Die Lebensgeschichte von Mona Schramm rührt zu Tränen. Ihr Vater setzte das Mädchen namens Jyoti in einem indischen Tempel aus, verschwand und rief die Polizei. Dann kommt das Mädchen zuerst in ein staatliches, dann in ein privates Kinderheim. Vermittlungsversuche scheitern. Eine Ordensschwester aus Hegne nimmt sich des Kindes an und vermittelt Jyoti und ihre fünfjährige Schwester an eine Familie im Hegau. Zu dritt fliegen sie von Neu Delhi nach Deutschland. Im Flughafen Frankfurt sehen die zwei Mädchen zum ersten Mal ihre Adoptiveltern. Und dann geht es schnurstracks in die neue Heimat, wo die beiden Mädchen ihre Kindheit verbringen werden. Die Schwester aus Hegne begleitet sie noch.

Das ist über 31 Jahre her. Jyoti ist heute 34 Jahre alt und heißt mit deutschem Namen Mona Schramm. Sie berichtet, dass sie ihren Adoptiveltern unglaublich dankbar ist. Und: „Wenn ich für etwas wirklich sehr dankbar bin und mich regelmäßig bei Gott bedanke, dann ist es, dass er mir meine Schwester an die Seite gestellt hat. Sie ist meine Erinnerung an Indien“, sagt sie heute.

Einerseits schluckt die 34-Jährige heute noch, wenn sie von den ersten Jahren ihres Lebens berichtet. Andererseits sagt sie auch: „Weil ich weiß, wie sich Zerrissenheit anfühlt, weiß ich auch, wie sich Verbundenheit anfühlt.“ Da sie in den eigenen Schmerz hinein gegangen sei, könne sie auch liebevoll und verständnisvoll gegenüber anderen sein. Sie sei sehr intuitiv und schaffe es auch, Verbindung aufzubauen zwischen Menschen. Aus diesem Grund könne sie Menschen helfen, die richtige Berufung zu finden. Beim Verein Intergration in Singen (Insi) unterstützt sie als stellvertretende Vorsitzende Menschen mit Migrationshintergrund.

Es ist noch gar nicht so lange her, dass Mona Schramm das erste Mal den Hindu-Tempel in Singen besucht hat.
Es ist noch gar nicht so lange her, dass Mona Schramm das erste Mal den Hindu-Tempel in Singen besucht hat. | Bild: Marvin Ströble.

2015 war sie Heimleiterin der Kreissporthalle Singen – dort haben auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle 190 Männer aus sieben Ländern gelebt, wie sie berichtet. Die Tätigkeit habe sie inspiriert, eine Vermittlerrolle einzunehmen, zwischen den Deutschen und den Zugewanderten. Denn beide Seiten hätten nachvollziehbare Unsicherheiten. Sie hilft Menschen, ihre Berufung zu finden. Dies macht sie beruflich für einen privaten Bildungsträger. Und auch darüber hinaus bietet sie Lebensberatung an – und will Menschen helfen, Klarheit und Heilung zu finden.

Erst der Tempel, dann erstmals zurück nach Indien

Bisher habe sie immer dieses Bild mit sich herum getragen: In Indien hättest du keine Zukunft gehabt. Deine Mutter ist gestorben, dein Vater hat dich ausgesetzt. Vermittlungsversuche sind gescheitert. Seit sie damals mit der Ordensschwester aus Hegne Indien verlassen hat, war sie nie wieder dort.

Das könnte Sie auch interessieren

Nun gab es einen ersten Schritt in Richtung Versöhnung: In Singen war sie zum ersten Mal im Hindu-Tempel. Ihr sei es mulmig gewesen. Aber sie habe gedacht: „Mein bester Freund Marvin ist dabei. Der ist zwei Meter groß. Der passt auf mich auf.“ Nach zwei Stunden im Tempel konnte sie ihre Ängste ablegen, wie sie berichtet. Sie habe zum ersten Mal einen Sari getragen.

Bald will die 34-Jährige noch einen weiteren Schritt gehen: „In den nächsten Jahren möchte ich endlich mal nach Indien reisen.“