Das Geld ist da, wurde aber noch nicht abgeholt. Weil der Weg zur Abholung von Bürokratie geprägt ist. So schildern Verantwortliche in Singen den Prozess des Digitalpakts Schule. Der Startschuss dafür fiel bereits im Mai, der Bund sagte fünf Milliarden Euro für eine Digitalisierung von Schulen zu. 2,045 Millionen Euro davon stehen Singener Schulen zu. Wie wichtig Digitalisierung ist, zeigt sich einmal mehr im Zuge des Coronavirus, wo Lerninhalte und Aufgaben von zuhause aus über Server ausgetauscht werden müssen. Doch von dem versprochenen Geld ist noch kein Cent in die Infrastruktur oder ein Endgerät investiert.
Gymnasien werden starten – hoffentlich schon bald
Klar ist, dass die beiden Gymnasien in Singen vorangehen sollen. Klar ist auch, dass die beiden Schulleiterinnen Kerstin Schuldt vom Hegau-Gymnasium und Sabine Beck vom Friedrich-Wöhler-Gymnasium mit ihren Kollegien an einem Medienentwicklungsplan arbeiten, auf dessen Grundlage dann investiert werden soll. Die beiden Schulleiterinnen hoffen auf einen Start noch im Sommer.
Erst Konzept, dann Antrag, dann Ausschreibung und dann die Umsetzung
Wie soll technische Ausstattung künftig in den Unterricht eingebunden werden und was versprechen Schulen sich davon? Diese Fragen sollen mit einem pädagogischen Konzept beantwortet werden, wie Bernd Walz als Leiter des Fachbereichs Bildung und Sport erklärt. Der Medienentwicklungsplan muss mit dem Schulträger abgestimmt werden, bevor ein Zuschussantrag beim Land gestellt wird. Wenn bis April 2022 kein Antrag eingeht, verfällt der Zuschuss. Ganz kostenlos ist der Wandel für die Stadt trotz Digitalpakt nicht, denn der Eigenanteil beträgt 20 Prozent. Laut Bernd Walz sind das 400 000 Euro, für drei Viertel dieser Summe sollen Haushaltsreste von 2019 genutzt werden.
Stadt investiert 400.000 Euro
Die beiden Gymnasien stünden schon seit Jahren in den Startlöchern, sagt Walz, und wollen schon lange digitaler arbeiten. Jetzt sei ein entscheidender Schritt nach vorne möglich. Dabei gehe es erst einmal um grundlegende Themen wie eine gute Serverstruktur. „Wichtig ist, dass erst einmal alle Rechner Windows10 nutzen, dass die Server stabil sind und wir schnelles Internet haben“, sagt Kerstin Schuldt vom Hegau-Gymnasium. Wichtig sei, dass alle Unterrichtsräume gleich gut ausgestattet werden.
Der achte Medienentwicklungsplan: „Wir mögen so langsam nicht mehr“
In einer Gemeinderatssitzung fand sie bereits deutliche Worte für den hohen Aufwand, den das Beantragen dieser Modernisierung fordert: „Wir mögen so langsam nicht mehr. Denn wir sind jetzt beim achten Medienplan.“ Und es sei eine enorme Arbeit, die Medienentwicklung zu planen und sich dafür mit Lehrern sowie anderen Schulen abzustimmen. Dass bisher nur ein Bruchteil der möglichen Fördergelder abgerufen wurde, wundert sie daher nicht: Die Pläne zu entwickeln bedeute viel Aufwand für Schulträger und Schulen. „Eigentlich hätten wir jetzt gerne einfach Geld, das wir in unsere Ausstattung investieren können.“
60 Räume müssen auf einen digitalen Stand gebracht werden
Sabine Beck vom Friedrich-Wöhler-Gymnasium weiß ziemlich genau, in was sie das Geld investieren möchte: In der ersten Runde sei es utopisch, Endgeräte für jeden Schüler zu wollen – finanziell wie pädagogisch. „Man muss in Schritten denken“, sagt sie. Allein am FWG müssten 60 Räume auf den gleichen Stand gebracht werden. Sinnvoll sei, dass jede Klasse eine bestimmte Anzahl Geräte erhält und diese bei passenden Lerninhalten nutzen kann. „Wir wissen, was wir brauchen. Mit diesem Geld ist allerdings höchstens die Ausstattung der Räume möglich – und das ist schon gut. Ein digitaler Campus ist das aber noch nicht.“
Bis es so weit ist, könnten auch private Geräte genutzt werden, etwa beim Kopfrechnen im Mathe-Unterricht: In manchen Klassenzimmern sei es schon möglich, Ergebnisse am Handy einzutippen und dann gebündelt an einer digitalen Tafel zu zeigen. So etwas müsse ein Server aber auch bewältigen können.
Ein Zugangspunkt für 900 Menschen ist zu wenig
Die Schulleiter stimmen sich untereinander ab, schildert Sabine Beck: „Wir sind gut im Gespräch etwa darüber, welche Programme es braucht.“ Die Stadt erhofft sich auch eine Einsparung, wenn Schulen gleiche Software nutzen. Kerstin Schuldt kündigte aber bereits an: „Die Digitalisierung wird langfristig ein riesen Posten für den Haushalt sein.“ Ihre Schule habe zwar W-Lan, aber nur einen Zugangspunkt – und das reiche nicht für 800 Schüler und 100 Lehrer. Deshalb können bisher nur Lehrer kabellos das Schul-Internet nutzen, um etwa das elektronische Klassenbuch per Tablet zu führen.
Grundschulen sind bislang kaum digital. Das soll sich ändern
Bislang sind die Schulen laut Fachbereichsleiter Bernd Walz noch unterschiedlich ausgestattet: Während die Gymnasien bereits mit digitalen Arbeitsmitteln wie Aktivboards und interaktiven Beamern arbeitet, gehe es an mancher Grundschule noch kaum digital zu. Stück für Stück soll sich das nun ändern, erst mit den Gymnasien, dann mit Realschulen. Mit einem Drei-Jahres-Plan sollen alle Singener Schulen auf einen vergleichbaren Stand kommen. Auch wenn der Zuschussantrag positiv beschieden ist, braucht es aber noch Geduld: Manche Maßnahmen müssten europaweit ausgeschrieben werden, erklärt Walz.
Was nach dem Digitalpakt ist, bleibt offen. Geld braucht es weiterhin
Er zeigt dennoch Tatendrang: „Theorie hatten wir genug, jetzt kommt die Praxis.“ Allerdings bleiben Fragezeichen: „Die große Frage ist: Was dann? Denn technisches Gerät hat Halbwertszeiten.“ Auch die Betreuung werde ein Thema, sagt Kerstin Schuldt: Lehrer seien für die Wartung von komplexer Infrastruktur nicht ausgebildet.