Sie haben das Gasthaus Kreuz, das vorher vom Kulturzentrum Gems geführt wurde, 2019 mit Ihrem neuen Konzept als Pächter von der Stadt Singen übernommen? Wie lief es in der ersten Zeit?
Am 5. November 2019 haben wir eröffnet. Die Stadt hatte das Gebäude renoviert. Die Arbeiten waren zwar noch nicht alle beendet, aber wir haben trotzdem aufgemacht – und einen Traumstart hingelegt. Wir hatten einen umsatzstarken November und Dezember. Das Restaurant wurde super von den Singenern angenommen. Januar und Februar 2020 waren dann zwei eher ruhigere Monate. Auf eine Beteiligung an der Fasnacht hatten wir verzichtet, weil das Gebäude frisch renoviert war. Wir wollten danach wieder durchstarten, dann erfolgte vom 10. März bis 18. Mai der erste Lockdown. Wir mussten schließen.
Wie kamen Sie während des Lockdowns zurecht, haben sie einen Lieferservice angeboten?
Wir haben einen kleinen Take-away eingerichtet, aber unsere Gäste sind von uns eine gewisse Qualität gewohnt. Ein Rinderfilet kann ich nicht in der Pappschachtel hinstellen. Dann kommt noch die Kostenfrage hinzu. Wenn Sie im Restaurant 30 Euro für ihre Bestellung bezahlen, dann wollen Sie ein Gesamtpaket: Schön gedeckte Tische, einen kompetenten Kellner und ein Essen, das nicht nur gut schmeckt, sondern auch gut aussieht. Wir haben uns dann gegen den Lieferservice entschieden. Für mich persönlich war es eine schwierige Zeit. Ich habe damals lange nicht mehr so schlecht geschlafen.
Wie ging es für Sie nach dem Lockdown den Sommer über weiter? Konnten Sie sich erholen?
Nach dem Lockdown im Mai haben wir den Biergarten öffnen können. Wir haben einen Fassanstich realisiert, was wir auch für das kommende Jahr planen. Was das Restaurant angeht, waren die Sommermonate durch die Abstandsgeschichte geprägt. Aber wir haben eine tolle Raumluftanlage und genügend Platz, von daher war das für uns machbar. Wir konnten im Erdgeschoss und im Obergeschoss je 36 Gästen Platz bieten. Ohne Corona-Abstand wäre locker die doppelte Anzahl möglich. Da kann man sich ausrechnen, wann sich das Geschäft lohnt. Meine sieben Angestellten sind Fachkräfte, teilweise haben sie in Sterne-Restaurants gearbeitet. Das Restaurant war nur selten komplett belegt, nicht zuletzt aufgrund der Corona-Angst der Leute. Wenn die Gäste draußen sitzen konnten, es das Wetter zuließ, bevorzugten sie den Garten. Es ist frustrierend, wenn die Küche am Abend zwanzig Essen kocht und das Potential für 60 bis 70 Gäste da ist.
Konnten Sie im Außenbereich noch erweitern?
Zuletzt hatte ich bei der Stadt eine Anfrage wegen einer Ausschankhütte gemacht. Ich wollte für die nächsten Wochen eine Art „Weihnachtsmarkthütte“ aufstellen, die mobile Außenzapfanlage stand schon bereit. Auf die Anfrage habe ich bisher keine Rückmeldung erhalten. Vielleicht Corona-bedingt nicht. Im Sommer haben wir im Biergarten Tische und Stühle aufgestellt was ging und sind bei 80 Außenplätzen gelandet. Aber wenn jeweils zwei Personen wegen der Abstandshaltung einen 4er Tisch besetzen, dann ist die Anzahl der Gäste insgesamt limitiert.
Sie haben sich dafür entschieden, im Gasthaus Kreuz eine gehobene Gastronomie anzubieten. Wie sieht das Konzept aus und wie haben Sie auf sich aufmerksam gemacht?
Wir haben von Anfang an viel Werbung gemacht: Nicht nur ganz klassisch in der Zeitung, sondern auch in den sozialen Medien. Was man hier oft hört ist, dass wir sehr hochpreisig wären. Da kann ich nur darauf hinweisen, dass wir ausschließlich gelernte Fachkräfte haben. Ich bekomme keinerlei Zuschüsse und ich habe Fixkosten. Wir arbeiten im Kreuz ausschließlich mit frischen und regionalen Produkten. Fast alles kommt aus einem Umkreis von 30 Kilometern. Ich kann Produkte dieser Qualität nicht verramschen und verschenken. Ich wollte mich ganz bewusst vom Mainstream absetzen und nicht einen weiteren Schnitzel-Pommes-Laden aufmachen. Mein Team und ich legen großen Wert auf die Produkte, mit denen wir arbeiten. Wir möchten eine gute Qualität auf einem heißen Teller, schön angerichtet.
Wie wurde Ihr Angebot in Singen aufgenommen?
Es gibt viele Menschen, die unser Angebot wertschätzen. Sie kommen inzwischen auch aus der weiteren Umgebung, aus der Schweiz und auch aus Konstanz. Die Renovierung ist dem Gasthaus Kreuz gut bekommen. Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich das an diesem Standort machen darf. Wir hatten übrigens im Sommer für den Biergarten eine spezielle Karte entwickelt. Da gab es auch Wurstsalat und Burger. Kritik wurde von der benachbarten Gems laut, wir seien preislich zu abgehoben. Im Unterschied zur Gems, die ja bekanntlich Zuschüsse erhält und auch für das Gasthaus erhielt, müssen wir uns jeden Euro verdienen.
Eigentlich könnten sich Restaurant und Gems doch gut ergänzen?
Der Geschäftsführer der Gems, Andreas Kämpf, meinte, das Gasthaus sei mit diesem Konzept für ihn verloren. Er hatte wohl damit gerechnet, dass das Kreuz eine Art Vereinsheim bleibt. Er meinte auch, dass Besucher des Openair-Kinos im Sommer nicht unsere Klientel sei. Wir haben aber an den Abenden während des Kinos und bei anderen Veranstaltungen Dutzende Tische mit Besuchern der Gems bei uns gezählt. Ich kam nach Singen komplett vorbehaltlos und habe nicht mit so einer nicht nachvollziehbaren Blockade gerechnet. Ich bin im Übrigen Mitglied des Fördervereins. Der Komplex Gems ist schwierig, obwohl ich Gespräche und Kooperationen angeboten habe. Bei uns sind alle Gäste willkommen, egal ob großer oder kleiner Geldbeutel. Es ist für jeden Gast etwas dabei. Es gibt aber auch viele Menschen der Stadt, die uns für diesen Aufbruch loben und uns Mut zusprechen, dass wir trotz Corona durchhalten. Ich habe in meinem Leben gelernt, mit Kritik umzugehen. Aber Corona ist ein anderer Fall, das macht demütig, das tut weh.
Wie ist die Situation jetzt im November für Sie?
Ich habe für einen Teil der Mitarbeiter Kurzarbeit angemeldet und wir versuchen jetzt einen Take-Away-Service aufzuziehen, außerdem bieten wir gerade Currywurst und Glühwein to go an. Das ist in vielerlei Hinsicht eine neue Erfahrung. Ich rechne damit, dass der Lockdown länger dauern wird als angekündigt, wahrscheinlich bis Anfang des kommenden Jahres. Es wird sich zeigen, was sich da lohnt. Nach dem Lockdown sind wir wieder natürlich wieder wie gewohnt am Start. Aufgeben kommt nicht in Frage. Für mich als Jungunternehmer ist das im Moment nicht einfach, auch, weil ich einen sechsstelligen Betrag in den Betrieb gesteckt habe. Diese Investition muss sich irgendwann rechnen.
Bekommen Sie denn staatliche Hilfen, es hieß ja, dass Ihre Branche wegen der Pandemie 75 Prozent der Einnahmen des vergangenen Novembers bekommt?
Es ist so, dass das Kurzarbeitergeld und die ganzen Hilfen von Juli, August und September wohl mit angerechnet werden. Da bleibt am Ende kein großer Betrag übrig. Außerdem zahle ich meinen Mitarbeitern aus Respekt für ihre Arbeit die Differenz zwischen Kurzarbeitergeld und ihrem Gehalt aus eigener Tasche. Sie sind ja unverschuldet in diese Situation geraten, da müssen sie nicht auch noch bestraft werden. Die Soforthilfen gehen für Pacht, Gehälter, Strom, für Steuervorauszahlungen, für Versicherungen, Steuerberater und fällige Investitionen drauf und das war‘s dann auch. Wir haben während des ersten Lockdowns eine kleine Ermäßigung der Pacht von der Stadt bekommen. Dafür bin ich dankbar. Ich glaube aber, es wäre eine Erleichterung für alle Gastwirte, wenn sie von ihren Vermietern die Miete ganz oder teilweise erlassen bekämen – wenn schon kein Geschäft stattfinden darf.
Wie geht es für Sie weiter, was planen Sie und was würden Sie sich an Unterstützung wünschen?
Ich hoffe natürlich, dass es im Dezember weitergeht und unsere Gäste dem Kreuz treu bleiben. Aber so wie es momentan aussieht, werden wohl keine Weihnachtsfeiern stattfinden können und dürfen – wir hatten schon Buchungen. Aktuell planen wir eine Bar im Obergeschoss des Hauses, haben mit dem Umbau begonnen. Ich würde mir wünschen, dass Unternehmen, die keine Weihnachtsfeiern wegen Corona ausrichten, ihren Mitarbeitern alternativ Gastro-Gutscheine schenken. Damit würden sie den Restaurants vor Ort helfen, Arbeitsplätze sichern und gleichzeitig ihren eigenen Mitarbeitern eine Freude machen.