23 Jahre sind eigentlich kein Alter für ein funktionales Gebäude. Und doch genügt die Singener Rettungswache des DRK-Kreisverbandes den geltenden Ansprüchen im Gesundheitswesen nicht mehr. Der Vorsitzende des Roten Kreuzes im Landkreis und frühere Landrat, Frank Hämmerle, redet nicht lange um den heißen Brei: „Die gesetzlichen Grundlagen für die Arbeitsschutzverordnung haben sich stark verändert. Die Anforderungen sind gigantisch gewachsen.“
Schon lange sei der Rettungsdienst keine rein männliche Domäne mehr. Sanitärräume, Umkleideräume, Schlafräume für das Personal müssten nach Geschlechtern getrennt vorhanden sein. Da die Singener Wache auch eine Lehrrettungswache ist, werden auch entsprechende Schulungsräume benötigt.

Das größte Problem seien jedoch die Fahrzeuge, die kaum noch in die vorhandenen Garagen hineinpassen, weil sie immer breiter und länger geworden sind. Der DRK-Kreisgeschäftsführer Patrick Launiger erklärt, wie sich die Flotte zusammensetzt: „Ein Notarztwagen, drei RTW plus ein Ersatzfahrzeug und 14 Krankentransportfahrzeuge müssen untergebracht werden.“
Als die bestehende Wache unterhalb des Krankenhauses elegant in den leichten Hang gebaut wurde, waren die Fahrzeuge noch viel kleiner. Die neuen Rettungswagen passen so knapp in die Garage, dass die Türen sich nicht mehr öffnen lassen. Sie müssen für die Reinigung halb in den Hof gefahren werden. Doch da kühlen sie im Winter aus. Für den Einsatz müssen die Fahrzeuge aber warm sein. Mehrmals täglich müssen die Wagen gereinigt werden. Unter den bestehenden Bedingungen erschwert das den Mitarbeitern die Arbeit erheblich. Der DRK-Kreisverband sieht seine Position als attraktiver Arbeitgeber in Gefahr.
DRK will auch als Arbeitgeber attraktiv bleiben
Doch Abhilfe ist in Sicht. „Wir brauchen optimale Arbeitsbedingungen, sonst bekommen wir keine Mitarbeiter“, sagt Hämmerle und spielt damit auf die prekäre Lage im Pflegesektor an. Alleine in Baden-Württemberg fehlen dem DRK 250 Mitarbeiter im Rettungswesen.
Fast drei Jahre hat sich der Verein mit der Suche nach einer Lösung beschäftigt. Der Architekt Wolfgang Riede hat den Mitgliedern des Kreisverbandes zahlreiche Varianten vorgelegt, von denen nun die schlichteste gewählt wurde. Ein Umbau des vorhandenen Gebäudes kam aus Platzgründen nicht in Frage. Den Vorschlag, einen Tagespflegebereich gleich mitzubauen, verwarf der DRK-Kreisverband aus Kostengründen.
„Die Investition wäre zu hoch gewesen und der Betrieb noch kein Selbstläufer“, begründet Frank Hämmerle diese Entscheidung. „Nur in Kombination mit einer vollstationären Pflegeeinrichtung würde das funktionieren. Doch die können wir nicht anbieten.“
Neubau in Modulen bietet Erweiterungsmöglichkeiten
Was jetzt an der Schaffhauser Straße gebaut wird, entspreche dem Pflichtprogramm einer Lehrrettungswache, sagt Hämmerle. Allerdings seien auch Erweiterungsmöglichkeiten für verschiedene Nutzungen vorgesehen. Das werde bei der Statik berücksichtigt. Die Modullösung von Wolfgang Riede hatte den Verantwortlichen im Kreisverband von Anfang an gefallen, weil sie für die Zukunft viele Erweiterungsmöglichkeiten offen lässt.
Im Moment sei aber nur die einfachste Variante finanzierbar. Die wird aber auch schon auf 4,7 Millionen Euro geschätzt. Zwar darf der Verein mit einem Landeszuschuss in Höhe von 790 000 Euro rechnen; er muss aber zeitgleich 190 000 Euro Zuschuss für die alte Rettungswache zurückzahlen, weil die Abschreibungsfrist von 50 Jahren noch nicht abgelaufen ist.
Neue Zufahrt für die Rettungswagen
Die Stadt Singen will die alte Rettungswache kaufen und an den DRK-Ortsverein vermieten. Das Grundstück, auf dem die neue Rettungswache gebaut wird, gehört ebenfalls der Stadt. Sie will es dem DRK-Kreisverband in Erbpacht überlassen. Die Erschließungsarbeiten sind in vollem Gange. Eine neue Straße, die als Zu- und Ausfahrt der Krankentransportfahrzeuge dient, ist im Bau. Für die Rettungswagen gibt es eine Alarmausfahrt direkt auf die Schaffhauser Straße.
Im Jahr 2021 könnte neue Wache in Betrieb gehen
Noch in diesem Herbst werde er die Baugesuche einreichen, sagt Architekt Riede. Bis Weihnachten erhofft sich der Kreisverband die Baugenehmigung der Stadt Singen, damit Anfang 2020 die Ausschreibungen rausgehen können. Hämmerle rechnet mit einem Baubeginn im Frühjahr 2020. Nach weiteren 18 Monaten werde man die neue Rettungswache in Betrieb nehmen können, so hofft er.
Für die Babyklappe, die bisher an die alte Rettungswache angebunden ist, werde man eine Lösung finden, verspricht der Kreisvorsitzende. Der jetzige Standort bietet verzweifelten Müttern einen gewissen Schutz und Neugeborenen Überlebenschancen.
Fakten zum Bau
Die neue DRK-Rettungswache wird in Modulbauweise erstellt und eine Nutzfläche von 1521 Quadratmetern haben. Im Erdgeschoss sollen großzügige Garagen für die 14 Krankentransporter, für vier Rettungswagen und einen Notarztwagen entstehen. Außerdem werden dort ein Materiallager für medizinische Versorgung, eine Werkstatt sowie Toilettenanlagen gebaut. Das Obergeschoss ist für Büros der Rettungswache, sieben Schlafräume, geschlechtergetrennte Umkleideräume und Toiletten, Aufenthaltsräume und ein Schulungsraum. Auf dem Flachdach der Großgarage soll eine Terrasse entstehen. Für den DRK-Kreisverband ist es nach der Rettungsleitstelle in Radolfzell und der Rettungswache in Konstanz die dritte große Baustelle, die er zu finanzieren hat. Danach seien die Rücklagen geplündert, sagt Frank Hämmerle. Der Ortsverein ist nicht beteiligt. (gtr)