Positive Nachrichten für die Bahnstrecke Singen-Etzwilen: Jetzt ist das Ergebnis der Machbarkeitsstudie da und sie besagt, dass die Strecke wirtschaftlich betrieben werden kann. Doch es gibt auch Kritiker: Die Bürgerinitiative RiWo-Bahn spricht in einem offenen Brief an die Gemeinderäte von Mauschelei und dass das Projekt von Verantwortlichen nicht objektiv geprüft wird.

Hintergrund der Studie ist, dass das Land Baden-Württemberg den öffentlichen Nahverkehr bis zum Jahr 2030 verdoppeln will und die Reaktivierung von stillgelegten Bahnstrecken als einen wichtigen Beitrag dazu ansieht. In einer Potenzialstudie ließ das Land 42 Bahnstrecken in Baden-Württemberg hinsichtlich ihres Fahrgastpotenzials untersuchen.

Das Gleis Richtung Ramsen führt mitten durch Rielasingen, hier der Blick von der Hegaustraße in Fahrtrichtung Ramsen.
Das Gleis Richtung Ramsen führt mitten durch Rielasingen, hier der Blick von der Hegaustraße in Fahrtrichtung Ramsen. | Bild: Weiß, Jacqueline

Mehr als 30 Strecken wurde bei der Vorstellung Ende 2020 ein relevantes Fahrgastpotenzial bescheinigt – darunter auch der Strecke von Singen nach Ramsen/Etzwilen. Fördermittel vom Bund für eine Reaktivierung gibt es aber nur, wenn geprüft ist, ob die Strecke wirtschaftlich betrieben werden kann. Deshalb haben Singen und Rielasingen-Worblingen die Machbarkeitsstudie 2023 in Auftrag gegeben.

Jetzt ist das Ergebnis da und die Studie wird am Dienstag, 12. November, um 18 Uhr in der Talwiesenhalle in Rielasingen öffentlich vorgestellt. Dabei sein werden Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler, Bürgermeister Ralf Baumert, das Fachbüro Traffic solutions, die Nahverkehrsgesellschaft des Landes und das Landesverkehrsministerium.

Studie prüft zwei Varianten

Die Machbarkeitsstudie, die vom Fachbüro Traffic solutions erstellt und jetzt auch im Internet veröffentlicht wurde, untersuchte die Wirtschaftlichkeit zweier Varianten der Strecke: zum einen die Strecke Singen-Ramsen mit einer Reaktivierung und Betrieb im Schienenpersonennahverkehr auf deutscher Seite zum anderen die grenzüberschreitende Variante Singen-Etzwilen.

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Im ersten Fall würde die zwischen Singen und Schaffhausen fahrende S-Bahn (S 62 Rhyhas) über Rielasingen bis Ramsen weiterfahren. Im zweiten Fall würde die Zürcher S-Bach (S 29) ab Stein am Rhein von Winterthur kommend über Hemishofen, Ramsen und Rielasingen fahren. In beiden Fällen kommt die Studie zu einem positiven Ergebnis.

Sie kommt zu dem Schluss, „dass die Streckenreaktivierung in einem so hohen Umfang Nutzen stiftet, dass damit die Kosten bei weitem gedeckt und weiterer Nutzen dauerhaft gestiftet würden“. Dieser positive Effekt der Strecke bleibe auch dann erhalten, wenn die Stresstests der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg, mit steigenden Kosten und einer sinkenden Inanspruchnahme, erfolgreich durchlaufen würden. Für beide Varianten lasse sich im Vergleich zu keiner Reaktivierung ein eindeutiger volkswirtschaftlicher Nutzen nachweisen und sie seien beide förderfähig.

Kosten sollen bei rund 21 Millionen Euro liegen

Kosten soll die Reaktivierung zwischen Singen und Ramsen laut der Studie rund 21,5 Millionen Euro. Vom Bund wäre eine Förderung von 90 Prozent für den Bau der Infrastruktur möglich und das Land könne die restlichen Kosten mit rund 58 Prozent bezuschussen. Die Studie gibt die Eigenmittel des Antragstellers mit rund einer Million an.

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Damit moderne Eletro-Triebzüge auf der Strecke fahren könnten, müssten laut Studie zum Beispiel eine Oberleitung gebaut, gesicherte Bahnübergänge erstellt und barrierefreie Bahnhaltestellen in Singen-Eisvogel, Singen-Schnaidholz, Rielasingen Industriegebiet, Arlen-Rielasingen und Rielasingen-Talwiesen eingerichtet werden.

Die Stadtverwaltung Singen will sich trotz des positiven Ergebnisses aber noch nicht grundsätzlich dazu äußern, ob eine Reaktivierung realistisch wäre. „Es gibt hier keinen Grund zur Eile“, erklärt Pressesprecher Stefan Mohr auf Nachfrage. Neben der öffentlichen Vorstellung werde es auch Gespräche mit den Regierungsbehörden der Schweiz geben, da die Studie Schweizer Interessen berühre. In einem weiteren Schritt würden die Gemeinderäte in Singen und Rielasingen-Worblingen entscheiden, ob das Projekt weiterverfolgt werde.

Bürgerinitiative wehrt sich gegen Reaktivierung

Eine Reaktivierung der Strecke löst aber nicht nur Begeisterung aus: Die Bürgerinitiative RiWo-Bahn, die von Anwohnern der Strecke gegründet wurde und deren treibende Kraft Yvonne und Ingo Brunnenkant sind, macht schon länger auf die aus ihrer Sicht negativen Folgen einer Reaktivierung aufmerksam. Sie kritisiert, dass einseitig Lobbyarbeit für eine Reaktivierung gemacht werde, wie zuletzt beim ‚Tag der Schiene‘, bei dem auf der Strecke gefahren werden konnte.

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Die Bürgerinitiative ist der Meinung, dass die Diskussion von Profiteuren einer Reaktivierung bestimmt werde und eine objektive Bewertung nicht stattfinde. Mit Profiteuren meine sie die Strecken-Eigentümer, Stiftung Museumsbahn, die, so die Bürgerinitiative, „ihre marode, unsichere Bahnstrecke auf Staatskosten in Millionenhöhe sanieren und unterhalten lassen möchte“, wie es in dem offenen Brief heißt.

Problematisch ist aus ihrer Sich die Position von Bürgermeister Ralf Baumert, der gleichzeitig erster Vorsitzender des Fördervereins Museumsbahn Singen-Rielasingen ist. Diese Tatsache werde auch nicht öffentlich gemacht. Die Bürgerinitiative sieht hier einen Interessenkonflikt: Einerseits solle Baumert sich als Bürgermeister uneigennützig für die Interessen der Bürger einsetzen, andererseits setze er sich als Vorsitzender des Vereins für die Reaktivierung der Strecke ein.

Bürgermeister Ralf Baumert sieht keinen Interessenkonflikt.
Bürgermeister Ralf Baumert sieht keinen Interessenkonflikt. | Bild: Maximilian Terwiel

Das sagt der Bürgermeister

Bürgermeister Ralf Baumert sieht auf Nachfrage diesen Konflikt nicht, er habe als Privatperson das Amt des ersten Vorsitzenden übernommen und erklärt: „Als Bürgermeister vertrete ich die Interessen der gesamten Gemeinde, als Privatperson vertrete ich in meiner Freizeit ehrenamtlich den Verein.“

Die Aufgabe des Vereins sei der Erhalt lebendiger Eisenbahnatmosphäre vergangener Epochen, die Traditionspflege und die Durchführung historischer Zugfahrten. Er habe nie ein Geheimnis aus seinem Ehrenamt gemacht und halte auch bei Entscheidungen im Gemeinderat das Neutralitätsprinzip ein, sodass eine objektive Entscheidungsfindung gewährleistet sei.

Der Verein ist in der Machbarkeitsstudie auch nicht als finanzieller Unterstützer der Studie aufgeführt: Sie werde vom Landkreis Konstanz unterstützt, heißt es dort, weil dessen Nahverkehrsplan die Reaktivierung anstrebt, sowie vom Verein zur Erhaltung der Eisenbahnlinie Etzwilen-Singen (VES).