Reis zum Frühstück? Daran kann und will sich Uwe Seefeldt auch nach 25 Jahren in Asien nicht gewöhnen. „Als Deutscher brauche ich Brot“, sagt der 56-Jährige und schmunzelt. Seefeldt und seine Frau sind zwei der 24,28 Millionen Menschen, die in Shanghai leben.
Das Problem: In Zeiten von Corona war es selbst in der größten Stadt Chinas schwer, eine geöffnete Bäckerei zu finden. Das Paar musste improvisieren. „Wir haben angefangen, selbst Brot zu backen“, berichtet Uwe Seefeldt. „Meine Frau stammt ursprünglich aus Taiwan, aber auch sie backt mittlerweile richtig leckeres Brot, ganz so wie ich es aus Deutschland kenne“, freut er sich.
Uwe Seefeldt ist gebürtiger Singener. Obwohl er das vergangene Vierteljahrhundert in Asien verbracht hat, hat er beim Telefonat mit dem SÜDKURIER keine Schwierigkeiten, in Hegauer Dialekt überzuwechseln.

„Nach meinem Umzug war ich zunächst zehn Jahre lang in der IT im Hardware-Bereich tätig“, erzählt Seefeldt. Er habe an der Herstellung von Monitoren, Notebooks und DVD-Playern mitgearbeitet, bis er im Jahr 2005 abgeworben wurde. Heute ist er als Lieferantenentwickler im Bereich Automotive tätig und kümmert sich speziell um Turbolader.
Dienstreise nach Wuhan
Bei der Arbeit war es auch, dass er sich mit dem Ausbruch des Coronavirus konfrontiert sah. „Anfang Januar wollte ich einen unserer Lieferanten in Wuhan besuchen“, blickt Uwe Seefeldt zurück. Man habe ihm aber kurzfristig von der Reise ins Landesinnere abgeraten. „SARS is back“ – SARS ist zurück – lautete die Nachricht des Lieferanten aus dem 825 Kilometer entfernten Wuhan.

„Erst habe ich das nicht ernst genommen“, gesteht er. Heute, da die 11-Millionen-Einwohner-Stadt als Epizentrum der Corona-Pandemie feststeht, ist Seefeldt froh, dass er statt nach Wuhan in den Süden fuhr. Ein spontaner Kurzurlaub mit seiner Frau. „Den mussten wir allerdings wenige Tage später wieder abbrechen, weil die Zahl der Corona-Fälle rapide anstieg“, sagt Seefeldt.
Alleine auf der Rückfahrt: Vier Temperaturchecks
„Die Rückreise hätte normalerweise zwei Stunden gedauert. Zwischendurch hat man uns aber bestimmt vier Mal angehalten, um unsere Temperatur zu messen“, berichtet der Singener. An Stopps dieser Art ist er gewöhnt. Seit dem SARS-Ausbruch 2002 seien Temperatur-Checks in der Öffentlichkeit nichts Ungewöhnliches.

Zu Hause angekommen, erfuhr der 56-Jährige, dass das ganze Land abgeriegelt wird. „Wir durften nur noch zum Einkaufen die Wohnungen verlassen – und nur mit Schutzmasken. In den Shopping-Malls wurden Mitarbeiter abgestellt, die darauf achteten, dass man Abstände einhält.“ Klebe-Absperrungen am Boden, wie in deutschen Supermärkten, gebe es in Shanghai nicht. Dafür: weitere Temperaturmessungen.
„Heute noch wird mir vor dem Verlassen und Betreten des Gebäudekomplexes, in dem wir wohnen, die Temperatur gecheckt“, berichtet Seefeldt und ergänzt: „Das dauert vielleicht 15 Sekunden. Im Auto kann man dabei sogar sitzen bleiben.“

Überhaupt findet Uwe Seefeldt, dass die chinesische Regierung effiziente Lösungen gefunden hat: „Im Großen und Ganzen haben sie das super gehandhabt.“ Der Hegauer versteht deshalb, dass sich viele Chinesen ärgern, wenn der amerikanische Präsident Covid-19 in Pressekonferenzen als „chinesisches Virus„ beschreibt. „Man hat die USA frühzeitig gewarnt. Trotzdem scheint es dort immer noch nicht genügend Test-Möglichkeiten zu geben“, kritisiert der Mann aus Singen.
Laxe Kontrollen in Deutschland
Auch in der eigenen Firma erlebt Seefeldt, dass die Einheimischen teilweise wenig Verständnis für das Krisenmanagement des Westens haben. Ein Beispiel seien die aus chinesischer Sicht verspäteten Einreisebeschränkungen. „Ein Kollege von mir konnte Anfang Februar noch problemlos nach Frankfurt fliegen. Er war total verwundert: Die Zöllner am Flughafen haben nicht einmal seine Temperatur gemessen.“
Noch mehr überrascht die Menschen in China – Uwe Seefeldt und seine Frau eingeschlossen – warum in Deutschland dieser Tage nur wenige Menschen Schutzmasken tragen. „Meine Kollegen sagen: ‚Uwe, warum verwenden die Deutschen das nicht? Es geht doch darum, andere nicht anzustecken.‘“ Selbst jetzt, da sich die Lage in China zu verbessern scheint, würde man auf den Straßen nur ganz vereinzelt Menschen ohne Schutzmasken sehen.

Seit der letzten Februarwoche beobachtet der Singener, dass sich das Zusammenleben etwas normalisiert. „Bis auf Schulen und Schwimmbäder waren die Geschäfte und Einrichtungen zwischenzeitlich wieder geöffnet“, berichtet er. In der eigenen Firma wurden Ende Februar wieder die Büros bezogen.
Trennwände beim Mittagessen
„Inzwischen können wir sogar wieder in der Kantine essen. Man hat aber Tische entfernt und Plastik-Trennwände eingerichtet, um die Ansteckungsgefahr zu minimieren. Und im Gegensatz zu früher wird jetzt in drei Schichten zu Mittag gegessen.“

Noch ist die Krise nicht vorbei
Diese Maßnahmen sind für den Singener nur ein Beispiel dafür, dass die Gefahr durch das Coronavirus noch nicht komplett gebannt ist. „Gerade diese Woche erst kam es wieder zu Schließungen von öffentlichen Einrichtungen“, berichtet er. „Ich weiß nicht genau was – aber da ist etwas im Busch.“ Uwe Seefeldt bleibt erst einmal vorsichtig.