Da blieb sogar Exkursionsleiter Ottokar Graf die Spucke weg: Knapp 150 Personen hatten sich kürzlich vor der Kirche St. Stephan in Arlen eingefunden, um seinen Ausführungen über den ältesten Industriestandort im Hegau zu lauschen. Die Führung fand im Rahmen des Programms zum 50. Jubiläum der Gemeinde statt, zu dem es auch eine Ausstellung im Museum gibt. Bei schönstem Sonntagnachmittagswetter hatte niemand mit einem so großen Zuspruch gerechnet. Deshalb lud Ottokar Graf, der Leiter des Worblinger Museums und kompetenter Historiker, kurzerhand alle Leute in die Kirche ein und machte dort von der Kanzel die Einführung ins Thema.
Der Namen „Arlen“ (früher „Arola“) lässt sich sinngemäß übersetzen mit „Ortschaft am plätscherndem Gewässer“, welches schlussendlich ja ausschlaggebend für die Ansiedlung der baumwollverarbeitenden Industrie im Ort war. Aus einer ursprünglichen Ansammlung von Strohhütten mit circa 80 Einwohnern über ein Dorf von etwa 120 Einwohnern im 17. Jahrhundert entwickelte sich laut Graf bis vor 100 Jahren die bedeutsamste Gemeinde im Hegau, ein Industriestandort mit weitreichenden Auswirkungen.
Bevölkerung bekam Arbeit in der Spinnerei
Im Jahre 1836 suchte und fand Ferdinand ten Brink aus Flandern eine Gemeinde am Fluss, in der er eine große Baumwollspinn und -weberei aufbauen konnte, wie in der Führung zu erfahren war. Dies habe zu einer Zeit stattgefunden, in der die Bevölkerung nach drei erntelosen Jahren arm und verschuldet war. Ten Brink schuf die ersten Arbeitsplätze durch die Begradigung der Aach, den Bau vom Kanal, von Wasserrädern und endlich dem Bau der Fabrik.
Und so habe sich mit der Zeit Wohlstand im Hause der Familie ten Brink, als auch in der Arlener Bevölkerung verbreitet. Ihr segensreiches Werk habe die Familie ten Brink auch im sozialen Bereich fortgeführt. So baute sie einen Kindergarten, eine Apotheke, ein Hospital mit Sanatorium, ein Rathaus und ihre Villa. Viele dieser Bauten sind heute noch zu besichtigen.
Arlemer und Rielasinger Wein
Ottokar Graf führte seine riesige Zuhörerschar dann auch noch durch das alte Arlen und ließ sie an seinem enormen Wissen Teil haben. So erzählte er, als man an der alten Trotte stand, die Anekdote vom Rosenegger Wein: Im Mittelalter durften die Arlener demnach die Hälfte der Rosenegger Reben ernten, mussten sie aber in der Rielasinger Trotte pressen lassen. Dabei hatte man wohl bemerkt, dass die Rielasinger immer wieder Wein abzwackten und dies dann bei der Nellenburger Gerichtsbarkeit eingeklagt.
Die Klage wurde aber abgewiesen und die Arlener konnten forthin nur noch ihre eigenen wenigen Reben abernten und in ihrer kleinen Trotte pressen. Viel Historisches und Wissenswertes von Orten wie etwa der Kirche, der Gems und den alten Rathäusern hatte Ottokar Graf außerdem noch im Gepäck. Nach zwei Stunden erhielt er schließlich verdienten Applaus.