Einen Neujahrsempfang kann man, leicht zugespitzt, auch als Lagerfeuer einer Stadtgesellschaft bezeichnen. Da versammelt man sich rund um das Oberhaupt, um auf das vergangene Jahr zurück- und auf das neue Jahr vorauszublicken. Und das Stadtoberhaupt setzt die Agenda – so geschehen auch beim Neujahrsempfang der Stadt Singen in der ausverkauften Stadthalle am Freitag, 17. Januar. Da hatte Oberbürgermeister Bernd Häusler viele politische Botschaften für die Stadtgesellschaft im Gepäck, von denen manche aufhorchen ließen. Das waren die wichtigsten Punkte – ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Finanzen und Zuschüsse
Ohne Geld kann auch die am besten gewillte Stadtverwaltung nichts ausrichten. Angesichts der schwierigen Lage in der Stadtkasse spielten die städtischen Finanzen in Häuslers etwa einstündiger Rede eine gewichtige Rolle. Zunächst trat er Unkenrufen im Zusammenhang mit der massiven Rückzahlung von Gewerbesteuer entgegen, die den städtischen Haushalt überhaupt erst ins Schlingern gebracht hat.
Es handle sich nicht um einen Rechenfehler der Verwaltung und auch nicht um Auswirkungen von schlechter konjunktureller Lage. Sondern einfach nur um „eine Korrektur innerhalb dieses globalen Betriebes, auf die wir als Stadt keinerlei Einfluss haben“.
Eine Ankündigung, die aufhorchen ließ, machte Häusler im Hinblick auf städtische Zuschüsse. Neben Einsparungen im Sport- und Kulturbereich werde man auch „die zahlreichen Zuschüsse im sozialen Sektor“ auf ihre Wirksamkeit hin überprüfen. Als Leitfragen formulierte er: Was zahlt die Stadt? Und haben die Zahlungen den gewünschten Effekt?
Kinderbetreuung, Schulen und Einwohnerzahl
Die Finanzen standen auch im Hintergrund eines weiteren Themas, das OB Häusler ansprach: die Einwohnerzahl der Stadt. Laut der eigenen Einwohnermeldedatei sei man nämlich von etwa 49.600 Einwohnern in Singen ausgegangen. Zur Erinnerung: Vor diesem Hintergrund wurde auch ein Mietspiegel erstellt, der für Städte ab 50.000 Einwohner – einer für Singen auf dieser Grundlage greifbar nahen Zahl – verpflichtend ist und der nun nicht weitergeführt wird.
Der Zensus 2022 habe hingegen nur etwa 46.800 Einwohnerinnen und Einwohner in Singen ermittelt. „Für mich bleibt ein Störgefühl zwischen Realität und Statistik“, kommentierte Häusler. Von der Einwohnerzahl einer Stadt sind unter anderem finanzielle Zuweisungen aus dem Steueraufkommen abhängig.
Häusler warf angesichts des Nullwachstums, das der Zensus der Stadt bescheinigt, noch eine weitere Frage auf: „Wo kommen dann die ganzen Kinder her?“ Schließlich baut die Stadt schon seit Jahren die Kapazitäten in den Kitas aus, eine neue Einrichtung wird in der Radolfzeller Straße errichtet. Und in den Jahren 2025 und 2026 soll in der östlichen Uhlandstraße in der Nordstadt eine neue Einrichtung mit mindestens 75 Plätzen entstehen, gab Häusler bekannt.
Ganz ohne Kritik an Landes- und Bundespolitik kam Singens Oberbürgermeister auch in dieser Neujahrsansprache nicht aus – auch wenn er sich Querschüsse in diese Richtung angesichts des laufenden Bundestagswahlkampfes fürs nächste Jahr aufhob, wie er in seiner Begrüßung der drei wahlkämpfenden Bundestagsabgeordneten Andreas Jung (CDU), Lina Seitzl (SPD) und Ann-Veruschka Jurisch (FDP) ankündigte.
Denn wenn das meiste städtische Geld nur noch in die Erfüllung von Rechtsansprüchen fließe, die von oben nach unten durchgereicht würden, bleibe ein „fader Beigeschmack“. Für freiwillige Leistungen bleibe dann wenig übrig.
Und Häusler hatte gleich noch ein ähnliches Beispiel dabei: Die Umstellung aufs neunjährige Gymnasium werde Bauarbeiten nach sich ziehen, an beiden Gymnasien in der Stadt werde man vor allem naturwissenschaftliche Räume erweitern müssen. Häusler: „Sie dürfen raten, wer die Mehrkosten hierfür tragen wird.“ Abgesehen von Kosten für die Aufrüstung von Schulen für den Ganztagsbetrieb und einem Neubau für die Zeppelin-Realschule.
Öffentliche Sicherheit
Im Bereich öffentliche Sicherheit galt Häuslers Dank allen Mitarbeitern – hauptamtlich und freiwillig – der Blaulichtorganisationen. In diesem Bereich bekamen die Datenschützer vom Singener Stadtoberhaupt eine Portion Kritik ab.
Denn die hätten festgestellt, dass in den Bereichen der Innenstadt, in denen Videoüberwachung installiert werden soll, zu wenige Straftaten passiert seien. Er kommentierte pointiert: „Der Datenschutz interessiert sich nicht für das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung.“ Man werde in dieser Frage aber nicht aufgeben.
Worum es sonst noch ging
Auch in anderen Punkten versprach Häusler, nicht aufzugeben. Zum Beispiel beim derzeit nicht geplanten Anschluss der Region ans Wasserstoffkernnetz, bei dem Häusler auf ein Umdenken in der Bundespolitik hofft. Oder beim Bahnanschluss über die Gäubahn nach Stuttgart, der ab April 2026 unterbrochen werden soll – wegen der Inbetriebnahme von Stuttgart 21.
Die Vorbereitungen für den Nordstadtversorger würden verhalten laufen, aber vorangehen, für viele Bauprojekte in der Stadt sei er dankbar. Doch verärgert zeigte sich Häusler darüber, dass das ehemalige Hotel Landerer am Ziegeleiweiher nun doch nur energetisch saniert und nicht durch Neubauten ersetzt würde – „gescheitert an der aktuellen wirtschaftlichen Lage“.
Und gleich zu Beginn seiner Rede musste Häusler eine traurige Personalie verkünden: Bürgermeisterin Ute Seifried, in der Stadtverwaltung zuständig für die Bereiche Bildung und Sport sowie Jugend, Soziales und Ordnung, werde nicht mehr ins Amt zurückkehren.

Der Grund dafür seien massive gesundheitliche Probleme. Seifried selbst hatte im SÜDKURIER öffentlich gemacht, dass sie mit den langwierigen und schwerwiegenden Folgen einer Corona-Erkrankung zu kämpfen habe. Nun musste Häusler bekannt geben, dass alle Bemühungen Seifrieds um gesundheitliche Fortschritte nicht ausreichten, um in das anspruchsvolle Amt zurückzukehren.
Nach all dieser schweren Kost brachte die Gruppe Bidla Buh aus Hamburg eine Show mit faszinierender Musik-Comedy auf die Bühne der Stadthalle – in dem Brigitte Trinks-Möhrle, die mit ihrem Ehemann, dem früheren Singener OB Friedhelm Möhrle, im Publikum saß, eine tragende Rolle hatte.
Hans Torge Bollert, Trompete und Gesang, und Olaf Klindtwort, Gitarre, begeisterten das Publikum, das streckenweise sogar im Stehen mitsang.