In Deutschland kommen die Gäste gewöhnlich zum Geburtstag vorbei. Bei Stavros Tachtalis stehen die Besucher aber an einem Tag im September vor der Tür, obwohl er da gar nicht Geburtstag hat. Die griechische Kultur ist der Grund, warum er dann Besuch bekommt. „Da ist nämlich mein Namenstag“, verrät Tachtalis. Dieser habe bei den Griechen eine größere Bedeutung als der Geburtstag.

Doch der Reihe nach: „Mein Vater und meine Mutter sind 1964 nach Singen gekommen“, berichtet der 59 Jahre alte Tachtalis. Das erste, was sie gesehen hätten, sei die Leuchtreklame der Maggi gewesen. Davon berichten die Eltern noch heute. Wie viele andere Gastarbeiter wollten diese ein paar Jahre Geld in Deutschland verdienen und dann zurück ins Herkunftsland. Drei Söhne sind in Deutschland auf die Welt gekommen, alle drei leben heute noch in Singen. Stavros ist der älteste Bruder. Seine Ehefrau Vicky Archonti (52) ist ebenfalls als Tochter von Gastarbeitern in München geboren.

Vicky und Stavros haben für längere Zeit im Herkunftsland ihrer Eltern gelebt, obwohl beide in Deutschland geboren sind. Vicky Archonti hat in Athen studiert, Geschichte und Archäologie. Stavros wurde von seiner Firma für acht Jahre nach Athen geschickt. Der griechischstämmige Singener hatte bei Schiesser in Radolfzell gelernt: Textilmechaniker. Später wurde er staatlich geprüfter Textiltechniker. Seit vielen Jahren ist Stavros Tachtalis inzwischen in der Schweiz als Qualitätsingenieur in der Medizinbranche tätig.

Seine Frau ist Lehrerin an der Bruderhofschule. „Ich fühle mich hier sehr wohl“, betont die 52-Jährige. Sie habe liebe Arbeitskollegen, die sie wie selbstverständlich aufgenommen hätten. Die gemeinsame Tochter der beiden ist 13 Jahre alt, besucht das Hegau-Gymnasium und lebt in dritter Generation in Singen.

Stavros Tachtalis glaubt nicht, dass es ein perfektes Land gibt. Mit seiner Familie genießt er die Vorteile aus beiden Kulturen.
Stavros Tachtalis glaubt nicht, dass es ein perfektes Land gibt. Mit seiner Familie genießt er die Vorteile aus beiden Kulturen. | Bild: Uli Zeller

Stavros Tachtalis bringt sich in seiner Heimat ein, ist Vorsitzender im griechisch-deutschen Kulturverein Aphrodite und gehört im Integrationsverein Singen (Insi) zum erweiterten Vorstand. Seine Frau gibt ehrenamtlich Griechisch-Unterricht für griechische Kinder. „Damit sie die griechische Kultur kennenlernen“, erklärt sie.

Griechenland punktet mit frischem Fisch

Auch in anderer Hinsicht ist die Herkunft der Eltern präsent, nämlich kulinarisch. „Für Griechen ist Souvlaki und Gyros nur Fastfood.“ Sie selbst kochen und essen auch griechisch – zum Beispiel Fischsuppe, Muscheln oder Austern. Auch wenn sie in Griechenland sind, würden sie dort immer frischen Fisch aus dem Meer essen. Denn Fleisch bekomme man auch hier in Singen.

Von ihren Reisen nach Griechenland bringen sie gerne vom Markt frische Gewürze mit, wie sie erzählen. Zum Beispiel Oregano, Kreuzkümmel, geräucherte Paprika oder Piment, womit man Fleisch würzt.

In der Wohnung in Singen stehen auch Ikonen wie diese von Maria und Jesus.
In der Wohnung in Singen stehen auch Ikonen wie diese von Maria und Jesus. | Bild: Uli Zeller

Die Heimat von Tachtalis Eltern ist in Nordgriechenland. Der Ort heißt Drama. Ein Wort, das man hier auch kennt. Bei den Griechen hätten viele Wörter eine Bedeutung. Zum Beispiel auch der Vorname Stavros. Übersetzt bedeutet er: Kreuz. Der griechisch-orthodoxe Glaube ist für die beiden sehr wichtig, erklären sie, in der Wohnung hängen entsprechend verschiedene Ikonen.

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Archontis Vorfahren stammen aus Volos. Das liegt zwischen Athen und Thessaloniki. Unweit des Strandes. „In fünf Minuten ist man von dort aus zu Fuß an die Promenade gelaufen und kann am Strand einen Kaffee trinken“, sagt sie. In Singen wohnen sie dagegen fünf Gehminuten vom Bahnhof entfernt.

Einteilen in besser oder schlechter wollen sie Griechenland und Deutschland nicht. „Man muss von jedem Land das Beste behalten“, sagt Vicky Archonti. Und Stavros Tachtalis betont: „Ein perfektes Land gibt es nicht.“