Keine Frage: Der Singener Einzelhandel hat wie andernorts mit Strukturproblemen zu kämpfen. Die verordneten Corona-Schließungen erwiesen sich als weitere Bürden. Denn der Internet-Handel blühte in diesen Zeiten auf. Und nun das von Otto Schweizer für das Frühjahr verkündete Aus seines Sporthauses, das eine langjährige Tradition hatte. Wie in den vergangenen Jahren viele andere von den Kunden geschätzten Geschäfte des Einzelhandels in der Singener Innenstadt.
Mieten sind ein schwieriges Thema
„Der Verlust trifft uns hart. Vor allem den Handel in der Hegaustraße, aber auch in der gesamten Innenstadt“, erklärt Hans Wöhrle, Vorsitzender des Singener Einzelhandelsverbandes. Er sieht aber wie Claudia Kessler-Franzen den Singener Handelsstandort gut aufgestellt. Die Geschäftsführerin der Marketingvereins Singen Aktiv und Wirtschaftsförderin der Stadt Singen will den Einkaufsstandort Singen trotz Rückschlagen mit ihrem Team voranbringen. „Wir stehen in Kontakt zu vielen Einzelhändlern. Dazu haben auch Gespräche bei Messen beigetragen“, betont sie.
Es gehe aber auch darum, mit Eigentümern eindringlich zu verhandeln. „Diese bieten die Verkaufsflächen zur Miete oder Pacht an. Gerade bei langjährigen Verträgen gestaltet sich der Abschluss von neuen Kontrakten nicht immer einfach, wenn Geschäfte ausziehen“, berichtet Claudia Kessler-Franzen.
Er will sich aufs Kerngeschäft konzentrieren
Das Sporthaus Müller konzentriert sich nach der Aufgabe seines früheren Stammsitzes in Schwenningen voll auf den Standort Singen. Dabei setzt Geschäftsführer Alexander Kupprion auf die eigene Firmenphilosophie. „Wir haben auch kein Problem damit, dass im Einkaufszentrum Cano ein Sportgeschäft mit einer riesigen Verkaufsfläche die Kunden lockt. Das Cano trägt zu einer Bereicherung für Singen als Einkaufsstadt bei“, betont er.
Die Herausforderung sei eine ganz andere. „Wir müssen uns der zunehmenden Konkurrenz des Internet-Handels stellen. Obwohl wir den selbst auch bedienen. Mächtigen Druck macht aber auch, dass Lieferanten – wie von Marken-Waren – über Outlet-Center ihrer Artikel auch unserer Region direkt anbieten“, sagt er. Dabei gilt auch die Konzentration auf das Kerngeschäft des Sporthauses. Auf Randsortimente, wie im Bereich Bekleidung, soll künftig verzichtet werden.

Mögliche Bestrebungen, im Sporthaus Schweizer nach dessen Schließung, Segmente zu übernehmen, gebe es nicht. Auch Kupprion sieht trotz allgemeinen Widrigkeiten, die er vor allem ursächlich der Politik vorwirft, die Einkaufsstadt Singen bestens aufgestellt.
Preissteigerungen machen das Leben schwer
„Dazu tragen nicht nur die vielfältigen Geschäfte, sondern auch die reichhaltige Gastronomie bei. Die Infrastruktur passt. Es gibt ausreichend Parkmöglichkeiten. Und die Anbindung an den Personen-Nahverkehr ist hervorragend. Insgesamt kann Singen als Einkaufsstadt wesentlich besser punkten, als beispielsweise Konstanz“, streicht Kupprion heraus. Er wohnt selbst in Konstanz. Dort werde aber auch wegen der besonderen See-Lage eher flaniert, statt gezielt konsumiert.
„Wir wollen mit einer intensiven, gezielten und persönlichen Beratung dagegen halten“, erklärt Kupprion. Ein Manko sieht er darin, dass die Menschen durch jüngste Preissteigerungen, wie bei der Energie, verunsichert seien. „Dagegen war Corona Kindergeburtstag“, beschreibt der Geschäftsführer des Sporthauses Müller.
Martinimarkt ist ein Hoffnungsschimmer
Der Singener Weihnachtsmarkt wurde mangels interessierten, weil auch verhinderten Beschickern abgesagt. Das bedauern Hans Wöhrle und Claudia Kessler-Frantzen. Ein kleiner Ersatz steht in Planung. Der Blick geht aber hoffnungsvoll auf den Singener Martini-Markt in Verbindung mit einem verkaufsoffenen Sonntag am 6. November.

„Wir versprechen uns eine große Zugkraft. Und hoffen darauf, dass die Menschen nicht nur flanieren, sondern auch einkaufen“, sagt Hans Wöhrle. Er war selbst Inhaber von zwei Singener Schuhgeschäften und einem weiteren in Villingen, die er alle seinem Sohn Falk übergeben hat. Eines davon bedient die Kunden in der Hegaustraße.
Hegaustraße hat an Frequenz eingebüßt
„Seit einigen Jahren ist die Hegaustraße Fußgängerzone. Wir haben viele Anstrengungen unternommen, ein attraktives Ambiente zu gestalten. Von daher trifft uns die Aufgabe von Sport Schweizer im Zentrum der Hegaustraße empfindlich“, so Wöhrle. Auch durch den Umzug des Drogeriemarktes Müller in das Cano-Einkaufszentrum habe die sogenannte „sympathische Einkaufsstraße“ an Frequenz eingebüßt, obwohl ein Bio-Markt als Nachfolgegeschäft gut angenommen werde.
War früher alles besser?
„Viele Fachgeschäfte, die Inhaber geführt haben, sind verschwunden oder haben ihren Betrieb an Nachfolger übergeben“, so Wöhrle. Er wirft einen Blick auf die Zeit zurück, als noch Bekleidungshaus Schoch, Haushaltswaren Öxle, weithin bekannte Schuhgeschäfte in der Scheffelstraße präsent waren.

Die Entwicklung habe vor allem damit zu tun, dass keine familiären Nachfolger die Geschäfte übernehmen wollten. „Es gibt wesentlich attraktivere berufliche Möglichkeiten, als dies ein Inhaber oder Leiter eines Geschäftes hat. Die stecken viel Herzblut hinein. Sie müssen aber auch eine Wochenarbeitszeit von 50 bis 60 Stunden oder mehr in Kauf nehmen“, betont Wöhrle.