Krebserkrankungen sind die zweithäufigste Todesursache in Deutschland und es wird viel geforscht und entwickelt, um die Behandlung von Krebspatienten zu verbessern. Doch wie kann die Digitalisierung Patienten und auch dem Klinikpersonal das Leben leichter machen? Eine Antwort darauf suchen das Unternehmen MPS Medizinische Planungssysteme GmbH und die Kliniken Singen, Zürich, Freiburg und St. Gallen unter der Regie des Gesundheitsnetzwerks Biolago.
Sie arbeiten gemeinsam am Projekt Chemo Pro, in dem seit einem Jahr eine digitale Informationsplattform entwickelt wird, die klinikinterne Therapiedaten bündelt. Das Projekt, das drei Jahre läuft, wird als Leuchtturmprojekt mit 1,3 Millionen Euro vom Land und von der EU unterstützt.
Zusammenspiel der Daten fehlt
Eine digitale Plattform kann den Chemo-Prozess unterstützen, weil viele Schritte nötig und viele Mitwirkende an der Therapie beteiligt sind. Das reicht von der Diagnose über die Therapieplanung, der Herstellung der Medikamente bis hin zur klinikinternen Datenanalyse und der Meldung ans Landeskrebsregister. „Bisher fehlt das Zusammenspiel der Daten im Prozess und Ziel ist es, den gesamten Chemo-Prozess ohne Medienbrüche zu unterstützen“, erklärt MPS-Geschäftsführer Markus Ruch.
Professor Jan Harder, Chefarzt der Onkologie und Leiter des Krebszentrums Hegau-Bodensee, erklärt, wie es bisher ablief: „Die Daten und Werte müssen von einem System ins andere übertragen werden.“ Das habe sich ein Jahr nach dem Start schon verbessert, bei vier der neun Schritte im Chemo-Prozess finde die Übertragung der Daten bereits statt, berichtet der MPS-Geschäftsführer. Am Ende des Projekts soll Chemo Pro marktreif sein (und auch in anderen Kliniken eingesetzt werden können).
Patienten sollen vom Projekt profitieren, weil Ärzte und Pflegepersonal dann mehr Zeit für sie haben, wenn sie weniger Zeit mit dem Erfassen von Daten verbringen. Auch die Fehlerrate bei Planung, Zubereitung und Anwendung der Medikamente lasse sich bei immer komplexer werdenden Therapiemöglichkeiten verringern, erklärt Michael Statnik von Biolago. Die Diagnose allein sei für die Patienten ein Schock, deshalb könne es ihnen schwerfallen, alle Therapieschritte im Blick zu behalten, berichtet Klinik-Pressesprecher Nils Torke. Da könne eine digitale Informationsplattform unterstützen.
Auch bei einem Wohnortwechsel kann Chemo Pro hilfreich sein. Damit könnten alle Daten zur Chemo-Therapie in der elektronischen Patientenakte gespeichert werden. Die Behandlung könne dann am neuen Wohnort nahtlos fortgesetzt werden. Das sei aktuell noch ganz anders, da bekomme der Patient einen Patientenpass. „Das ist momentan Steinzeit“, sagt Chefarzt Harder.
Das Projekt ChemoPro kostet insgesamt rund 2 Millionen Euro, die Förderung im Programm „Interreg – Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein“ beträgt 1,3 Millionen Euro. Mit dem Interreg-Programm soll die Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg in Europa gestärkt werden. Es ist entstanden aus der Biolago-Initiative „Smart Health Region 2025“, das eine bessere Gesundheitsversorgung durch Digitalisierung und künstliche Intelligenz zum Ziel hat. Die restlichen Kosten tragen die beteiligten Unternehmen.
Biolago bringt Akteure zusammen
Das Gesundheitsnetzwerk Biolago hat die Mitwirkenden im Projekt zusammengebracht und die Fördermittel eingeworben. Die Fördermittel seien ein entscheidender Faktor gewesen, das Projekt anzugehen, erklärt Markus Ruch von MPS. „Dass das Projekt als Leuchtturmprojekt eingestuft ist, bedeutet, dass es über die Region hinausstrahlt und beispielhaft für andere ist“, erklärt Michael Statnik. Diese Tatsache sei für alle Beteiligten motivierend und trage dazu bei, den zusätzlichen Arbeitsaufwand in den Kliniken zu stemmen.
Andererseits hat das Projekt zum Ziel, dass auch kleinere Klinikstandorte von der Digitalisierung und Modernisierung profitieren und so eine hochwertige, wohnortnahe Versorgung gewährleistet werde. Die Einbindungen von Kliniken ins Projekt sei von großer Bedeutung, sagt MPS-Geschäftsführer Markus Ruch.
Die Entwickler müssten mit den Praktikern sprechen, wie die Arbeitsabläufe seien. Außerdem müssten die Lösungen vor Ort auf ihre Alltagstauglichkeit getestet werden. Wenn das Pflegeteam die Anwendung akzeptiere, sei das ein gutes Zeichen. Das Projekt sei auf einem guten Weg, sind sich alle Beteiligten einig. 2027 wird sich zeigen, ob die digitale Informationsplattform für alle Schritte der Chemotherapie funktioniert.