Der Blick an die Zapfsäule bereitet aktuell vielen Menschen Sorgen: Benzin kostet über 30 Cent mehr als noch vor zwei Wochen, bei Diesel sind die Mehrkosten noch höher. Diese steigenden Kosten betreffen sowohl den Autofahrer, der zur Arbeit fahren muss, als auch größere Unternehmen, deren Betrieb auf Brennstoffe angewiesen ist. Auch die Energieversorger und ihre Kunden müssen sich auf höhere finanzielle Belastungen einstellen. „Ich rechne im nächsten Jahr mit deutlichen Preiserhöhungen. Der Grund: Das Vertrauen vieler Lieferanten in Russland bricht weg. Und es muss zudem nach kostspieligen Alternativen gesucht werden, um auf dem Energiemarkt mehr Unabhängigkeit zu erreichen“, sagt Peter Sartena, Geschäftsführer der Engener Stadtwerke (Infokasten).

„Es sind leider auch künftig höhere Energiepreise zu erwarten. Wenn sie auch moderater ausfallen.“Peter Sartena, Stadtwerke ...
„Es sind leider auch künftig höhere Energiepreise zu erwarten. Wenn sie auch moderater ausfallen.“Peter Sartena, Stadtwerke Engen | Bild: Stadtwerke Engen
  • Industrie: Nicht nur Öl ist teurer geworden, sondern auch Kohle. Daraus entsteht Gießereikoks, von dem Fondium jede Menge braucht: Rund 70.000 Tonnen werden pro Jahr an den beiden Standorten in Singen und im nordrhein-westfälischen Mettmann zur Herstellung von Gusseisen, wie Matthias Blumentrath erklärt. Er ist einer der drei Geschäftsführer. „Gleichzeitig sehen wir aber auch bei anderen Energie und Rohstoffen starke Preiserhöhungen, die wir nicht kompensieren können, sondern an unsere Kunden weitergeben werden müssen.“ Außerdem drohen wegen des Kriegs in der Ukraine Rohstoffe knapp zu werden: „Wir sehen mit Sorge, dass unsere Kunden gezwungen sein könnten, ihre Produktion zu drosseln.“ Die rund 900 Arbeitsplätze seien in Singen aktuell nicht bedroht – auch wenn einige wenige Abnehmer in Russland zuletzt weggefallen seien. Aber die Transformation zur CO²-Neutralität sei schon länger ein Thema – und die notwendigen Investitionen könnten existenzbedrohend sein. „Das kann kein Unternehmen alleine stemmen.“ Die Öfen seien weiterhin am effizientesten und würden außerdem eine Recyclingquote von 100 Prozent ermöglichen. Doch die Politik habe signalisiert, Unternehmen beim Wandel unterstützen zu wollen.
  • Fuhrunternehmen: Ob Spedition oder Stadtbus – „es bedeutet eine wirklich enorme Belastung für uns“, schildert Speditionsleiter Thomas Marizzi von der Spedition Maier. Die hat in Singen 35 Lastwagen und genauso viele Subunternehmer, die noch stärker von den Preiserhöhungen betroffen seien. Der Brennstoff mache zwischen 20 und 35 Prozent der Kosten aus. In der Branche sei es zwar üblich, dass Dieselpreise ein flexibler Bestandteil von Verträgen sind, doch Grundlage dafür seien verzögerte Zahlen vom Bundesamt für Güterverkehr. Bei den üblichen Schwankungen sei das kein Problem. Jetzt würden Spediteure fordern, die Preise wochenweise anzupassen. „Manche haben schon einen kurzfristigen Zuschlag eingeführt“, berichtet der Speditionsleiter. Die Spedition Maier sei im Gespräch mit Subunternehmern und blicke sorgenvoll auf die gesamte Branche, denn Ladeflächen seien ohnehin knapp.
„Beim Singener Stadtbus sprechen wir da gleich von bis zu 160.000 Euro Mehrkosten pro Jahr.“Axel Blüthgen, Stadtwerke Singen
„Beim Singener Stadtbus sprechen wir da gleich von bis zu 160.000 Euro Mehrkosten pro Jahr.“Axel Blüthgen, Stadtwerke Singen | Bild: Tesche, Sabine
  • Sorgen macht in Singen auch der ohnehin defizitäre Stadtbus, denn dort könnten so hohe Energiepreise schnell Mehrkosten von bis zu 160.000 Euro pro Jahr bedeuten, wie Stadtwerke-Chef Axel Blüthgen erklärt. Auch andere Bereiche seien betroffen, die Abfallbeseitigung könnte 30.000 Euro mehr kosten. Fraglich sei, wie das ausgeglichen werden könnte: Eine Tariferhöhung beim Stadtbus sei denkbar, müsse aber vom Gemeinderat beschlossen werden. Ein reduziertes Angebot wäre laut Blüthgen aber kontraproduktiv, schließlich sollen mehr Menschen auf den ÖPNV umsteigen. Das geschehe bereits: „Die Nachfrage, auch nach Monats- und Jahreskarten, ist etwas angestiegen.“
  • Tankstellen: Gerade im Hegauer Grenzgebiet trifft es die Betreiber der Tankstellen hart, dass sich der Einkauf von Benzin und Diesel in nur wenigen Wochen überproportional verteuert hat. „Es herrscht großer Frust. Wir machen in unserer Tankstelle gerade mal den halben Umsatz. Dementsprechend leidet auch das Mitnahme-Geschäft in unserem Shop“, schildert Georg Hägele, der mit seinen Söhnen eine freie Tankstelle samt Werkstatt betreibt. „Viele Auto- und Lasterfahrer tanken in der Schweizer Nachbarschaft. Dort sind die Preise bis zu 30 Cent pro Liter niedriger, vor allem durch die große steuerliche Differenz“, so Hägele. Die Spanne zwischen Einkauf und Verkauf sei ohnehin knapp. Erschwerend komme hinzu, dass sich der Bezug von Benzin und Diesel verteuere, da die Lieferanten aus Unsicherheit des Marktes Mengen lagerten, was zu höheren Preisen führe. „Durch den derzeitigen Niedrig-Wasserstand des Rheins gelangt derzeit auch weniger Öl an die für uns maßgebende Raffinerie nach Karlsruhe“, erklärt Hägele.
  • Mineralöl-Lieferanten: „Wir kaufen nur soviel ein, wie wir laufend verkaufen. Alles andere wäre stark risikobehaftet. Deshalb trifft uns die Preissteigerung von etwa 70 Prozent innerhalb weniger Wochen in vollem Umfang. Und diese erreicht notgedrungen auch die Kunden“, erklärt Thomas Rundel. Er ist Geschäftsführer des Singener Mineralölvertriebs Rundel und Vorsitzender des Verbandes Energiehandel mit Sitz in Mannheim, der in fünf Bundesländern zuständig ist. Die Firma beliefert jeweils etwa zur Hälfte private Kunden und Unternehmen, wie Tankstellen und Immobilien-Firmen. „Wegen der starken Preisschwankungen raten wir vor allem unseren privaten Heizöl-Kunden von teuren Panikkäufen ab und dazu, nur soviel Mengen zu ordern, wie es für die nächste Periode nötig ist“, sagt er. „Wenn sich auch die Preise wieder einpendeln werden, so wird das Niveau wohl auch künftig deutlich um einen höheren Wert liegen, als dies vor Ausbruch des Ukraine-Krieges der Fall war“, sagt er voraus.