Waschlappen nutzen, kalt duschen, nicht jeden Raum heizen und wenn doch dann nicht zu sehr. Ratschläge, wie Energie gespart werde kann, wurden in den vergangenen Monaten reichlich gegeben. Die steigenden Energiepreise betreffen alle. Viele ärgern sich darüber, doch können die Mehrkosten tragen. Was passiert, wenn das nicht der Fall ist? Und hilft die neue Bürgergeld-Reform dabei?

Es ist still um die Armen, sagt Klaus Lauenroth. Er ist Sozialberater im Arbeitslosenzentrum der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Singen. Damit besetzt er eine der Anlaufstellen, wohin das Netzwerk Singener Wegweiser Unterstützungsbedürftige zur Beratung vermitteln können. Einrichtungen wie die Tafel, das Arbeitslosenzentrum oder die Sozialen Dienste der Caritas sind als Wegweiser vergleichbar mit Schutzhütten auf Wanderungen: Sie versuchen, in ungewissem Gelände einen Pfad zu markieren.

Für Wärme ist gesorgt, für Strom bedingt
Während Wärme in der Regel durch die Grundsicherung gedeckt wird, stellt sich die Lage beim Strom anders dar, erklärt Brigitte Ossege-Eckart, Leiterin der Sozialen Dienste der Caritas in Singen: Steigen die Strompreise, steigt auch der Anteil, der vom Regelsatz für Strom abgeht. Seit der Bürgergeld-Reform erhalten Menschen 53 Euro mehr, der Regelsatz für Alleinstehende stieg von 449 auf 502 Euro. Damit müsse auch der Haushaltsstrom bezahlt werden, so Sozialberater Klaus Lauenroth. Doch allein Lebensmittel und Energie würden bereits den Mehrbetrag schlucken, sodass weniger für Bildung, Kleidung oder öffentliche Verkehrsmittel bleibe.
Gemessen an der Kaufkraft haben Leistungsberechtigte weniger in der Tasche als Anfang vergangenen Jahres, fährt er fort. Die höheren Kosten wiederum berechtigten inzwischen womöglich Mensch zu Leistungen, die bisher keinen Anspruch darauf hatten, betont Alexandra Guldin vom Verein Kinderchancen.
Einschätzung der Notlage noch unklar
In welcher Weise die gestiegenen Kosten bei den Betroffenen ins Gewicht fallen, ist derzeit noch unklar: Die Jahresendabrechnungen und damit verbundenen neuen Einstufungen seien noch nicht verschickt, gibt Ossege-Eckert zu bedenken. „Noch können wir nicht richtig ausloten, wie groß die Notlage werden wird“, bestätigt Udo Engelhardt, Vorsitzender der Tafel Singen. Vermieter haben bis 31. Dezember 2023 Zeit für die Abrechnung des Jahres 2022, so Lauenroth. Doch es sei schon im März und April mit den ersten Nebenkostenabrechnungen zu rechnen.
Heizung abstellen ist nicht die Lösung
Sollte das Stemmen von Kosten problematisch werden, sei für die Beratungsstellen das allererste Ziel, die Wohnsituation zu sichern und zu verhindern, dass der Strom abgeschaltet wird, erklärt Engelhardt. „Das An- und Abschalten von Strom kostet Geld, das die Leute nicht haben“, so Udo Engelhardt.
Obendrein hätten viele Leistungsberechtigte keine gut gedämmten Wohnungen. Die Heizung dann einfach auszulassen, sei oftmals keine Option: Wer Kinder habe, müsse beispielsweise heizen, auch wenn die Heizung über 40 Jahre alt ist und höhere Heizkosten verursacht als üblich, schildert Lauenroth. So könnten Einsparungen eine buchstäbliche Gradwanderung werden. Auch in Senioren- oder Behinderteneinrichtungen könne nicht einfach die Heizung heruntergedreht werden, so der Mitarbeiter des Awo-Arbeitslosenzentrums.
Viele Anträge nötig, um über die Runden zu kommen
Eine weitere Hürde stelle die Bürokratie dar: Durch die Bürgergeld-Reform müssen Betroffene von immer mehr Ämtern einzelne Leistungen beantragen. Das treffe beispielsweise Alleinerziehende, die sich gleich an mehrere Behörden wenden müssten, so Lauenroth: Wohngeld bei der Wohngeldbehörde, Kinderzuschlag durch die Familienkasse, Unterhaltsvorschuss vom Jugendamt. Zusätzlich können Teilhabepakete für Fahrkosten oder Vereinsteilnahmen beim Sozialamt beantragt werden.
Komme es zu Nachfragen, würden Betroffene auf Callcenter oder Internetseiten verwiesen. Da sei es umso wichtiger, dass man als Beratungsstelle die Menschen bei den Anträgen unterstütze.

Preise treffen auch die Sozialdienstleister
Nicht zuletzt treffen die Preise die Verbände selbst: „Alle gemeinnützigen Einrichtung sind von den steigenden Kosten betroffen. Sie sind von Spenden und Zuschüssen abhängig“, so Lauenroth. Das könne auch für soziale Einrichtungen zum Problem werden, etwa bei der Tafel: Die Energie für Autos zur Essensauslieferung und die Kühlgeräte treibt die Kosten in die Höhe, schildert Udo Engelhardt, Vorsitzender der Tafel Singen.
Man versuche daher, über den Bundesverband der Tafeln die Kosten auszugleichen. Auch hätten viele Bürger ihre Energiepauschale an den Verein gespendet. Das Land Baden-Württemberg habe nach einem entsprechenden Antrag außerdem 750.000 Euro für die Energiekosten ausgeschüttet, so dass sie „mit einem blauen Auge davongekommen seien“, so der Vorsitzende Engelhard. Dennoch erreicht die Tafel derzeit ihre Kapazitätsgrenzen.