Das ist diese Fasnacht wahrlich die Hochburg der Narretei im Hegau: Gottmadingen mit ihrer Gerstensack-Zunft, die dieses Jahr 150-jähriges Jubiläum feiert. Bei so einem Anlass ist es auch kaum verwunderlich, dass die Eichendorffhalle beim Frühschoppen von zahlreichen Narren aus dem Umland besucht wird. Ob Integrationskurs für Nicht-Badener, Einhorn-Steckenpferde und mehr oder weniger gelungene Gesangseinlagen – beim Frühschoppen war einiges geboten.
Poppele bekommt endlich ein Pferd
Zunftmeister John Weber war es in seiner Rede nicht nur ein Anliegen, die geladenen Zünfte zu begrüßen, sondern auch wichtig, den besonderen Status der Narren hervorzuheben. „Am Schmotzige Dunschtig wurde es endlich wahr: Ich begrüße die entmachtete Bürgermeister-Schar“. Zeremonienmeister Christoph Graf erinnerte sich an die gelungenen Narrentage zurück: „Das Fest war richtig toll, nur die Mülleimer waren so richtig voll.“

Richtig toll war auch Grafs Moderation, der keine Gelegenheit ausließ, die Gäste aufs Korn zu nehmen. So machte er sich über den Poppele aus Singen lustig, der ja kein Pferd habe und deswegen beim Kinderumzug mit einem Cabriolet den kleinen Narren Abgase ins Gesicht puste. „Ob das wirklich so gut ist?“, fragte Graf. Der Poppele wollte dies aber nicht auf sich sitzen lassen.
Er betonte, dass er sehr wohl ein Ross habe, oben auf dem Hohenkrähen. Der sei eben nur nicht mehr so fit. „Mein Pferd sagte: Geh allein auf die Sause, ich mache so lange Pause“, erklärte der Poppele alias Timo Heckel. Seitdem sei er alleine unterwegs. Daher kam dem Poppele das Gastgeschenk der Gerstensäcke nur gelegen: ein rosafarbenes Stecken-Einhorn.
Nützliche Geschenke gab es auch für Frank Lammering, der die Sparkasse Engen-Gottmadingen bald verlassen wird. Damit er bis dahin sein Büro auch richtig sauber schrubben kann, gab es von der Zunft eine Schürze samt Putzmittel. „Ich werde mein Büro mit Freude reinigen“, sagte er prompt. Doch nicht nur für die Gäste gab es Geschenke – auch John Weber durfte sich über ein Geschenk freuen.
Die Bodensprenger aus Duchtlingen, die Narren aus dem schönsten Ortsteil Hilzingens – wie sie selbst betonten – haben ihm zwei Säcke Erdäpfel mitgebracht. Der Zunftmeister freute sich und Christoph Graf witzelte, dass es im Hause Weber die nächsten zwei Wochen nur noch Kartoffelsuppe geben werde.
Hausarztversorgung ist auch bei den Narren ein Thema
Zwischen den Witzen und Musikeinlagen der Gerstensackkapelle musste Graf aber auch noch einen Werbeblock für das Bier der Zunft quetschen. „30 Flaschen gibt es noch zu kaufen, die könnt ihr dann sau-, äh, genussvoll trinken“, sagte der Moderator. Dann kamen ernstere Themen zur Sprache. Eines davon: die Hausarztversorgung auf dem Land. Denn die Mediziner würden immer älter und damit immer weniger.
‚Da dachten sich die Bürgermeister aus Gottmadingen und Gailingen ganz nett: Wir gründen einfach ein MVZ‘, so Graf. Doch die Sache habe einen Haken. Es gebe immer noch keine Ärzte. Doch wie gut, dass beide Bürgermeister, Michael Klinger und Thomas Auer, einen Doktortitel haben. „Jetzt können die beiden Doktoren Sprechstunden geben. In den Rathäusern wird eh keiner merken, dass sie fehlen“, sagte Graf nicht mehr ganz so ernst.
Für die beiden Bürgermeister war das kein Problem, sie sind gleich in ihre Kittel geschlüpft und waren bereit für den neuen Job. „Weil überall doch Ärzte fehlen, wollen wir künftig Patienten quälen“, sagte Auer. Und Klinger ergänzte: „Und ab morgen, ich sag‘s ungeniert, wird bei uns auch operiert. Dr. Auer, Dr. Klinger, des Hegaus Ärzte schlimmste Finger!“
Dazwischen gab es dann mehrmals eine schiefe Gesangseinlage. „Wer soll das bezahlen, wer hat das bestellt? Ihr habt so viel Pinke Pinke, ihr habt so viel Geld“, sangen die beiden Ärzte. „Hörschutz gibt es am Ausgang“, sagte Graf. „Wir bieten auch ohrenärztliche Behandlungen an“, konterte Klinger.
Ein kleiner Seitenhieb in Richtung Landratsamt durfte auch nicht fehlen. „Selbst der Landrat will ein neues Krankenhaus, Singen und Radolfzell spielten Katz und Maus. Letztlich hat Singen doch obsiegt, denn dort das neue Grundstück liegt‘, stichelte Klinger.
Alemannisch für Anfänger
Neben Hilzingens Bürgermeister Holger Mayer hatten auch noch die Bundestagsabgeordneten Lina Seitzl (SPD), Ann-Veruschka Jurisch (FDP) und Andreas Jung (CDU) einen Auftritt.

Für Jurisch gab es als gebürtige Kölnerin ein „Alemannisch für Anfänger“-Heftchen. Und da sie sich auf das Gebiet der Integration spezialisiert habe, gab sie dazu fünf Lektionen dem Publikum mit. „Holst du dir Söders Weihnachtskittel, ist der Integrationsfaktor so mittel“, war eine Lektion. Nach dem Frühschoppen ging es für die Zünfte für den Umzug auf Gottmadingens Straßen.