Bei der Feuerwehr konnte Andreas Schlegel seine Hilfsbereitschaft, seine Menschlichkeit leben. Und er hat Freunde gefunden. Aber alles schön der Reihe nach: Am Anfang seiner Amtszeit steht ein Erlebnis, das eine drollige Note hat. Vor allem deshalb, weil es gut ausging.
Herr Schlegel, was ist damals passiert?
Es war in meinem ersten Jahr als Kommandant an Weihnachten. Wir wurden zu einem Brand gerufen, ich saß auf dem Beifahrersitz des zweiten ausrückenden Löschfahrzeugs, als sich in der Kurve bei der Bezirkssparkasse in Richtung Niederzell plötzlich die Tür öffnete und ich im hohen Bogen hinausflog. Aber ich hatte Glück – auch deshalb, weil ich in voller Montur unterwegs war. Jedenfalls bin ich ohne schlimmere Blessuren davon gekommen, und wir denken amüsiert an die Episode zurück. Immerhin hab‘ ich es schadlos überstanden.
Wie ging die Geschichte weiter?
Der Maschinist hat sofort angehalten. Einer von den Kameraden ist aus dem Fahrzeug gesprungen, um zu sehen, ob mit mir alles in Ordnung ist. Aber ich bin gleich wieder auf die Beine gekommen und direkt zurück in die Fahrerkabine. Dann ging es sofort weiter. Den Kameraden, der ausgestiegen ist, haben wir auf der Kreuzung vergessen. Der stand da einsam und wurde vom dritten Fahrzeug aufgelesen.
Wie sind Sie überhaupt zur Feuerwehr gekommen?
Ach, das war auch ganz witzig. Ich war 18 Jahre alt und ein Kumpel von mir hatte die Idee, dass wir zusammen bei der Feuerwehr Litzelstetten mitmachen. Mein Interesse war eigentlich nicht sonderlich groß, ich habe mich einfach so treiben lassen. Am Schluss war‘s dann so, dass ich der Feuerwehr beigetreten bin, mein Kumpel aber nicht. Der ist erst drei, vier Jahre später dazu gestoßen.
Sind Sie so auch Kommandant geworden?
(schmunzelt) Im Grunde genommen schon. Durch meine Frau bin ich mit 20 Jahren auf die Reichenau gekommen, und da haben die mich einfach von der Feuerwehr Konstanz zur Feuerwehr Reichenau überwiesen – ohne mich zu fragen. Ich habe dann Kurse belegt, mich weiter gebildet. Irgendwann war ich stellvertretender Kommandant und als mein Vorgänger aufgehört hat, wurde ich gefragt, ob ich das Amt übernehme würde. Das hab‘ ich dann gemacht...
... was mit einem hohem Zeitaufwand verbunden ist. Lässt sich das genauer beziffern?
In den vergangenen zehn Jahren hatten wir im Schnitt 48 Einsätze im Jahr. Also ist man einmal pro Woche gefordert. Bei ungefähr einem Viertel der Fälle handelt es sich um Brände, das andere sind technische Hilfen bei Unfällen oder Einsätze bei Unwetter. Als Kommandant hat man aber jeden Tag irgendwas zu tun, acht bis zehn Stunden pro Woche kommen da schnell zusammen. Ich habe allerdings viel selbst gemacht und vielleicht hätte ich bestimmte Aufgaben delegieren sollen. Auf der anderen Seite hat mir das alles sehr viel gegeben. Ich habe zum Beispiel viele tolle Menschen kennenlernen dürfen.
Das Ehrenamt hat also einen Wert, der nicht mit Geld zu bezahlen ist?
Hier in Reichenau ist das so. Die Gemeinschaft ist toll, und die Wertschätzung in der Gesellschaft stimmt. Wir haben beispielsweise keinerlei Probleme bei der Freistellung von Kameraden, die wegen Einsätzen ihre Arbeit in den Unternehmen unterbrechen müssen. Nichts zu klagen gibt es auch bei der Spendenbereitschaft und Unterstützung durch die Gemeinde. Wir sind wirklich gut ausgestattet.
Trotzdem stellt sich die Frage, ob die Feuerwehren – allein wegen ihres Professionalisierungsbedarfs – dauerhaft als ehrenamtliche Aufgabe funktionieren können.
Die Antwort in kleineren Gemeinden ist relativ leicht zu beantworten. Hier sind hauptamtliche Feuerwehren nicht bezahlbar. Das mag in Städten wie in Konstanz anders sein. Was man natürlich machen kann, ist die gegenseitige Unterstützung – etwa durch Fachberatungen. Das klappt aber jetzt schon sehr gut. Worüber man ebenfalls reden kann, ist die Höhe der Aufwandsentschädigungen.
Aber das verkennt doch, dass man – zumal als Kommandant – immer mit einem Fuß im Gefängnis steht.
Das ist richtig. Ganz ohne Glück kommt man da nicht durch. Nur was ist die Alternative? Ich bin davon überzeugt, dass sich immer Leute finden werden, für die Hilfsbereitschaft ganz oben steht.
Wie sieht denn der Dank aus?
Das ist unterschiedlich. Manchmal steht da nach einem Einsatz einfach nur eine Kiste Bier vor dem Feuerwehrhaus. In der Summe ist es die allgemeine Anerkennung unserer Arbeit und schlicht das gute Gefühl, wenn man helfen kann. Zum Beispiel, wenn wir eine hilflose Person aus einer Wohnung holen konnten – was inzwischen so drei, vier Mal im Jahr vorkommt.
Belastende Fälle gibt es natürlich auch, etwa Suizide. Wenn man die betreffende Person außerdem noch kennt, wird‘s ganz schwierig. Da ist viel psychologisches Geschick erforderlich, wen man einsetzt und wie man miteinander umgeht. Auch das ist etwas, was man lernt. Der Feuerwehr und der Funktion als Kommandant habe ich deshalb in vielerlei Hinsicht einiges zu verdanken.
Die Wertschätzung ist heutzutage nicht mehr selbstverständlich. Im Gegenteil werden Helfer bei Einsätzen nicht nur verbal angegangen. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Das Maximale, was wir gelegentlich erleben, ist so eine allgemeine Maulerei. Etwa wenn jemand mit einer Absperrung nicht einverstanden ist. Aber Angriffe – nein, das kam bei uns bislang zum Glück nicht vor. Dennoch war früher die Achtung gegenüber Leuten, die sich für die Allgemeinheit einsetzen, generell höher. Das trifft aber vor allem auf die Polizei zu.
Herr Schlegel, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.