Egal, ob Alkohol-, Medikamente-, Drogen-, Nikotin-, Medien- oder Spielsucht, die Zahlen sind alarmierend. Lars Kiefer von der Singener Fachstelle Sucht legt Zahlen offen: „Im Jahr 2022 kontaktierten uns allein in Singen 700 Hilfesuchende. Die Mediensucht lag dabei nach Alkohol auf Platz zwei.“ Das Alter der Ratsuchenden liege zwischen zwölf und 78 Jahren, so Kiefer. Etwa 75 Prozent der Hilfesuchenden sind männlich. Das würde auch, so Kiefer, den bundesweiten Durchschnitt widerspiegeln.

Dabei sei die Leber geduldig, wie Internist Marcus Schuchmann erläutert. Als Chefarzt der Medizinischen Klinik im Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz (GLKN) weiß er, dass sogar eine Leberzirrhose anfangs symptomfrei verläuft. „Müdigkeit ist der Schmerz der Leber, heißt es – das gilt in der Regel aber erst für bereits fortgeschrittene Schäden“, erklärt er. Erhöhte Leberwerte tun nicht weh, sollten aber Anlass zur weiteren Abklärung geben. Das gilt vor allem, wenn die Werte wiederholt zu hoch sind. „Ich bin froh, dass nun beim Hausarzt ab 35 Jahre einmalig das Vorliegen einer Hepatitis B und C geprüft werden kann“, so Schuchmann.
Es sei wichtig, sein persönliches Risiko zu kennen: „Habe ich normale Leberwerte, oder nicht?“ Einer Leberverfettung könne man durch ausgewogene Ernährung und das Vermeiden von Übergewicht vorbeugen.
Eine Frage an den Facharzt
Das Thema kann jeden betreffen. Alkoholsucht zieht sich durch alle sozialen Schichten. Die Altersgruppe, die am stärksten betroffen ist, ist die der 45- bis 55-Jährigen.
Besonders zwischen 45 und 55 Jahren gefährdet
Zur Erklärung sagt Lars Kiefer: „Diese Altersgruppe ist noch einmal einem besonderen Druck ausgesetzt. Ansprüche im Berufsleben und im sozialen Umfeld, die Kinder sind in einem schwierigen Alter, manche haben zudem noch pflegebedürftige Eltern. Unter diesem Druck wird dann dank neuronaler Verknüpfungen das Suchtgedächtnis aktiv, erinnert sich an Erfahrungen mit Alkohol in der Jugend, wie er entspannt und enthemmt hat. Zusätzlich getriggert wird das noch durch die Werbung, die Alkohol mit Leichtigkeit, guter Laune und Wohlgefühl verbindet.“
Es sei also naheliegend, Alkohol wieder vermehrt zu konsumieren, gerade am Abend zur Entspannung. Das gelinge dann auch, man schlafe schneller ein, so Kiefer. In der Regel schlafe man aber nicht durch, sodass der Schlaf im Endeffekt nicht erholsam sei – der Alkoholkonsum aber nach und nach zunehme.
Die Fachstelle Sucht ist auf unterschiedlichen Ebenen tätig, geht mit Vorträgen, Aktionen, Workshops in unterschiedliche Einrichtungen und Betriebe. „Unsere Botschaft heißt nicht: Trinke nie (wieder) Alkohol, sondern unser Anliegen ist es, auf die sozialen und gesundheitlichen Folgen von Alkoholmissbrauch hinzuweisen und die Menschen hin zu einem risikoarmen Trinken mit Genuss zu bewegen“, so Kiefer.
Das Problem: Alkohol ist immer überall verfügbar
Er bemängelt, Alkohol sei immer und überall verfügbar, ebenso bei Einladungen, bei Festen wie auch Veranstaltungen. Viele würden gar nicht darüber nachdenken, dass man beispielsweise zu einer Einladung alternativ zur Flasche Wein durchaus auch ein Päckchen regional gebrannten Kaffee als Gastgeschenk mitbringen könnte. Paradoxerweise bekäme er nach seinen Vorträgen zum Thema Sucht hin und wieder „eine gute Flasche Wein“, als Dank.
Für schwierig hält er zudem den generellen Umgang mit Alkohol auf Großveranstaltungen. So zum Beispiel auf dem Festival Southside, bei dem gut 60.000 junge Menschen ein ganzes Wochenende gemeinsam feiern. Alkoholfreies Bier? Fehlanzeige! Die gleiche Erfahrung hatte Lars Kiefer jüngst in einem Fußballstadion gemacht.
Auf dem Southside Festival ist die Fachstelle Sucht seit einigen Jahren mit einem Infostand präsent. Generell wünscht sich Lars Kiefer – egal, um welche Art von Sucht es sich handelt – dass Menschen früher in die Beratung kommen. Wer vermutet, einen problematischen Konsum zu führen und vielleicht auch schon diesbezüglich angesprochen wurde, der solle bestenfalls einmal pro Jahr das Gespräch mit den Experten suchen.
Die Beratung sei ergebnisoffen, unverbindlich und kostenlos und die Fachkräfte unterliegen der Schweigepflicht. Wer dann wirklich feststellt, dass er ein Suchtproblem hat und dagegen ankämpfen möchte, der findet bei der Fachstelle Sucht nicht nur Beratung, sondern auch Unterstützung bei der Suche nach einer ambulanten oder stationären Therapie.