Ein Minus von etwa 43,6 Millionen Euro für sechs Jahre – das muss ein kommunaler Haushalt erst einmal meistern, auch wenn eine relativ große Stadt wie Singen dahintersteht. Das Minus geht laut Informationen der Stadtverwaltung auf Rückerstattungen bei der Gewerbesteuer zurück. Für die Jahre 2022 bis 2024 seien das 22,26 Millionen Euro, die in diesem Jahr zurückerstattet werden müssen. Und in den kommenden drei Jahren, 2025 bis 2027, würden von vornherein jeweils 7,1 Millionen Euro an Gewerbesteuervorauszahlungen weniger eingehen.

Das ist eine Herausforderung für die städtische Kämmerei und für den Gemeinderat, bei dem die Entscheidung über das Budget liegt.

Takeda spielt eine entscheidende Rolle

Bei einem Pressegespräch Ende Januar mit Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler und den beiden Kämmerei-Leiterinnen Heike Bender und Barbara Lo Conte wurde bekannt, dass es eine sehr hohe Rückerstattung von Gewerbesteuer an einen Singener Betrieb gebe. Auch von anderen kleineren Korrekturen war damals die Rede.

In einer Pressemitteilung der Stadtverwaltung vom 2. Februar, in der es um eine noch weitere Verschlechterung der finanziellen Lage der Lage ging, hieß es dann, es habe Ende Januar „eine Vorankündigung von fehlenden Steuereinnahmen“ gegeben.

SÜDKURIER-Recherchen legen nun nahe, dass das Pharma-Unternehmen Takeda dabei eine entscheidende Rolle spielt. Dieses erklärt auf Nachfrage auch, was das für den Standort Singen bedeutet.

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Nähere Angaben aus der Stadtverwaltung gab es damals nicht – ebenso wenig wie jetzt nach einer aktuellen Presseanfrage. Denn es gilt das Steuergeheimnis. Auch das Unternehmen beruft sich darauf. Ob die Mindereinnahmen bei der Gewerbesteuer also auf genau ein Unternehmen zurückgehen oder ob noch andere Firmen Erstattungen bekommen, ist derzeit nicht mit letzter Sicherheit zu sagen.

Die vorliegenden Informationen legen allerdings den Schluss nahe, dass die Entwicklung zumindest zu einem sehr großen Teil auf die Firma Takeda zurückgeht – auch nach inoffiziellen Informationen, die die Redaktion erreicht haben. Das leuchtet ein, denn die Ertragskraft in der forschenden Pharmaindustrie dürfte hoch sein – und hohe Gewerbesteuersätze nach sich ziehen.

Offizielle Informationen sind schwierig zu bekommen

Auf eine Anfrage, die mit den konkreten Beträgen versehen war, antwortet die für Deutschland zuständige Pressestelle von Takeda: „Wir bestätigen, dass es um eine Steuererstattung aus Gewerbesteuer-Vorauszahlungen und Anpassung künftiger Steuervorauszahlungen geht.“

Zu den konkreten Beträgen der Steuerrückerstattung macht das Unternehmen indes keine Angaben, ebenfalls unter Verweis auf das Steuergeheimnis: „Über die Höhe geben wir keine Auskunft und kommentieren auch keine Zahlen in den Medien. Wir sind dazu mit der Stadt Singen im Austausch“, heißt es in der Stellungnahme der für Singen zuständigen Pressesprecherin Nina von Reden.

Es handle sich um einen üblichen Vorgang, so von Reden weiter. Dass eine Gewerbesteuerrückerstattung normales Tagesgeschäft sei, hatte zuvor auch Oberbürgermeister Häusler betont. Nur die Höhe der Rückerstattung sei außergewöhnlich.

Keine Sorgen um den Singener Standort

Deutet der Vorgang nun darauf hin, dass es dem Unternehmen schlecht geht? Zuletzt hat der Pharma-Konzern, der seinen Hauptsitz in Japan hat, kräftig am Standort Singen in die Produktion eines Impfstoffes gegen die Tropenkrankheit Dengue-Fieber investiert. Doch nicht nur an dieser Stelle steckt Takeda Geld in den Standort Singen. Im Dezember 2023 informierte das Unternehmen darüber, dass man das Werk weiter ausbaue. „Mehr als 70 Einzelprojekte mit einem Gesamtvolumen von rund 227 Millionen Euro laufen aktuell“, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens dazu.

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„Man muss sich definitiv keine Sorgen um den Takeda-Standort Singen machen“, ergänzt von Reden am Telefon. Auch Arbeitsplätze seien nicht in Gefahr, das Unternehmen suche sogar weitere Mitarbeiter. Und in ihrer schriftlichen Stellungnahme betont sie: „Takeda ist seit Jahren und bleibt einer der großen Arbeitgeber der Region und ein wichtiger und konstanter Steuerzahler für die Stadt Singen.“

Einmalige Sondereffekte sind der Hintergrund

Hintergrund der Rückerstattung ist laut Pressestelle die Fusion von Takeda mit dem irischen Pharma-Unternehmen Shire im Jahr 2019. Demnach habe es 2021 und 2022 „einmalige Einnahmen durch den Verkauf von Beteiligungen im Rahmen der Integration von Shire“ gegeben. Und: „Diese höheren Einnahmen haben zu höheren Steuerzahlungen in diesen beiden Jahren in Singen geführt.“ Nun sei man wieder auf einem normalen Steuerniveau angekommen, „das weiterhin maßgebliche Gewerbesteuern an die Stadt Singen beinhaltet“, so von Reden weiter.

Und wie geht es nun für die Stadt Singen und ihren kommunalen Haushalt weiter? Die Verwaltung habe ein Vorschlagspapier erarbeitet, schreibt der städtische Pressesprecher Stefan Mohr auf Anfrage. Dieses solle endgültig beraten und verabschiedet werden. Zunächst im Verwaltungs- und Finanzausschuss des Gemeinderats am Dienstag, 12. März. Eine Woche später, am Dienstag, 19. März, ist dann der Gemeinderat an der Reihe, der den Haushalt verabschieden soll. Auch das Regierungspräsidium als Aufsichtsbehörde sei informiert, so Mohr: „Das Gespräch war gut.“