Sie sind ja schon lange als Stadtplaner bei der Stadt Singen dabei. Können Sie sich noch an Ihr erstes Projekt erinnern?

Das war tatsächlich das Rathaus. Eigentlich ein ganz abenteuerliches Projekt von Ulrich Mangold, dem damaligen Leiter des Hochbauamts. Es ging darum, zu überlegen, ob man den Ratssaal mit einem Dach versehen kann. Die Idee war, dass man mit einer Glas-Beton-Konstruktion den Innenhof begehbar herrichten könnte und Licht in den Ratssaal fällt. Zusätzlich war die Überlegung, ob man über der Konstruktion in Firsthöhe ein Glasdach einsetzt. Damals habe ich noch ganz altmodisch mit Bleistift Zeichnungen gemacht. In der Richtung ist dann offensichtlich nichts passiert. (lacht) Aber die Idee finde ich immer noch gut.

Warum ist aus dem Projekt nichts geworden?

Es lag an den hohen Kosten. Und ja, das wäre immer noch ein Vorschlag von mir. Ich sehe den Vorteil, dass so ein Projekt dem Haus seine obrigkeitliche Ausstrahlung nehmen würde und damit nahbarer für die Bürger wäre. Es wäre von der Energiebilanz auch viel besser. Aber es ist nicht so einfach, weil das Rathaus unter Denkmalschutz steht.

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Gibt es ein Projekt, das Ihnen besonders am Herzen liegt?

Mein schönstes und damals größtes Projekt war die Kindertagesstätte „Im Iben“. Damals hat man noch Modelle gebaut, das hat Spaß gemacht. Außerdem erinnere ich mich gerne an den Umbau der Esso-Kreistankstelle, da war ich Baurechtsamtsleiter. Früher war die Tankstelle ein einfacher Kreis aus Beton, ich meine aus den 1950er-Jahren. Esso wollte stattdessen ihre rechteckige Normtankstelle dahin stellen. Doch ich konnte die Verantwortlichen überzeugen, die Tankstelle so zu bauen, wie sie jetzt ist. Mir war es immer wichtig, dass man eine gute Gestaltung und angemessene Lösung findet.

Rathaus, Tankstelle – was gehörte noch zu Ihren Aufgaben?

Es ist eine ganz große Bandbreite, die ich bei der Stadt machen konnte. Dafür bin ich dankbar. In der Zeit beim Baurechtsamt habe ich den Denkmalschutz in meinen Aufgabenbereich aufgenommen. Seitdem ist der Tag des offenen Denkmals ein Projekt, für das ich mich sehr engagiert habe. Aber mein Hauptaufgabengebiet sind die Sanierungsgebiete. Die östliche Innenstadt ist ja nach 15 Jahren abgeschlossen worden. Vor allem das Hospiz ist ein sehr gelungenes Projekt. Gut gelungen finde ich auch den Herz-Jesu-Platz und den Kreuzensteinplatz.

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Als Nächstes soll die westliche Innenstadt als Sanierungsgebiet ausgewiesen werden. Was werden hier die Herausforderungen sein?

Ich glaube, dass die Umbrüche im Einzelhandel uns vor Anforderungen stellen werden, die man noch nicht beim Namen nennen kann. Man muss sich die Hadwigstraße angucken und überlegen, wie man diesen Straßenquerschnitt neu gestaltet. Dann kann man von dort aus wieder nachdenken, wie man mit der Schwarzwaldstraße umgehen möchte. Die Hegaustraße wäre ein Vorbild, das man fortführen könnte.

Dann gibt es ein Quartier gegenüber der Ekkehard-Realschule, das man gar nicht so wahrnimmt. Das ist ein wildes Durcheinander. Hier könnte man attraktives Wohnen in der Stadt verwirklichen. Ich finde es ein vernünftiges stadtplanerisches Ziel, frei nach dem Motto „Stadt der kurzen Wege“, dass die Innenstadt als gute Wohnlage wiederentdeckt wird.

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Gab es Projekte, denen Sie nachtrauern?

Der ehemalige Sozialplaner Udo Maier und ich wollten in der östlichen Innenstadt eine Art Familienzentrum bauen. Wir hatten unter anderem das Grundstück, wo das Hospiz Horizont jetzt ist, dafür im Auge. Wir haben daraus viele Luftschlösser gebaut. Wir haben auch überlegt, dass man das Grundstück beim Pfarrhaus an der Herz-Jesu-Kirche dafür nehmen könnte – das hätte die Kirche dann hergeben müssen. (lacht) In der Form kam das Familienzentrum nicht, aber dafür ist ein Quartiersbüro am Herz-Jesu-Platz entstanden.

Die Stadt feiert dieses Jahr 125. Jubiläum. Wie hat sich Singen städtebaulich entwickelt?

Gut. Der Startschuss war aus meiner Sicht im Jahr 2000 die Landesgartenschau. Das war ein Wendepunkt in der Stadtentwicklung, denn dadurch wurden viele gute Projekte auf den Weg gebracht. Zum Beispiel, dass die Unterführung beim Karstadt zugeschüttet wurde. Es wurde im Einzelhandel investiert, die Insel Wehrd mit dem vielen Grün ist auch entstanden. Danach sind viele Projekte in die richtige Richtung gelaufen: die Stadthalle, die Neugestaltung der Hegaustraße, der ZOB. Manchmal habe ich fast den Eindruck, die Singener mögen ihre Stadt gar nicht so sehr, was ich schade finde. Ich hoffe, dass sie ihre Stadt in Zukunft mehr mögen.

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Das Scheffelareal wird ohne Sie weiter gehen. Welche Erinnerungen haben Sie an die Anfänge?

Das war eine interessante Erfahrung. Das Conti-Hochhaus mit den Eigentümern, die die etwas schillernde Bar im Erdgeschoss hatten – mit denen zu verhandeln war nicht einfach, aber interessant. Auch die Bewohner waren speziell. Ich bin irgendwann morgens mit ein paar Helfern dort aufgelaufen, als es Zeit für den Umzug war. Es hat eine Stunde gedauert, bis die Tür aufging, und dann habe ich die erste Kiste genommen und die Leute zum Umzug bewegt. Ich bin froh, wenn das Scheffelareal weiter gedeiht. Wir haben ein sehr gutes Entwurfskonzept, das es verdient, gebaut zu werden.

Wie hat Bürokratisierung Ihre Arbeit erschwert?

Das ist eine wirklich schwierige Frage. Da ist das Zauberwort Zuständigkeit. Als Beamter weiß ich natürlich immer ganz genau, wofür ich zuständig bin. Im Scheffelareal zum Beispiel für die verwilderten Katzen.

Das müssen Sie jetzt erklären.

Irgendwann hat mich die Katzenhilfe angerufen und gefragt, was wir mit den verwilderten Katzen machen. Sie haben angeboten, dass Sie morgens um 5 Uhr hingehen und die Katzen einfangen, um sie sterilisieren zu lassen – in der Hoffnung, dass sie später ein neues Zuhause finden. Da war dann die Frage, wer die Tierarztkosten bezahlt. Die Kosten wurden dann über die Sanierung bezahlt. Damit will ich aber sagen: Wo endet die Zuständigkeit? Ich finde es nicht gut, wenn man zu sehr in festgefügten Kategorien denkt. Das ist für mich keine gute Haltung und da fängt für mich die Bürokratie an.

Wo gefällt es Ihnen in Singen am besten?

Mein Lieblingsplatz ist die Musikinsel. Mein Wunsch ist, dass man die Insel gestalterisch weiter verbessert. Also das Ufer zugänglich macht, da könnte vielleicht sogar eine kleine Gastronomie sein. Dass man die etwas heruntergekommenen Bauwerke etwas aufpeppt. Die Basilika könnte baulich weiterentwickelt werden. Dann wäre diese Ecke ein Herzstück von Singen, weil hier Kultur, Geschichte und Natur zusammenkommen.

Sie sind zum 31. Oktober in den Ruhestand gegangen. Was macht Tilo Brügel danach?

Ich spiele im Theaterstück „125 Jahre Stadtplanung – Zwischen Vision und Wirklichkeit“ mit, das am 22. November Premiere feiert. Da ist die letzte Vorstellung am 1. Dezember. Ab Mitte Dezember gehe ich dann für drei Monate in die Schweizer Berge in Klausur. Ansonsten singe ich im Chor, gehe gern Segeln und Seekajak fahren. Und natürlich werde ich in Singen auch nach meiner Zeit im Rathaus unterwegs sein – zum Beispiel auf dem Wochenmarkt und danach noch kurz ins Café Horizont.