Frau Breyer, vor ungefähr einem Jahr organisierten Sie in Singen eine Menschenkette zum Zeichen von Solidarität und Frieden mit. Was hat Sie zu dieser Aktion bewogen?

Ich war völlig überwältigt von den Tatsachen, vor die wir ab dem 24. Februar gestellt wurden: Krieg in Europa, wenige tausend Kilometer von uns entfernt. Ich dachte mir: „Mach was!“ Im letzten Jahr war ich Schülersprecherin am Friedrich-Wöhler-Gymnasium und wollte etwas Öffentlichkeitswirksames machen, bei dem die Schulgemeinschaft mit einbezogen wurde. Mir war wichtig, ein Zeichen für Frieden und Solidarität zu setzen.

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Wenn Sie heute auf diese Aktion zurückblicken, konnte damit denn etwas erreicht werden?

Gehaltene Hände in Deutschland heilen keine Wunden und holen auch keine getöteten Menschen ins Leben zurück. Das war von Anfang an klar. Trotzdem ist es wichtig, sich hier zu Grundwerten zu bekennen, für Frieden und Freiheit aufzustehen. Die Reaktionen auf die Aktion waren durchweg positiv, worüber ich mich gefreut habe.

Mit einem Krieg in Europa hatte kaum einer gerechnet. Was bewirkt dies Ihrer Meinung nach in unserer Gesellschaft?

Und ist bewusst geworden, dass Frieden in Europa leider nicht selbstverständlich ist. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ist nicht nur eine traurige Tatsache, sondern auch ein Weckruf. Viele Menschen machen sich jetzt Gedanken, wie es so weit kommen konnte. Ich finde es beeindruckend, wie spontan geholfen wurde und wie viel Solidarität auch immer noch gezeigt wird.

Sie engagieren sich ehrenamtlich im Leo Club Konstanz-Bodensee, das sind die Jungen des Lions Club. Auch dort zeigt man sich mit der Ukraine solidarisch. Wie?

Im Frühjahr hat sich der Leo Club an einer Hilfsaktion für Kriegsflüchtlinge in Ungarn mit Sachspenden in Form von Hygieneartikeln beteiligt. Und zu Beginn dieses Jahres haben wir 5000 Euro an ein Waisenhaus für ukrainische Flüchtlinge in Ód gespendet.

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Sie sind eine junge Frau. Hat man mit 17 Jahren nicht andere Dinge als Krieg und Krisen im Kopf?

Ich habe ein Bedürfnis nach Gerechtigkeit. Krieg und Krisen lassen mich nicht unberührt, es geht schließlich um unsere Zukunft. Freiheit darf nicht zur Floskel werden, auch wenn sie uns manchmal selbstverständlich erscheint. Für sie lohnt es sich einzustehen. Meine Mutter und meine Großmutter, beide sehr engagierte Frauen, haben mir früh beigebracht, das zu tun.

Wie reagieren andere junge Menschen aus Ihrem Umfeld darauf, wenn Sie sich politisch engagieren?

Mein Engagement wird wahrgenommen. Meine Generation legt viel Wert auf Individualität und wir legen Wert darauf, gesehen und gehört zu werden. Das kann manchmal negativ und oft sehr positiv sein. Besonders über Social Media bin ich stark mit anderen jungen Menschen vernetzt, die sich ehrenamtlich engagieren oder Start-Ups gegründet haben. Das ist vielleicht eine Blase, aber genau dort stößt man auf interessierte Nachfragen oder auch mal auf berechtigte Kritik. Es ist ein reger Austausch.

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Wo wünschen Sie sich mehr Unterstützung beziehungsweise Beteiligung anderer?

Ich wünsche mir mehr Austausch außerhalb dieser Blasen und außerhalb der Schule. In der Schule reden wir zum Beispiel im Politik-Unterricht über Vieles. Ich habe Politik als Leistungskurs gewählt, da entstehen oft sehr wertvolle Diskussionen. Schön wäre es, wenn die Angebote, die ich wahrgenommen habe, wie zum Beispiel die Trainingskurse von Erasmus oder die Sommerakademien von Young Leaders, in der Schule mehr beworben würden. Dort werden junge Menschen vernetzt, die etwas bewirken möchten. Wenn man gut organisiert ist, schafft man es schon, das achtjährige Gymnasium und etwas Engagement unter einen Hut zu bekommen – eine Wahlfreiheit zwischen dem achtjährigen und neunjährigen Gymnasium oder gar eine Rückkehr zu G9 würden mehr Freiraum dafür lassen.