Herr Ammon, mit großem Engagement setzen Sie sich als Behindertenbeauftragter für die Belange der Menschen mit Behinderung ein. Was war Ihnen von allen Projekten besonders wichtig, worauf sind Sie stolz?
Spontan würde ich sagen, dass es der Inklusionspreis ist. Mein Anliegen war es, dass wir über neue Wege zur Inklusion nachdenken und das Bewusstsein für die Belange von Menschen mit Behinderung schärfen, damit das gemeinsame Leben von Menschen mit und ohne Behinderung selbstverständlich wird. Mit dem Inklusionspreis, der seit dem Jahr 2017 verliehen wird, entscheidet eine Jury über die Qualität der Anträge und über die Aufteilung des Preisgeldes in Höhe von 6000 Euro. Die Reaktionen waren und sind bis heute hervorragend, denn das Preisgeld wurde immer sinnvoll eingesetzt.
Sie sind selbst leidenschaftlicher und aktiver Sportler. Daher setzen Sie sich gerade auch für den Bereich Bewegung und Sport ein, unter anderem mit dem Inklusions-Sport-Tag.
Dieses Projekt wurde bereits im Jahr 2018 von Alt-Landrat Hämmerle und mir ins Leben gerufen. Der Sport, der Wettkampf, das gegenseitige Respektieren und die sportliche Kameradschaft sind für alle Teilnehmenden sehr wichtig. Im Jahr 2022 habe ich nach der Corona-Pandemie diese tolle Veranstaltung wieder aufleben lassen dürfen. Toll war, dass es mir gelang, den Minister für Soziales, Gesundheit und Integration, Manne Lucha, für diesen Tag im Münchriedstadion in Singen zu gewinnen. Es war der erste Inklusion-Sport-Tag seiner Art im gesamten Landkreis Konstanz, wobei der Minister spontan die Schirmherrschaft übernahm. Aufgrund der Teilnahme zahlreicher Paralympics-Teilnehmer und Teilnehmerinnen gelang es mir, dieser Veranstaltung noch mehr Gewicht zu verleihen. Oder wie es Manne Lucha zusammenfasste: „Wenn Oswald Ammon ruft, dann kommen wir alle.“

Inklusion bedeutet für sie wesentlich mehr als die reine Akzeptanz von Menschen mit Handicap, sondern der Wunsch für ein gleichberechtigtes Miteinander.
Das ist richtig. Leider ist es noch immer nicht selbstverständlich, dass Menschen mit und ohne Handicap zusammen lernen, wohnen, arbeiten und leben. Bis diese Möglichkeit des Zusammenseins in den Köpfen der Menschen ankommt, bedarf es wohl noch eines wahren Inklusion-Marathons. Je mehr Öffentlichkeitsarbeit wir betreiben und je besser die Aufklärung ist, desto größer ist die Chance, dass wir diese Aufgabe meistern können.
Mit „Slow Inclusion“ zeigen Sie, wie leicht Aufklärungsarbeit im Kindergarten gelingt.
Ja, wie wir gesehen haben, stehen die Kinder im Alter zwischen drei und sechs Jahren dem Begriff Inklusion völlig vorurteilsfrei gegenüber. Diese frühe Sensibilisierung für Inklusion ist eine besonders tiefe und nachhaltige Verankerung der Vorstellungen von Nichtdiskriminierung, Toleranz, Bewegungs- und Barrierefreiheit sowie gleichberechtigter Teilhabe an allen alltäglichen Aktivitäten. Je früher wir ansetzen, umso spielerischer wir das Thema auf den Weg bringen, desto größer die Akzeptanz und Selbstverständlichkeit.

Ein wichtiger Punkt auf Ihrer Agenda war die Barrierefreiheit der Schwimmbäder. Was konnten Sie dort erreichen?
Bei meinem Schwimmbäder-Rundgang im Landkreis Konstanz hatte ich aufgedeckt, wo es an Barrierefreiheit fehlte. Die betroffenen Frei- und Hallenbäder wurden inzwischen fast alle entsprechend barrierefrei umgebaut. Es war ein großes Vorhaben und ich bin stolz sagen zu dürfen, dass sich inzwischen enorm viel getan hat.
Ein anderes großes Ziel war der inklusive Krankenhausaufenthalt, der bis zum Jahr 2025 im Landkreis Konstanz umgesetzt werden soll. Wie gut ist das bisher gelungen?
Das läuft in Konstanz und Singen schon ganz wunderbar und mein ursprüngliches Ziel wurde bereits erreicht. Besonders wichtig ist dieses Hilfsangebot für Menschen, die beispielsweise seh- oder sprach eingeschränkt sind, also nicht in der Lage sind, selbständig notwendige Formulare auszufüllen. Und wie gut das läuft, davon konnte ich mich bei meinem eigenen Krankenhausaufenthalt direkt überzeugen. Es standen auf einmal zwei Damen an meinem Bett, die mich fragten, in welchen Bereichen ich Unterstützung benötigte oder spezielle Wünsche hätte.
Sie sprechen mit so viel Euphorie von Ihrer Tätigkeit: Warum geben Sie Ihr Amt denn nun auf?
Ich werde im April 71 Jahre alt und bin der Meinung, dass ich während meiner Tätigkeit einige Punkte erreichen beziehungsweise Anstöße für Neues geben konnte. Der Boden für die Nachfolge ist, wie viele von außen sagen, gut bestellt, worauf sich aufbauen lässt. Ich habe meine Tätigkeit immer mit Leidenschaft, Ideen und Engagement ausgeübt, möchte mich aber jetzt verstärkt meinem Privatleben widmen. Vor allem meiner Frau, die die vergangenen siebeneinhalb Jahre immer geduldig und mit guten Ratschlägen an meiner Seite stand, meinen zwei Kindern und drei Enkeln.
Was wünschen Sie sich, für die weitere Arbeit im Bereich der Inklusion?
Es ist die Aufklärungsarbeit, die weiterhin vorangetrieben werden muss. So sollte die Frage geklärt sein: Was bedeutet überhaupt Behinderung? Beispielsweise beim Autofahren. Heutzutage ist es, Gott sei Dank möglich, mit Behinderung jedes Auto, ob groß oder klein, zu fahren. Das Parken ist hingegen oft schwierig, da es zu wenige Behindertenparkplätze in den Innenstädten gibt. Außerdem ist es eine lästige Aufgabe, bei manchen Mitbürgern Verständnis zu wecken, dass das Parken auf einem Behindertenparkplatz für Menschen mit Handicap kein Privileg, kein Luxus ist, sondern eine Notwendigkeit, um an einem normalen Leben teilhaben zu können.