Keine Schule ist auch keine Lösung

Als die Corona-Pandemie unser Leben auf den Kopf stellte, war ich in der elften Klasse des Hegau-Gymnasiums in Singen und mitten in den Abiturvorbereitungen. Den 13. März 2020 werde ich nie vergessen, denn plötzlich hieß es in den Nachrichten: „Die Schulen bleiben bis auf Weiteres geschlossen.“ Das klang für uns Schüler fast zu schön, um wahr zu sein. So etwas hatte noch niemand von uns erlebt. Von heute auf morgen war die Schule dicht, ohne dass wir wussten, wie es weitergeht. Doch die anfängliche Euphorie verflog schnell. Spätestens nach ein paar Wochen war klar: Das hier sind keine verlängerten Ferien.

Videoschalte statt Präsenzunterricht in der Schule war Alltag während der Corona-Pandemie.
Videoschalte statt Präsenzunterricht in der Schule war Alltag während der Corona-Pandemie. | Bild: Laura-Madeleine Haunstein

Der Unterricht lief weiter, nur allein am Schreibtisch zu Hause, nicht zusammen in einem Klassenzimmer. Für uns Schüler der Oberstufe war das eine echte Herausforderung. Statt gemeinsam zu lernen, mussten wir uns den Prüfungsstoff selbst beibringen – ohne direkten Kontakt zu Lehrern oder Mitschülern. Mir war schnell klar, dass ich ohne Struktur nicht durchkomme. Also klingelte mein Wecker wie immer um 6.30 Uhr. Aufstehen, frühstücken, anziehen – als würde ich zur Schule gehen. Danach setzte ich mich an den Schreibtisch und arbeitete meine Aufgaben ab. Diese Routine half mir, dranzubleiben, auch wenn die Motivation nicht immer da war.

Das könnte Sie auch interessieren

Aber die Schulzeit ist eben mehr als nur Lernen. Was mir am meisten fehlte, waren die kleinen Dinge: Pausengespräche mit Freunden, Ausflüge und die Abschlussfahrt – alles fiel aus. Stattdessen gab es Videokonferenzen, in denen meist die Kameras ausblieben. So herausfordernd es war, konnten wir durch diese Zeit für uns persönlich eine ordentliche Portion an Selbstorganisation und Durchhaltevermögen mitnehmen. (lha)

Masken mit Blümchen und Schweinchen

Es gab während der Pandemie viele Regeln und Dinge, deren Bedeutung und Verwendung wir erst lernen mussten. Eines davon war die Maskenpflicht, die ab Ende April 2020 zuerst nur für den öffentlichen Nahverkehr und fürs Einkaufen galt. Die ersten Exemplare waren die selbst genähten Alltagsmasken aus Stoff. Da ich keine Begabung fürs Nähen habe, wurde ich von Freundinnen mit Masken versorgt, eine mit Blümchen, die andere mit kleinen Schweinchen drauf. Der Nasenbügel war aus Draht, ein Gummizug befestigte die Maske hinter den Ohren.

Lukas und Jacqueline Weiß im April 2020 – mit Stoffmasken, die damals, in der Frühphase der Pandemie, üblich waren.
Lukas und Jacqueline Weiß im April 2020 – mit Stoffmasken, die damals, in der Frühphase der Pandemie, üblich waren. | Bild: Weiß, Jacqueline

Die Masken waren mit viel Liebe gemacht, boten aber, wie sich dann herausstellte, wenig Schutz. Sie wurden von medizinischen und FFP2-Masken abgelöst. Ab da war immer eine Packung mit frischen Masken im Haus, schließlich mussten sie mehrmals am Tag gewechselt werden. Masken, Corona-Tests und Klopapier zu kaufen, war beim Gang in den Drogeriemarkt Pflicht. Ich persönlich fand das Masken-Tragen nicht schlimm, weil ich sie nicht viele Stunden am Stück tragen musste.

Das könnte Sie auch interessieren

Unangenehm wurde es für diejenigen, die die Maske den ganzen Tag zum Beispiel in der Schule oder in der Pflege aufhaben mussten. Mein Sohn wollte irgendwann keine Maske mehr aufziehen, weil es darunter ständig feucht war und das Atmen schwerfiel. Es gab und gibt auch Zeitgenossen, die die Maske unter der Nase oder dem Kinn trugen, wo sie wenig Sinn machten. Nach fast drei Jahren, in denen die Maske zum Alltag gehörte, wurde die Maskenpflicht Anfang Februar 2023 abgeschafft. Masken sieht man heute nur noch beim Arzt, wo sie weiter sinnvoll sind und Schutz vor Infektionen bieten. (jac)

Was für eine verrückte Jagd nach Impfstoff

Selten haben wir uns so über einen Arzttermin gefreut wie während der Corona-Pandemie. Und selten waren solche so schwer zu bekommen. Das galt nicht einmal fürs Testen, ob das Virus schon zugeschlagen hatte. Sondern das war vor allem bei Impfterminen der Fall. Ja, genau bei der lästigen Sache, die wir seit Kindertagen alle paar Jahre über uns ergehen lassen. Während der Pandemie bekam die Spritze eine ganz neue Bedeutung, denn sie bedeutete Schutz für mich und andere, aber auch Freiheit angesichts der Einschränkungen.

Rosemarie Bernhardt-Clericus wurde im Kreisimpfzentrum in Singen gegen das Coronavirus geimpft – nach Wochen der Terminsuche.
Rosemarie Bernhardt-Clericus wurde im Kreisimpfzentrum in Singen gegen das Coronavirus geimpft – nach Wochen der Terminsuche. | Bild: Arndt, Isabelle

In Rekordzeit entwickelten Wissenschaftler einen Impfstoff. Und dann gab es vor allem eine Frage: Biontech, AstraZeneca oder Moderna? Wer hätte gedacht, dass wir einmal so über solche Details fachsimpeln würden. Und dass wir selbst im engsten Umfeld so erbittert über die Impfung debattieren, ja streiten würden. Selten hielten sich so viele Menschen für Experten in einer Sache, die doch ziemlich komplex ist.

Dabei konnte sich lange glücklich schätzen, wer überhaupt eine Impfung erhalten durfte. Denn wir erinnern uns: Das Vakzin gab es anfangs nur für ältere Menschen oder solche, die es wegen ihres Berufs oder ihres Umfelds dringend brauchten. Erstaunlich, wie viele junge Menschen auf einmal ihre alten Großeltern gepflegt haben, oder? Meine Mutter kam wegen ihres Alters infrage, doch es gab viel zu wenige Termine. Das Impfzentrum in Singen war nach einigen Versuchen die Lösung. Erst Monate später erhielt ich selbst den ersten Piks – und bin dafür extra nach Tübingen und für die zweite Impfung sogar nach Stuttgart gefahren. Und doch war ich dankbar wegen all dem, wofür die Impfung stand. Es waren wirklich verrückte Zeiten. (isa)

Familie bedeutet nicht immer die eigene

Weihnachten, das Fest der Liebe und der Familie. Doch hat die Pandemie gerade zu den Feiertagen so einige Familien auseinandergerissen. Sei es durch Reise-Verbote oder Quarantäne-Auflagen. Einfach so die Familie zu besuchen, war auf einmal eine logistische Meisterleistung. Weihnachten 2020 wurde ich selbst von meiner Familie getrennt. Meine Schwester, seit vielen Jahren wohnhaft in England, wagte den Heimflug über die Feiertage. Trotz des Tragens einer Maske im Flugzeug fiel ihr PCR-Test kurz nach der Ankunft, mit dem sie sich frühzeitig aus einer zweiwöchigen Quarantäne befreien wollte, positiv aus. Nicht nur saß sie in Quarantäne fest, sondern auch meine Eltern, bei denen sie angekommen war.

Anna-Maria Schneider und Familienhund Pete zu Weihnachten 2020.
Anna-Maria Schneider und Familienhund Pete zu Weihnachten 2020. | Bild: Schneider, Anna-Maria

Und ich, als einzige noch nicht Teil dieses Haushalts geworden, musste draußen bleiben. Zum Trost – und weil ich mich ja noch legal draußen aufhalten durfte – holte ich den Familienhund ab und verbrachte einsame Feiertage, ohne Baum, ohne Geschenke, ohne Familie. Ein Festessen am Heiligabend gab es dennoch: Rinderfilet mit Rotkohl und Schupfnudeln für mich, eine Dose Wildragout in Sauce für den Hund.

Das könnte Sie auch interessieren

Und in der Krise wurden neue Freundschaften geschlossen: Von meiner misslichen Lage mit Mitleid erfüllt, lud mich kurzerhand mein damaliger Chef zu sich und seiner Familie zum ersten Weihnachtsfeiertag ein. Sie hatten wegen der Corona-Pandemie nämlich ebenfalls keinen Familienbesuch über die Feiertage bekommen. Auch das hat die Pandemie gezeigt: Familie heißt nicht zwingend immer die eigene. Das schneidersche Weihnachtsessen wurde übrigens an Silvester nachgeholt. Erkrankt war nämlich niemand in dem Haushalt, Mama, Papa und die Schwester langweilten sich zwei Wochen lang zu Tode in den eigenen vier Wänden. (ans)

Wichtig ist das neue Richtig

Wer heiraten will, der braucht eine besonders lange Liste an Dingen, an die er unbedingt denken muss. Dabei lernen vor allem Männer ganz neue Dinge kennen: Hussen für Stühle, wer kennt sie nicht? Wer braucht sie nicht? Doch eine Heirat während der Corona-Pandemie ist im Vergleich dazu nichts, wirklich gar nichts. Denn die Liste, an die man denken muss, wurde im Jahr 2021 immer länger. Und gefühlt hat sie sich damals täglich geändert.

Heiraten während Corona – keine einfache Sache.
Heiraten während Corona – keine einfache Sache. | Bild: Sabine Tesche

Vor allem mit Blick auf die Teilnehmerzahlen. Maximal fünf Personen, höchstens 25, auf gar keinen Fall 500. So oder so ähnlich ist es mir in Erinnerung geblieben. Vielen war dieses Hickhack zu viel und sie haben die Hochzeit abgeblasen. Die Günterts allerdings nicht, sie haben sich getraut. Und zwar mit genau den Menschen, die an einer Hochzeit dabei sein sollten – und dies sind die wichtigsten. Die Anzahl spielt dabei keine Rolle. (mgu)

Auch die Einschulung ist im Freien

Wenn neue Kinder in die Schule kommen, ist das heutzutage eine feierliche Angelegenheit. Dazu gehören eine Rede der Schulleiterin und ein Auftritt des Schulchors. Und das macht man – richtig – am besten drinnen, in der Pausenhalle. Damit alle auch alles gut hören können. Doch diesen lange eingeübten Ablauf der Einschulung in unserem Ort hat die Corona-Pandemie zum Einsturz gebracht. Plötzlich fand man sich im September 2020 draußen auf dem Schulhof wieder – glücklicherweise ohne Regen.

Vincent Freißmann mit Schultüte – draußen auf dem Schulhof, wie am Grün der Bäume gut zu erkennen ist.
Vincent Freißmann mit Schultüte – draußen auf dem Schulhof, wie am Grün der Bäume gut zu erkennen ist. | Bild: Diana Freißmann

Für die stolzen Eltern waren die Stühle in Zweiergrüppchen auf dem Schulhof aufgestellt. Klar, jede Familie war ihre eigene Infektionseinheit, in der man zusammen sein durfte. Die einzelnen Einheiten wiederum mussten für den Gesundheitsschutz natürlich ausreichend Abstand zueinander haben. Der Ausnahmezustand in der Schule hat sicher Infektionen verhindert. Dennoch vermisst ihn niemand. (eph)