Wer die Kaffeeküche des Architekturbüros Achatz Kolb betritt, wird von einer ermutigenden Botschaft begrüßt: „Wir müssen selbst die Veränderung sein, die wir in der Welt zu sehen wünschen.“ Diesen Ausspruch Mahatma Gandhis haben sich die Visionäre hinter dem Projekt Lebenswert mit Kreide an die Wand geschrieben. Eine Erinnerung daran, dass Veränderung möglich ist. Dass es sich zu kämpfen lohnt.

Ermutigungen können Daniel und Achim Achatz und Michael Kolb gerade gut gebrauchen. Denn auch wenn sich die drei Architekten und ihre Mitstreiter seit fast fünf Jahren für die Errichtung eines ressourcensparenden generationenübergreifenden Quartiers in Singen einsetzen, konnte das Projekt bislang nicht umgesetzt werden. Im Gegenteil: Seit sich der Gemeinderat vor einem Jahr dagegen aussprach, das Projekt Lebenswert im Norden Singens auf der Knöpfleswies zu verwirklichen, ist es nicht gelungen, sich auf eine neue Lokalität zu einigen.

Weit zurückgeworfen

„Im Prinzip ist nichts mehr passiert“, sagt Achim Achatz. „Die Absage für den Standort Knöpfleswies hat uns sehr weit zurückgeworfen.“ Es war nicht das erste Mal, dass die Suche nach dem passenden Ort den Architekten einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Nachdem private und öffentliche Einrichtungen, Vereine, Parteien und Bürger das Projekt Lebenswert 2015 angestoßen hatten, richteten sie den Blick zunächst in Richtung Offwiese. Eine entsprechende Skizze hängt immer noch an der Wand des Architekturbüros.

Das könnte Sie auch interessieren

„Von der Offwiese aus ist die Innenstadt zu Fuß erreichbar“, erklärt Achim Achatz. „Es gibt direkte Anbindungen an öffentliche Verkehrsmittel.“ Sein Sohn Daniel ergänzt: „Ein weiterer positiver Nebeneffekt einer Bebauung: Der Stadtpark würde zu einem Stadtpark im eigentlichen Sinne, einem Park im Inneren der Stadt, werden.“

Von der Offwiese in die Nordstadt?

Da es den Lebenswert-Initiatoren jedoch nicht gelang, ihren Wunschstandort durchzusetzen, habe man sich mit der Stadtverwaltung auf die Knöpfleswies geeinigt. „Auch hier waren die Rahmenbedingungen erfüllt“, berichtet Achim Achatz. Nachdem sich eine Bürgerinitiative aber gegen eine Bebauung des Areals aussprach, nahm auch die Verwaltung Abstand von der Idee.

Mit diesem Bild verdeutlichte der SÜDKURIER im Winter 2019 den Konflikt um den Standort Knöpfleswies.
Mit diesem Bild verdeutlichte der SÜDKURIER im Winter 2019 den Konflikt um den Standort Knöpfleswies. | Bild: Tesche, Sabine

„Als Grund wurde die Klimaanalyse angeführt“, blickt der Singener zurück. „Es hieß, man benötige die Grünfläche für den innerstädtischen Klimaschutz.“

Das könnte Sie auch interessieren

Aus Sicht der Architekten ist das nur bedingt nachvollziehbar: „Wenn wir nach außen in die Fläche gehen, schaffen wir neue Bodenversiegelungen“, erklärt Michael Kolb. Die damit einhergehende Verschlechterung des Kleinklima wollen die Architekten aber vermeiden.

Nachverdichtung als Muss

„Wir sind nicht bereit, weitere Grünflächen im Außenbereich zu versiegeln, solange Singen über genügend Flächen zur Nachverdichtung verfügt“, betont Achim Achatz. „Es muss endlich auch in dieser Stadt verstanden werden, dass eine zukünftige Stadtentwicklung nur nach innen erfolgen kann und nicht auf der freien Wiese.“

Bild 2: Wohin mit dem neuen Quartier? Das Aus für den Standort Knöpfleswies hat das Projekt Lebenswert zurückgeworfen
Bild: Tesche, Sabine

Man spürt: Die drei Männer glauben an das von ihnen geplante Quartier, in dem Menschen aller Altersgruppen und sozialer Schichten bewusst gemeinschaftlich und ressourcensparend wohnen und arbeiten. Sie sind stolz, dass Lebenswert inzwischen sogar in eine bundesweite Arbeitsgruppe aufgenommen wurde, die sich mit gesellschaftlichen Veränderungen in Städten beschäftigt. Spürbar ist aber auch ihre Frustration. Einige Unterstützer des Projekts seien bereits desillusioniert ausgestiegen, berichtet Achim Achatz.

Stadt sagt Unterstützung zu

Ist die Suche nach einem geeigneten Quartierstandort festgefahren? Auf Anfrage des SÜDKURIER zeigt sich die Stadtverwaltung gesprächsbereit. Man unterstütze das Projekt Lebenswert nach wie vor und prüfe einen neuen Standort.

Das könnte Sie auch interessieren

Ein Hoffnungsschimmer für die Architekten? Sie würden sich jedenfalls freuen, sich noch einmal mit den Stadtverantwortlichen an einen Tisch zu setzen. Wenn nicht im Rathaus, dann sicher gerne in ihrer Kaffeeküche.