Bisher war die Gemeinde Reichenau vergleichsweise gut durch die Corona-Pandemie gekommen. Doch die jüngste Entwicklung ist bedenklich. Bürgermeister Wolfgang Zoll erklärte in der Gemeinderatssitzung am Montagabend, dass es seit Beginn der Pandemie vor gut einem Jahr insgesamt 120 positiv getestete Einwohner in der Gemeinde gegeben habe. Das klingt zunächst vielleicht nicht viel. Aber allein in den vergangenen zwei Wochen seien 19 neue Fälle registriert worden, so der Bürgermeister, wovon 16 noch als akut infektiös beziehungsweise erkrankt gelten.
Der SÜDKURIER hat das auf 100 000 Einwohner hochgerechnet, dabei ergibt sich ein theoretischer Inzidenzwert von knapp 180 Fällen pro Woche, also einiges über dem Durchschnitt im Kreis und im Bund. Und dies erscheint umso gravierender, wenn man bedenkt, dass in den Wochen zuvor die Inzidenz im Schnitt gerade mal bei rund 65 pro Woche gelegen hatte. Der Bürgermeister betonte deshalb auch: „Das ist viel. Die dritte Welle ist wirklich am Rollen.“ Doch immerhin sei ihm nach wie vor nichts von schweren Krankheitsverläufen in der Gemeinde bekannt, und bisher habe es noch keinen Todesfall im Zusammenhang mit Covid-19 gegeben.
Corona-Fall in der Kita
Zur allgemeinen Entwicklung passe es, dass es in der Kindertagesstätte Käppele erneut einen Corona-Fall gebe, so Zoll. Diesmal sei ein Erzieher betroffen, die Gemeinde habe deshalb eine der vier Gruppen geschlossen. Das Personal und die Kinder würden vorsorglich getestet, so der Bürgermeister, bisher ohne Befund. Die Verwaltung kläre zusammen mit dem Gesundheitsamt noch ab, wer alles in Quarantäne müsse. Offenbar habe der Betroffene nicht so viele Kontakte zu anderen Personen gehabt, erklärte Zoll.
Vor einigen Wochen waren eine Erzieherin und ein Kind in derselben Kita positiv getestet worden; zwei Gruppen waren geschlossen worden, und zahlreiche Kinder und Eltern hatten in Quarantäne gemusst.

Die deutliche Zunahme an registrierten Fällen scheint aber nicht daran zu liegen, dass mehr getestet wird. In der Gemeinde ging zwar vor zwei Wochen das Testzentrum in der Inselhalle an den Start, vor einer Woche folgte dann noch das im Zentrum für Psychiatrie (ZfP). Doch in diesen beiden Einrichtungen habe es bisher nur einen positiven Test gegeben, so Hauptamtsleiter Mario Streib.
Auch das kreisweite Testwochenende zuletzt spielt bei der Entwicklung in der Gemeinde offenbar keine Rolle. Auch dort habe es nur einen positiven Fall gegeben, berichtete der Bürgermeister. Allerdings ließen sich in den beiden Testzentren übers Wochenende auch nur 373 Bürger testen, so Zoll. Zudem aber hätten Betriebe wie die Gemüse-Genossenschaft, das ZfP oder die Sparkasse am Freitag Mitarbeiter getestet – insgesamt 515 Personen. Somit seien am Testwochenende 888 Leute getestet worden.
Doch selbst wenn dies alles Reichenauer waren, wären dies nur knapp 17 Prozent der Einwohner. Rechnet man dann wiederum hoch, dass dabei ein Infizierter registriert worden ist, dann könnte es theoretisch sein, dass aktuell fünf oder sechs infizierte Leute ohne Symptome in der Gemeinde das Virus munter weiter verbreiten.
Bürgermeister appelliert, sich regelmäßig testen zu lassen
Zum Testwochenende sagte der Bürgermeister einerseits: „Ich bin froh, dass unsere Testzentren am Start waren. Das war die Grundlage. Hier gilt der Dank der Verwaltung, den Ehrenamtlichen und den Betrieben.“ Doch er betonte auch einmal mehr, wie wichtig es sei, sich regelmäßig testen zu lassen. Vor der Sitzung zwei Wochen zuvor in der Pfaffenmooshalle in der Waldsiedlung hatte er in einem provisorischen Testzentrum alle Teilnehmer – auch Bürger – testen lassen.
Dies wolle er nicht jedes Mal machen, so Zoll, auch um die Ehrenamtlichen nicht zu überlasten. Doch er appellierte zugleich, dass sich künftig alle Teilnehmer einer Sitzung zuvor testen lassen sollten. Wobei er anmerkte, dass juristisch noch unsicher sei, was genau unter einem tagesaktuellen Test zu verstehen sei. „Die meisten gehen von 24 Stunden aus“, so Zoll.
Hauptamtsleiter Streib meint, es bräuchte mehr Anreize durch Lockerungen, damit sich mehr Leute testen lassen. So sei jüngst am Testwochenende gleich am Vormittag eine Gruppe von Leuten gekommen, die sich testen lassen wollten, damit sie endlich wieder mal die Mainau besuchen können. Die hatte wegen einer Ausnahmeregel, die die Bundesnotbremse für botanische Gärten vorsieht, ihre Anlagen im Freien öffnen dürfen.
Gemeinderat Gabriel Henkes (Freie Liste Natur) wiederum meinte in der jüngsten Sitzung, dass die Verantwortlichen im Tourismus sich darüber Gedanken machen müssten, wie sie Besucher testen lassen könnten, wenn diese dadurch Vorteile hätten. Der Bürgermeister pflichtete bei. Denkbar wäre ein Drive-In-Testzentrum am Inseldamm, meinte Zoll.