Für den Rosenmontag eine Kolumne zu schreiben ist so sinnvoll, wie Luftschlangen wieder aufzuwickeln. Heute sind doch sowieso alle Pappnasen auf der Straße und wer liest da schon die Zeitung? Außerdem plagt mich heftiges Heimweh: Als Kölnerin nenne ich „dat Dingen“ nämlich nicht Fastnacht, sondern Karneval – die kulturellen Gräben sind tief. Diese Masken im Häs, diese Hexen und nächtlichen Hemdglonker – dafür ist meine genetische Grundausstattung einfach nicht ausgelegt. Kommt hinzu, dass mich auch in Köln der Straßenkarneval mehr nervt als erfreut – überall Krach und Betrunkene.
Aber was ist los? Ich werde doch nicht etwa alt?! Hatte ich nicht erst vor Kurzem in der Ballsaison ein Paar Schuhe durchgetanzt und zwei Wochen später mein Staatsexamen abgelegt? Fragen Sie mich nicht, wie ich das geschafft habe.
Es soll Menschen geben, die während der tollen Tage in die Berge flüchten. So weit bin ich (noch) nicht. Ich liege morgens im warmen Nest, während draußen die Narrenbolizei zum frohen Treiben tatütatat und summe stillvergnügt den Kölner Klassiker: „Denn wenn et Trömmelche jeht,
dann stonn mer all parat“. Von wegen, denke ich, mich kriegt ihr nicht, und drehe mich nochmal um.
Last-minute-Pappnase
Später, wenn ich dann den ganzen Vormittag über nur Narri-Narro und Live-Übetragungen von Umzügen im Ohr habe, fängt es an zu kribbeln. Meine Mutter hat mir schon vor Tagen ein Päckchen mit Leckereien aus Köln geschickt. Kennen Sie Mutzemändelcher? Nein? Fangen Sie erst gar nicht damit an – die machen nämlich süchtig! Selbstverständlich habe auch ich dieses Karnevalsgebäck pünktlich am Schmutzigen Donnerstag, pardon Wiiverfastelovend produziert und zur Post getragen. Jetzt sitzen meine Eltern futternd in Köln auf dem Sofa, haben vermutlich Ringel-T-Shirts an und schauen den Rosenmontagszug. Fettgebackenes, wie Mutzen, sollte man frisch genießen – aber für mich schmeckt es erst dann „richtig“, wenn es ein paar Tage im Postpaket unterwegs war – und vom richtigen Absender kommt. Und wenn die letzte Mutze verzehrt ist, kribbelt es immer doller. Es ist erst kurz nach Eins. Die Kiste mit dem bunten Plunder steht auf dem Dachboden ganz vorn. Tja, was soll ich sagen? Wahrscheinlich bin ich auch dieses Jahr wieder als Last-minute-Pappnase auf der Straße. Ist ja nicht weit bis zum Narrenbaum. Der Umzug beginnt um Zwei.
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