Nun ist die Katze sprichwörtlich aus dem Sack: Der Gemeinderat der Stadt Singen hat den Hebesatz für die neue Grundsteuer festgelegt. Das Gremium folgte dabei dem Vorschlag der Stadtverwaltung, den Hebesatz für Grundvermögen, also für die Grundsteuer B, von 360 Prozent auf 430 Prozent anzuheben. Der Hebesatz für land- und forstwirtschaftliche Flächen, für die Grundsteuer A, bleibt hingegen bei 360 Prozent. Trotz der Änderung beim Hebesatz werde die Stadt nachher 250.000 Euro weniger an Grundsteuer einnehmen als mit der alten Grundsteuer, geht aus der Sitzungsvorlage hervor.
Die Anhebung des Hebesatzes bei der Grundsteuer B heißt allerdings nicht automatisch, dass jeder Häuslebesitzer nun mehr Grundsteuer an die Stadt zahlen muss. Denn die gesamte Berechnungsgrundlage ändert sich durch die neue Grundsteuer, die ab dem Beginn des kommenden Jahres gilt. Mit viel Aufwand wurden die Werte von Millionen von Liegenschaften im ganzen Bundesgebiet in den vergangenen Jahren neu ermittelt.
Kosten verteilen sich künftig anders
Wie sich die Grundsteuer für eine bestimmte Immobilie ändert, hängt auch davon ab, welcher Wert für das Grundstück ermittelt wurde. Der Einfluss der Gemeinden beschränkt sich darauf, einen Hebesatz festzulegen, durch den sich am Ende der tatsächliche Betrag ergibt, den ein Eigentümer an Grundsteuer bezahlen muss – oder ein Mieter, denn die Grundsteuer kann auch auf Mieter umgewälzt werden.
Die Gemeinden dürfen, insgesamt gesehen, durch die neue Grundsteuer nicht mehr Geld einnehmen als durch die alte. Eine Steuererhöhung durch die Hintertür sollte so ausgeschlossen werden. Doch es wird Gewinner geben, die künftig weniger zahlen – und Verlierer, die mehr zahlen.
Das wurde auch an den Zahlen deutlich, die die Stadt Singen vorab in einer Beispielrechnung veröffentlicht hat. Da finden sich neben übersichtlichen Steigerungen und einzelnen Entlastungen auch Einfamilienhäuser, die deutlich stärker belastet werden als bisher. So steigt die Grundsteuer nach den neuen Berechnungsgrundlagen für ein Beispielhaus mit einem Grundstück von 426 Quadratmetern in der Innenstadt von 122 Euro auf 603 Euro. Bei Mehrfamilienhäusern ist das Bild gemischt und bei Gewerbeimmobilien verzeichnet die Beispielrechnung größtenteils Entlastungen. So sinkt die Grundsteuer für ein Gewerbegrundstück mit knapp 2400 Quadratmeter in der Innenstadt von 24.400 Euro auf 13.500 Euro.
Kräftiger Gegenwind für AfD-Gemeinderäte
Dass es bei der neuen Grundsteuer Gewinner und Verlierer gibt, beherrschte auch die Diskussion im Gemeinderat – und zwar befeuert durch einen Antrag der AfD, der komplett gegen Landesrecht verstoßen hätte, wie in der Sitzung ebenfalls deutlich wurde. Die drei Gemeinderäte der rechtspopulistischen Partei, die neu im Gremium sind, beantragten, den Hebesatz so zu senken, dass die Summe des Grundsteueraufkommens nicht erhöht wird – was ohnehin rechtlich so vorgesehen und in Singen auch so geplant ist. Und die Steigerung der Grundsteuer solle für jeden Einzelfall höchstens 25 Prozent betragen.
Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler gab freimütig zu, den Antrag nicht zu verstehen. AfD-Fraktionssprecher Thomas Frischmuth führte aus, man sei beim ersten Punkt – dass nicht mehr eingenommen werden dürfe – auf einem guten Weg. Zum zweiten Punkt des Antrags sagte er, dass manche Eigentümer nach der Neuberechnung mehrere hundert Prozent mehr an Grundsteuer zahlen müssten. Die Entlastungen, die es gebe, zum Beispiel bei Gewerbebetrieben, seien super, doch Anstiege dürften nicht so stark sein. Doch wie diese verhindert werden können, darüber müssten sich andere Gedanken machen.
OB Häusler machte klar, dass es in einer Gemeinde nur einen Hebesatz geben kann, der für alle Grundstücke mit Grundsteuer B angewendet wird. Alles andere würde geltendem Recht widersprechen. Auch einer starken Senkung der Grundsteuer widersprach Häusler: „Die Sachen für die Bürger müssen bezahlt werden.“ Und er wies darauf hin, dass nicht alle Gewerbebetriebe entlastet würden. Im Übrigen gehe die ganze Reform auf die Klage einer Bürgerin oder eines Bürgers zurück. In seinem Urteil 2018 hatte das Bundesverfassungsgericht die bisherige Erhebung der Grundsteuer als verfassungswidrig eingestuft.
Ungleichbehandlung geht nicht
Einige Mitglieder der anderen Fraktionen widersprachen dem AfD-Ansinnen ebenfalls deutlich. Hubertus Both, Sprecher der Freie-Wähler-Fraktion, sagte: „Wie stellt sich die AfD das vor? Soll es einen Einzelhebesatz für jedes Haus geben?“ Es könne nicht sein, dass man die Leute ungleich behandele. Und: „Ich bin nicht im Gemeinderat, um die Gesetze des Landes zu verändern. Man muss sich an die Gesetze halten.“
SPD-Mann Hans-Peter Storz ist als Abgeordneter im Landtag in der Opposition und wies darauf hin, dass die Opposition die Grundsteuerreform kritisiere. Doch was die AfD vorschlage, gehe nicht. Und Eberhard Röhm (Grüne) betonte: „Bei jedem diskutierten Modell gab es Gewinner und Verlierer.“ Dass Baden-Württemberg die Grundsteuer praktisch ausschließlich an der Grundstücksgröße ausrichtet, liege daran, dass es eine einfache Lösung habe geben sollen, so Röhm. So müsse man beispielsweise Wohnflächen nicht extra erfassen. Und auch eine Lenkungsfunktion sei mit bedacht worden. Im Großen und Ganzen treffe es zu, dass dichter bebaute Grundstücke entlastet werden.
Am Ende stimmten nur die drei AfD-Gemeinderäte für ihren eigenen Antrag. Mit großer Mehrheit wurde der Hebesatz für die Grundsteuer B von 360 auf 430 Prozent angehoben.