Ulrike Blatter

Es war einmal eine Studentin, die keinen Märchenprinzen brauchte. Sie hatte nämlich einen Freund, den sie zärtlich Beziehungskiste nannte. Beide lasen sich gern witzige Kontaktanzeigen vor und wunderten sich: die Damen waren alle von mädchenhaftem Charme, parkettsicher und stilbewusst, sämtliche Herren erfolgreich, charismatisch und Villenbesitzer. Warum nur war diese Elite auf schnöde Annoncen angewiesen? Bald keimte die Idee auf, dass die junge Studentin mit mädchenhaftem Charme einen Charismatiker umgarnen und ihren Freund samt Beziehungskiste in die Villa einschmuggeln könnte. Sie haben es sicher erraten: Schon damals ging meine Fantasie stark in Richtung Krimi.

Trotz fleißigen Studiums von Kontaktanzeigen blieb meine „Kiste“ alternativlos, der Freund wurde später zum Ehemann. Annoncen lasen wir immer noch, aber zunehmend nervten mich Grammatikfehler. Irgendwann schrieb ich einem Institut, präsentierte meine Fehlersammlung mitsamt dem Angebot zu lektorieren. Daraufhin erhielt ich wöchentlich anonymisierte Fragebogen, aber nicht zum Lektorat: Ich sollte aus „Profilen“ nette Geschichten machen. Die langbeinige Blondine, die mit einem Glas Rotwein in der Hand am Strand ihr Haar im Winde wehen ließ, war mein größter Erfolg – unzählige Herren verliebten sich unsterblich, aber leider konnte sie nur einer haben. Das gab böse Post! Einen Fragebogen las ich meiner Tochter vor – als abschreckendes Beispiel. „Mama, vor dem musst du die Frauen schützen!“, war ihr Kommentar. Nach reiflichem Überlegen schrieb ich: XY ist noch ein echter Kerl mit Ecken und Kanten und kein weichgespülter Frauenversteher. Der Kunde war begeistert und ein halbes Jahr später erhielt ich einen zweiten Fragebogen – vom selben Kerl. Aber nun in der Wortwahl deutlich „weichgespült“.

Obwohl es schön war, jede Woche eigene Kurzgeschichten in der Zeitung zu lesen, gab ich mein Ghostwriting für einsame Herzen schließlich auf. Ich hatte genug Stoff gesammelt für Erbschleicher- und Heiratsschwindler-Krimis. Mein letzter Auftrag war ein Dankeschön an die Agentur – von einem Paar, das aus dem siebten Himmel grüßte. Übrigens: Mein Mann und ich lesen uns immer noch Annoncen vor – und weil wir nicht geschieden sind, amüsieren wir uns noch heute.