Ein Springmesser griffbereit am Eingang, eine durchgeladene Schreckschusswaffe im Tresor des Schlafzimmers, Kokain unter dem Bett, ein Konsumteller auf einem Schränkchen, Hasch und Ecstasy im Wohnzimmer: Eine Hausdurchsuchung in der Singener Nordstadt brachte im März 2023 eine brisante Mischung zutage. Da lagerten nicht geringe Mengen an Drogen und Waffen in einer Wohnung. Und das bei einem 30-Jährigen, der im Jahr 2019 schon einmal zugestochen, ja beinahe jemanden getötet hätte. Nur mit Glück überlebte damals der Betroffene.

Vor dem Landgericht Konstanz wurde aber deutlich, dass sich der Fall komplizierter darstellt, als er zunächst aussieht. Denn der 30-Jährige hat laut Polizei mit seinen Aussagen auch dafür gesorgt, dass der Lieferant der Drogen gefasst wurde. „Er hat Ross und Reiter genannt“, sagt der Vorsitzende Richter Arno Hornstein. Dabei belastete sich der Beschuldigte sogar selbst. Ein Teil der jetzt angeklagten Taten hätte ihm gar nicht nachgewiesen werden können. Es geht unter anderem um den gewinnbringenden Verkauf von dreimal 50 Gramm Kokain sowie einmal 100 Gramm Kokain, abgezogen Portionen für den Eigenkonsum.

Bekam wegen Sucht nichts mehr auf die Reihe

Der 30-Jährige ist als 15-Jähriger nach Singen gekommen. Zeitweise betätigte er sich als Schichtarbeiter, zeitweise als Selbstständiger. Zum Zeitpunkt der Hausdurchsuchung war er, wie vor Gericht erläutert wurde, süchtig. Das Kokain habe er vor drei bis vier Jahren für sich entdeckt. „Es war ein glückliches Gefühl.“ Doch dieses schwand bald. „Am Ende war es eine Katastrophe.“ Er sagt selbst, er habe „nichts mehr auf die Reihe gekriegt“, habe jeden Tag Kokain zum Aufputschen benötigt und Gras, um wieder zur Ruhe zu kommen.

Kalter Entzug in Untersuchungshaft

Nach der Hausdurchsuchung wurde er in Untersuchungshaft genommen. Er erlebte im Gefängnis den kalten Entzug – eine bittere Zeit. Als er vorübergehend wieder auf freien Fuß gesetzt wurde, suchte er Hilfe bei der Drogenberatung – mit Erfolg. In dieser Zeit habe er mit seiner Freundin ein Kind bekommen. Auch dieser Umstand habe ihm geholfen, vom Stoff wegzukommen. „Ich hatte keinen Rückfall. Das Kind hat mich auch therapiert.“ Jetzt kämpfe er für seine Familie. Zur jetzigen Anklage sagt er: „Da muss ich durch. Ich habe einen Fehler gemacht.“

In einem Waffengeschäft wird das Magazin einer Schreckschusspistole geladen.
In einem Waffengeschäft wird das Magazin einer Schreckschusspistole geladen. | Bild: Uli Deck

Mehrere Untersuchungen von Urinproben zeigen: Der Mann ist tatsächlich ohne Drogen geblieben. Seine Verteidigerin Kristina Müller plädierte daher auf eine Bewährungsstrafe. Ihr Hauptargument: Weder die Schreckschusspistole noch das Messer seien an der Stelle gewesen, wo mit Drogen gehandelt wurde. Im Schlafzimmer sei es um das Konsumieren gegangen, und die Waffe dort sei nicht sofort greifbar gewesen, weil sie ja in einem Tresor verschlossen war. Außerdem sei die Pistole nur mit Platzpatronen geladen gewesen, die einen Knall und Licht erzeugen, aber keinen Schaden anrichten. „Die Risiken sind äußerst gering.“

Sollte das Gericht trotz allem zu dem Schluss kommen, dass es sich um bewaffnetes Handeln mit Drogen handle, liege ein minder schwerer Fall vor. „Er hat sein Leben geändert. Er hat sich Hilfe geholt. Er hat sich Arbeit gesucht. Er lebt in geordneten Verhältnissen.“ Sie plädierte für eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt werden sollte.

Ohne Haftstrafe geht es nicht

„Das war keine Bagatelle“, sagt dagegen Staatsanwältin Julia Hellmann und plädiert auf vier Jahre Haft. Der Vorsitzende Richter Arno Hornstein verurteilt den Mann letztlich wegen des bewaffneten Handelns mit nicht geringen Mengen an Drogen zu drei Jahren und drei Monaten Haft. „Mehr war nicht drin“, sagte er bei der Verkündung des Urteils. „Wir haben alles versucht, aber wir haben unsere Grenzen.“ Die Mindeststrafe liege normalerweise bei fünf Jahren.

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Ein großer Teil des Kokains und die Schreckschusspistole hätten sich in unmittelbarer Nähe befunden. Es handle sich um viel Kokain, theoretisch je eine Dosis für mehr als 3700 Menschen. Der Tresor sei schnell zu öffnen gewesen. Und das Springmesser sei am Eingang der Wohnung griffbereit gewesen. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Auf den 30-Jährigen kommt auf jeden Fall noch eine weitere Haftstrafe zu. Denn wegen gefährlicher Körperverletzung war er zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt worden. Mit der neuen Straftat hat er die Bewährung gebrochen.

Richter rät, Springmesser zu meiden

Zur Öffentlichkeit gewandt rät Arno Hornstein, überhaupt kein Springmesser zu lagern: „Das fängt damit an, dass man ein Messer daheim herumliegen hat. Was soll das? Ich verstehe es nicht.“ Wenn ein Messer schon da sei, dann steige die Gefahr, es auch einzusetzen. „Lassen Sie es einfach!“