Die Singener Gemeinderäte wollen sich bei Bauvorhaben zukünftig Experten mit ins Boot holen. Wenn es um die Genehmigung von Neu- und Umbauten geht, gibt es regelmäßig kontroverse Diskussionen im Gremium. Dabei stehen zumeist folgende Fragen im Mittelpunkt: Wie fügt sich das geplante Projekt in die Singener Umgebung ein? Erhöht es die Attraktivität der Hohentwiel-Stadt? Bei der Beantwortung dieser Fragen sollen die Stadträte künftig professionelle Unterstützung bekommen – und zwar in Form eines Gestaltungsbeirats (GBR).

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Seit Ende der 90er-Jahre wurden in einer Vielzahl von Städten und Kommunen Gestaltungsbeiräte eingerichtet. Sie sollen als unabhängiges Gremium den Gemeinderat und die Verwaltung in städtebaulichen und gestalterischen Fragen beraten. Konstanz hat bereits einen, Radolfzell auch und nun reiht sich Singen in die Liste der Städte mit einem Gestaltungsbeirat ein. Doch die Entscheidung fiel knapp aus. Die Abstimmung spaltete das Gremium: 17 Ja-Stimmen gab es von den Freien Wählern, den Grünen, der SPD und der SÖS sowie OB Bernd Häusler. Gegen den GBR sprachen sich 13 Stadträte aus Reihen der CDU, der Neuen Linie und der FDP aus.

Keine Verzögerungen durch GBR

Walafried Schrott (SPD) sehe in einem Gestaltungsbeirat die Chance, die Architektur in Singen noch besser zu machen. „Wenn die Erwartungen an dieses Gremium nicht in Erfüllung gehen, kann man es auch relativ rasch auslaufen lassen“, sagte er.

Walafried Schrott (SPD): „Es ist kein Verzögerungsbeirat, sondern kann auch manche Runde sparen.“
Walafried Schrott (SPD): „Es ist kein Verzögerungsbeirat, sondern kann auch manche Runde sparen.“ | Bild: SK

Ein Gestaltungsbeirat würde Bauvorhaben nicht in die Länge ziehen. „Es ist kein Verzögerungsbeirat, sondern kann auch manche Runde sparen, die in einem Ausschuss oder Gemeinderat gedreht wird“, sagte er. Einen Gestaltungsbeirat auf Zuruf halte er indes für nicht sinnvoll und zielführend: „Das verzögert, weil man die Leute erst einmal zusammenholen muss.“ Auch einen ständigen Gestaltungsbeirat würde man nicht zusammenrufen, wenn es kein Projekt gebe. Unterstützung erhielt er von Eberhard Röhm (Grüne).

Eberhard Röhm (Grüne): „Es ist nicht verwerflich, Expertise von außen zu holen.“
Eberhard Röhm (Grüne): „Es ist nicht verwerflich, Expertise von außen zu holen.“ | Bild: SK

Sein Appell: „Es ist nicht verwerflich, Expertise von außen zu holen, etwa Architekten mit räumlicher Distanz zu Singen.“ Das Projekt am Ziegeleiweiher habe sich auch ohne GBR hingezogen. Volkmar Schmitt-Förster (Freie Wähler) vertrete zwar die Meinung, dass Singen bei den bisherigen Bauvorhaben gut gefahren sei – mehr aber auch nicht.

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„In einer schnelleren Welt werden sich die Anforderungen an die Architektur auch immer schneller ändern. Ein GBR hat den langfristigen Blick von außen darauf und ersetzt die Expertise der eigenen Stadtplaner nicht“, sagte er. Bürger, Stadt und Baukultur würden dem Gemeinderat und der Stadtverwaltung die Einrichtung des Gremiums in Jahren danken. „Vor allem in der heutigen Zeit, wo sich Architektur schnell verändert, brauchen wir dringend einen GBR“, so Schmitt-Förster weiter.

Die Kritik am GBR ist groß

Aber es gab auch kritische Stimmen zum GBR, vor allem aus Reihen der CDU und der FDP. „Es gibt viele Fachleute in der Stadtverwaltung, die haben die Verwaltung bislang gut beraten“, sagte etwa Franz Hirschle (CDU).

Franz Hirschle (CDU): „Für mögliche Investoren ist ein Gestaltungsbeirat eine Unbekannte.“
Franz Hirschle (CDU): „Für mögliche Investoren ist ein Gestaltungsbeirat eine Unbekannte.“ | Bild: SK

Seine Fraktion halte die vorgesehene Zuständigkeit eines GBR für völlig überzogen. „Soll jedes Projekt in den GBR?“, fragte er und fügte hinzu: „Für Investoren ist ein GBR eine Unbekannte. Bauvorhaben verzögern sich, was Investoren bares Geld kostet.“ Er nannte auch negative Beispiele für die Zusammenarbeit zwischen Gemeinderat und Gestaltungsbeirat.

Dauerhafte Einrichtung ist nicht nötig

Auch Kirstin Brößke (FDP) steht dem Gestaltungsbeirat kritisch gegenüber. Der Stadtverwaltung sei es in all der Zeit (siehe Infokasten) nicht gelungen, ihrer Fraktion den GBR schmackhaft zu machen. „Die FDP sieht keine Notwendigkeit für ein dauerhaftes Gremium und würde es eher projektweise machen.

Kirstin Brößke (FDP): „In Zeiten ungewisser Kassenlage sollte man sich diese Kosten sparen.“
Kirstin Brößke (FDP): „In Zeiten ungewisser Kassenlage sollte man sich diese Kosten sparen.“ | Bild: Thomas Wöhrstein

Vor allem in Zeiten ungewisser Kassenlage sollte man sich die Kosten von 25.000 Euro sparen“, betonte sie. So viel müsse die Stadt laut Sitzungsunterlagen für die Einrichtung einer Geschäftsstelle ausgeben. Ralf Knittel (CDU) sieht das ähnlich: „Die Leute, die da drin sind, kosten mehr als 6000 Euro pro Sitzung.“ Eine von ihm ins Gespräch gebrachte Sekretärin für die Geschäftsstelle verneinte Thomas Mügge, Fachbereichsleiter Bauen. Für die Geschäftsstelle solle es kein neues Personal geben, vielmehr würde bestehendes Personal aus seinem Fachbereich diese Aufgaben übernehmen. Im Budget seien lediglich die Kosten für die externen Berater und für deren Spesen.

GBR darf beraten, nicht entscheiden

  • Startschuss erst nächstes Jahr: Laut Thomas Mügge, Fachbereichsleiter Bauen, könne der Gestaltungsbeirat wohl erst 2022 seine Arbeit aufnehmen. „Jedoch wäre der nächste Schritt neben dem Förderantrag, dass geeignete externe Fachleute gefunden werden“, sagt er. Ein solches Gremium habe politisch bis vor ein paar Jahren keine Mehrheit gefunden. Wieder in den Blick gerückt, habe das Thema die Fraktion der Freien Wähler, betont Mügge. „Mit dem vom Gemeinderat eingesetzten projektbezogenen Gestaltungsbeirat zum Cano, der aber auch den Bahnhofsvorplatz samt Überdachung des neuen Busbahnhofes mit behandeln durfte, haben wir aber aus eigener Wahrnehmung einen großen Sprung, was die Qualität der Architekturen betrifft, machen können“, sagt er. Deshalb sei das Thema auf Antrag mehrerer Fraktionen nun noch einmal neu behandelt worden. Aber Mügge betont auch: Ein Gestaltungsbeirat könne nur beratend mitwirken, Entscheidungen falle weiterhin der Gemeinderat.
  • Die Zusammensetzung des GBR: Der neue Gestaltungsbeirat soll viele Fachleute an einen Tisch bringen. Wie Thomas Mügge erklärt, solle er aus zwei Architekten, einem Stadtplaner und einem Landschaftsarchitekten bestehen. Zudem je ein Vertreter von den Fraktionen aus dem Gemeinderat, OB Bernd Häusler und auch Vertreter aus dem Fachbereich Bauen. (mgu)