnet, basierend auf einem Lärmschutzgutachten. Allerdings gilt dies nur in Wollmatingen und direkt beim Lindenbühl, auf dem Abschnitt dazwischen sind weiterhin 50 km/h erlaubt, also dort, wo der Eichbühl ist, obwohl das Gutachten auf der ganzen Strecke Tempo 30 empfiehlt.

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Im Gutachten steht andererseits, dass der Lärmpegel beim Eichbühl nicht die erlaubten Werte überschreite. Für die BI liegt das wohl daran, dass für das Gutachten die Lärmbelastung durch den Straßenverkehr nur berechnet und nicht gemessen worden sei, wie Harald Müller erklärt. Es gebe aber noch andere Lärmquellen wie die Westtangente, den Flugplatz und die Bahn.

Die Pressestelle des Regierungspräsidiums hatte bereits im März auf eine Nachfrage des SÜDKURIER erklärt, Lückenschlüsse bei Temporeduzierungen „werden von Schallschutzgutachten generell empfohlen“. Dies müsse allerdings von den Behörden abgewogen werden. Und der Abschnitt zwischen Wollmatingen und Lindenbühl werde als „außerorts“ bewertet, wo aus straßenverkehrsrechtlichen Gründen kein Tempo 30 vorgesehen sei.

Doppelt so viel Verkehr wie 2008 prognostiziert

Doch die Fragen der Räte und die Begründung der Behörde sorgen für weiteres Unverständnis bei den Anwohnern. Der Zustand der Straße sei in Ordnung, sagt unter anderem Jörg Peter. Mandy Wiswedel ist der Ansicht, die Gemeinde wolle hier sparen, und sagt, es sei nicht nachvollziehbar, warum stückchenweise Tempo 30 gelten soll. Wobei etliche Anwohner berichten, dass viele Autofahrer das ohnehin nicht einhielten.

Graßl-Caluk fordert zudem: „Die Lkw müssen von der Straße.“ Diese sei zu schmal für zwei Lastwagen im Begegnungsverkehr. Die Anwohner erklären zwar, dass der Verkehr in den vergangenen Monaten durch die Baustelle und Sperrung in Wollmatingen „gefühlt“ etwas abgenommen habe. Doch Müller betont, die Baustelle werde bald abgeschlossen sein, daher sei klar: „Wir brauchen jetzt eine Lösung.“

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Seit der Schließung der Landesstraße 220 zwischen Wollmatingen und der Waldsiedlung im Juli 2022 gibt es zunehmend Schleichverkehr auf der Kindlebildstraße. Harald Müller betont, dass sich der Verkehr seither verdoppelt habe – laut der Zählstelle des Landes. Wobei hier keine aktuellen Zahlen verfügbar seien. Der letzte Wert sei von Dezember 2023 mit 4158 Fahrzeugen werktags. Die in der Planfeststellung der Westtangente aus dem Jahr 2008 prognostizierte Zahl von 1900 Fahrzeugen innerhalb von 24 Stunden werde also stark überschritten.

In der Planfeststellung der Westtangente habe sogar die Stadt Konstanz selbst Gegenmaßnahmen wie Pförtnerampeln gefordert, um den Schleichverkehr zu verhindern, sobald der Wert von 1900 Fahrzeugen überschritten werde, betont die BI. Diese hatte sich zudem 2008 von der Stadt und dem RP vertraglich zusichern lassen, dass etwas getan werde, sobald auf der Kindlebildstraße mehr als 3100 Fahrzeuge am Tag fahren.