Herr Zoll, wenn Sie 25 Millionen Euro zur freien Verfügung für Ihre Gemeinde bekommen würden, was würden Sie damit machen?
Erst einmal würde ich mich sehr freuen! Dann fallen mir vor allem im Verkehrsbereich drei kostenintensive, aber hilfreiche Projekte ein: Erstens die Schaffung eines elektronisch gesteuerten Parkleitsystems, zweitens die Errichtung eines Parkhauses auf dem Park-and-Ride Platz des Reichenauer Bahnhofs und drittens die Einrichtung eines eng getakteten Shuttleverkehrs auf der Insel und zwischen Insel und Festland.
Außerdem wünschen wir uns seit Jahren einen Versammlungsraum für etwa 200 Personen in der Gemeinde, der uns im Augenblick fehlt. Und wir haben dringenden Sanierungsbedarf in unseren Schulen, im Schloss Königsegg und im Südflügel des Rathauses. Ich vermute, dass dann die 25 Millionen ausgegeben wären.

Welches finanzierbare Projekte brennt Ihnen denn am meisten unter den Nägeln, und warum?
Unter der Voraussetzung, dass es die Einnahmen während der Corona-Krise zulassen, würde ich gerne den Neubau des Feuerwehrgerätehauses mit dem zugehörigen Schlauchturm abschließen und die Sanierung unserer Schulräume schrittweise fortführen. Im ersten Fall geht es darum, ein Projekt zu Ende zu bringen, im zweiten Fall besteht schlicht die Notwendigkeit, unseren Kindern angemessene Unterrichtsbedingungen zu bieten.
Worauf sind Sie am meisten stolz in der Gemeinde, und was ärgert Sie am meisten?
Am meisten erfüllt mich das unglaublich große ehrenamtliche Engagement mit Stolz, sowohl auf der Insel als auch auf dem Festland. Stolz bin ich auch auf unsere vielen Alleinstellungsmerkmale. Angefangen vom Naturraum über die besondere landwirtschaftliche Tradition bis hin zum Weltkulturerbe. Bisweilen ärgere ich mich darüber, wie schwer es ist, die unterschiedlichen Interessengruppen zu einem gemeinsamen Vorgehen zu bewegen.
Wie können die Insel und die Festlandsteile Lindenbühl und Waldsiedlung besser zusammenwachsen?
Aus meiner Sicht geht dies nur durch persönliche Kontakte. Nachdem es nun eine direkte Busverbindung zwischen den Ortsteilen gibt, sollte aus meiner Sicht die Kooperation zwischen Vereinen, Schulen und Kindergärten intensiviert werden. Außerdem gehen wir im Jahr 2024 auf das 1300-jährige Jubiläum der Gemeinde Reichenau zu. Es wäre wichtig, dass dies nicht nur ein Fest für die Insel ist, sondern die gesamte Gemeinde umfasst.
Im geplanten Neubaugebiet Lindenbühl-West sollen 40 Prozent sozialer Wohnraum sein. Wäre es nicht sinnvoll, wenn die Gemeinde hierfür eine eigene Wohnbaugesellschaft gründen würde? Allensbach hat das schließlich auch hinbekommen – zusammen mit der Sparkasse Reichenau.
Hier sind wir gerade in der Prüfung, über deren Ergebnis der Gemeinderat im Herbst informiert wird. Ich persönlich glaube, dass die Schaffung bezahlbaren Wohnraums eine gesellschaftliche Herausforderung ist, bei deren Bewältigung sich die öffentliche Hand nicht zurückziehen sollte. Aufgrund der Größe der Aufgabe, die sich im Lindenbühl-West stellt, werde ich persönlich für eine Wohnbaugesellschaft plädieren.
Bei der Gemeindereform in den 1970er-Jahren hatte die Gemeinde Reichenau Interesse an Hegne. Fänden Sie es aus heutiger Sicht gut, wenn Hegne zu Reichenau gehören würde?
(lacht) Diese Frage hat sich für mich noch nie gestellt und bewegt mich weder gegenwärtig noch zukünftig.
Welchen Wunsch haben Sie an die Stadt Konstanz und/oder den Landkreis?
Mit beiden kooperieren wir gut. Dies möchte ich mit der Stadt vor allem im Hinblick auf die Fortschreibung des Flächennutzungsplans gerne fortsetzen. Insbesondere bei der Schaffung von günstigem Wohnraum haben beide Kommunen aus meiner Sicht dieselben Interessen und sollten hier im Verbund vorangehen. Beim Kontakt mit dem Landkreis kommt es mir vor allem darauf an, dass sowohl beim Thema Bauen als auch beim Thema Verkehr den besonderen Umständen Rechnung getragen wird, die sich durch die Insellage und den starken Tourismus ergeben.
Wie haben die Corona-Maßnahmen das Leben in der Gemeinde verändert?
Wirtschaftlich bedeutete für uns die Corona-Krise einen starken Einbruch in den Bereichen Tourismus und Gastronomie, den wir im Laufe des Jahres auch so nicht wieder werden aufholen können. Ich hoffe, dass es langfristig durch die Krise zu einer Verbesserung der Situation in der Landwirtschaft kommt, da es aus meiner Sicht viele Menschen wieder schätzen, ihren Lebensmittelbedarf aus regionaler Produktion zu decken.
Die größte Veränderung für uns war allerdings, dass das Vereins- und Veranstaltungsleben nahezu komplett zusammengebrochen ist. Mit eine der größten Aufgaben im kommenden Jahr wird es sein, hier an die Zeit vor der Krise auch im Hinblick auf die Inselfeiertage wieder anknüpfen zu können.

Verträgt die Insel noch mehr Touristen?
Von unserer Infrastruktur her sind wir mit Sicherheit der Grenze dessen nahe, was die Gemeinde stemmen kann. Insgesamt würde es darauf ankommen, verstärkt auf Qualität, Übernachtungstourismus und eine Verlängerung der Saison zur Entzerrung der Spitzenzeiten Wert zu legen.
Auch ist es mir wichtig, zu betonen, dass zwischen Tourismus, regionalen Ausflüglern und lokaler Naherholung differenziert werden muss. Geschieht dies nicht, verzerrt sich aus meiner Sicht oft die Diskussion.
Wie wichtig ist für Sie der Klimaschutz, könnte dafür nicht mehr getan werden in der Gemeinde?
Eine Verlängerung der Verweildauer von Besuchern in der Gemeinde Reichenau könnte dazu beitragen, ein klimagerechtes Reiseverhalten zu fördern. Dann setzen wir auf den Ausbau von Carsharing und Ladeinfrastruktur von Elektromobilität. So sind gerade beim Reichenauer Bahnhof neue Schnellladesäulen installiert worden.
Ist der Ausbau der B 33 da nicht eher kontraproduktiv, weil damit der Individual- und der Schwerlastverkehr auf der Straße gefördert werden?
Natürlich kann man argumentieren, dass die Verbesserung der Infrastruktur im Bereich der Straßen noch mehr Verkehr produziert. Daher wird es wichtig sein, in den nächsten Jahren vor allem auch Investitionen im Bereich des Radverkehrs zu tätigen. Dennoch war für mich der Ausbau der B 33 angesichts des Verkehrsaufkommens und des Umstands, dass aus beiden Richtungen ein autobahnähnlicher Ausbau auf die Nahtstelle zwischen Allensbach und Konstanz gestoßen ist, unbedingt nötig.
Sie wohnen in Konstanz und können daher an der OB-Wahl teilnehmen. Wissen Sie schon, wen Sie wählen werden?
Ja, das weiß ich ...
Fragen: Thomas Zoch